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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek

E. Neuanfang (nach 1945)

Die Universität Heidelberg nach 1945

Äußerlich unbeschadet hatte die Ruperto-Carola den Krieg überstanden, im Inneren aber war sie durch die zwölfjährige Diktatur zerstört. Nun musste Schuld anerkannt und Wissenschaft neu gestaltet werden. Zunächst wurde die Universität am 1. April 1945 von General Eisenhower geschlossen. Am 5. April traten 13 unbelastete Professoren, darunter Martin Dibelius, Karl Jaspers, Gustav Radbruch, Alfred Weber, Karl Freudenberg, Wolfgang Gentner und Karl Heinrich Bauer, zu dem sogenannten Dreizehnerausschuss zusammen, der einen Neuanfang konzipierte und die Wiedereröffnung aller Fakultäten anstrebte. Zu klären war insbesondere die Personalfrage, denn die Anpassung der Hochschullehrer an den Nationalsozialismus hatte in Heidelberg ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Über 70% des Lehrkörpers musste wegen Mitgliedschaft in der NSDAP die Universität für immer oder vorübergehend verlassen. An die Eignung der neu zu berufenden Hochschullehrer waren besondere Maßstäbe anzulegen.

Der Dreizehnerausschuss und insbesondere die moralische Autorität Karl Jaspers' sowie der Einfluss Karl Heinrich Bauers, der auch erster Rektor wurde, erwirkten eine schnelle Wiedereröffnung der Universität. Bereits im August 1945 wurde die Medizinische Fakultät geöffnet, ab Januar 1946 konnten alle Fakultäten ihre Arbeit wieder aufnehmen. Die neue Satzung, die unter der Federführung von Jaspers ausgearbeitet worden war, verpflichtete die Universitätsangehörigen, "dem lebendigen Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit und Humanität zu dienen."

Wie kaum ein anderer seiner Kollegen setzte sich Karl Jaspers für einen programmatischen Neuanfang ein, der auch ein Schuldbekenntnis mit einschloss. Die verlorene Würde der Universität ließ ein bloßes Anknüpfen an die Zeit vor 1933 nicht mehr möglich erscheinen. Doch Jaspers' hohe moralische Anforderungen standen im Gegensatz zu dem Selbstverständnis einer Universität, die sich als Fundament einer neuen Führungsschicht für den demokratischen Staat verstand. Dieses ungebrochene Selbstbewusstsein der akademischen Institution setzte sich gegen Zweifel, Schuldbekenntnisse und Neuorientierung durch.

Die institutionelle Organisation der Hochschule orientierte sich an der Universitätsverfassung von 1919 mit Rektor, Großem und Engeren Senat. In der Studentenschaft lebten einerseits seit den fünfziger Jahren die alten Verbindungen wieder auf, andererseits wurden neue Formen studentischen Zusammenlebens gesucht. Auch der traditionell hohe Anteil von Ausländern hat sich nach dem Krieg wieder eingestellt.

Auf die Konsolidierungsphase folgte die Phase der Expansion. Räumlich erweiterte sich die Universität durch die Errichtung eines Campus für die Naturwissenschaften und die Medizin. Die Studentenzahlen stiegen kontinuierlich an und liegen heute bei 25.000. Mit der Erweiterung des Fächerkanons wurden auch die Fakultäten neu aufgegliedert: ihre Zahl erhöhte sich von sechs (1934) auf fünfzehn (seit 1969). Der Lehrkörper umfasst heute etwa 1280 habilitierte Hochschullehrer.

Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit: Neubesetzung, Rehabilitierung, Versuche der Wiedergutmachung

Die Wiedergutmachung für entlassene Hochschullehrer begann in den fünfziger Jahren und zog sich lange hin. Den Betroffenen wurde oft erst nach eigener Initiative und längerem Verfahren eine Entschädigung oder die Wiedereinstellung gewährt. Verantwortlich dafür waren die staatlichen Gesetze, die eine schnelle und unbürokratische Rehabilitierung verhinderten. Während einige ehemalige Professoren aus Verbundenheit mit ihrer früheren Wirkungsstätte in wissenschaftlichen Austausch mit Heidelberg traten, zu Gastvorlesungen kamen oder sogar ganz nach Deutschland zurückkehrten, lehnten andere weitergehende Verbindungen zur Universität Heidelberg ab. Zu ihnen gehörte der Romanist Leonardo Olschki. Er betrieb seit 1952 ein Wiedergutmachungsverfahren in Deutschland, das im Jahr darauf Erfolg hatte. Abgesehen von diesen Kontakten wollte er keine Beziehungen zur Universität. Er veröffentlichte auch nichts mehr in deutscher Sprache.

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Karl Löwith und Martin Buber

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Deutsch-israelische Beziehungen nach 1945

Das deutsche Verhältnis zu Israel ist schuldbelastet. Sechs Millionen Juden wurden in Deutschland und Europa während der Herrschaft der Nationalsozialisten ermordet. Nach ihrer Gründung im Jahr 1949 hat sich die Bundesrepublik zur moralischen Verantwortung der Deutschen gegenüber dem Staat Israel und dem jüdischen Volk bekannt. Am 10. September 1952 unterzeichneten Konrad Adenauer und Moshe Sharett den Staatsvertrag über die "Wiedergutmachung". Diese Anerkennung jüdischer Ansprüche ebnete den Weg zum Aufbau bilateraler Beziehungen. 1960 fand das erste Treffen der beiden Regierungschefs, Konrad Adenauer und David ben Gurion, in New York statt; 1965 erfolgte die gegenseitige diplomatische Anerkennung. 1970 besuchte mit Abba Eban erstmals ein israelischer Außenminister die Bundesrepublik; seitdem gibt es regelmäßige Kontakte auf Regierungsebene.

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Wissenschaftliche Kontakte nach Israel seit 1957

Die "Architekten" der Kooperation

42 Jahre deutsch-israelische Wissenschaftsbeziehungen - 37 Jahre Minerva-Stiftung

Die durch private Initiative entstandenen Kontakte zwischen deutschen und israelischen Naturwissenschaftlern führten seit 1960 zu Verhandlungen über eine Institutionalisierung der Beziehungen. Am 27. Juni 1964 wurden die Projektförderung in einem Vertrag zwischen der Minerva-Stiftung (einer Tochtergesellschaft der Max-Planck-Gesellschaft) und dem Weizmann-Institut auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Das für die Auswahl der Projekte zuständige Minerva-Komitee besteht aus Mitgliedern des Weizmann-Instituts, der Max-Planck-Institute, der Universität Heidelberg sowie anderen deutschen Universitäten. Das Minerva-Programm führte zu einer fruchtbaren deutsch-israelischen Kooperation. Das 1973 eingerichtete Stipendien-Programm ermöglicht den Austausch von jungen Wissenschaftlern aus Deutschland und Israel sowie den Forschungsaufenthalt im anderen Land. Ab 1975 wurden bilateral finanzierte Forschungslehrstühle und Minervazentren in Israel aufgebaut. Heute gibt es 43 Zentren und zwei Minerva-Lehrstühle in den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften in Israel. Alle drei Programme werden seit 1964 durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft finanziell unterstützt.

Die Minervazentren in Israel

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Deutsch-israelische Wissenschaftskooperation in Heidelberg

... in der Krebsforschung seit 1976:

Im Jahr 1976 schlossen das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ, gegründet 1964) und der damalige Nationale Rat für Forschung und Entwicklung des Staates Israel - seit 1982 Ministry of Science (MOS) - einen Vertrag zur Kooperation in der Krebsforschung. Die gemeinsamen wissenschaftlichen Projekte bestehen jeweils aus einem israelischen und einem DKFZ-Projekt mit dreijähriger Laufzeit. Derzeit laufen ständig 14 Kooperationsprojekte. In den ersten zwanzig Jahren seit 1976 wurden insgesamt 61 gemeinsame Projekte durchgeführt. Darin erzielte das Kooperationsprogramm wichtige Erkenntnisse im Bereich der Krebsforschung wie der Entstehung der Krankheiten, speziell deren molekularbiologische Grundlagen, sowie der Immunologie und der Rolle von Onkogenen. Die Kooperation ist Teil einer Vereinbarung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung mit dem israelischen Wissenschaftsministerium, die deutsch-israelische Kooperationsprogramme in acht Gebieten von Forschung und Technologie umfasst.

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Partnerschaft der Universitäten Jerusalem und Heidelberg:

Am 26. September 1983 unterzeichneten Rektor Professor Adolf Laufs und der Vizerektor Professor Amnon Pazy einen Partnerschaftsvertrag zwischen den Universitäten Heidelberg und der Hebräischen Universität Jerusalem. In der Vereinbarung zur Zusammenarbeit wird als Zweck die wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Universitäten in Forschung und Lehre sowie die Förderung und Vertiefung des Verständnisses für die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange beider Länder festgelegt. Die Ziele der Zusammenarbeit bestehen insbesondere aus dem Austausch von Hochschullehrern und Studenten, der Durchführung gemeinsamer Forschungsvorhaben sowie der Veranstaltung wissenschaftlicher Symposien. Im Mai 2001 wurde der Vertrag um eine Vereinbarung über den Austausch von Erfahrungen, Ausstellungen und Publikationen der beiden Universitätsbibliotheken erweitert.

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Die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg

Die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg wurde 1979 auf Inititative des badischen Landesrabbiners Professor Peter Levinson sowie des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Werner Nachmann auf Beschluss der bundesdeutschen Kultusministerkonferenz in der Trägerschaft des Zentralrates gegründet. Mit dieser ersten akademisch etablierten Einrichtung für Jüdische Studien in Deutschland besaßen die Kultusgemeinden wieder eine eigene Ausbildungsstätte für Kantoren und Religionslehrer. Außerdem hat die Hochschule das Ziel, "mit Forschung, Lehre und Studium der Pflege und Entwicklung der jüdischen Geisteswissenschaften und der ihnen verwandten Disziplinen zu dienen. Sie bereitet auf alle beruflichen Tätigkeiten in der jüdischen Gemeinschaft vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern, vor allem auf religiöse Aufgaben. Sie fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs." Die Hochschule sieht sich als Erneuerin einer Tradition, die vor 1933 durch die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin und ähnliche Institutionen gepflegt wurde.

Heidelberg ist die einzige Stadt in Deutschland mit einer Hochschule für Jüdische Studien. Dieser Standort wurde gewählt, weil sich hier besonders gute Bedingungen für eine enge Zusammenarbeit mit einer traditionsreichen, weltoffenen Universität boten. Deshalb existiert mit der Universität Heidelberg ein Kooperationsverhältnis, das aus einer engen institutionellen Verklammerung besteht. Ein Kooperationsvertrag ganz besonderer Art besteht seit 1981 mit der Hebräischen Universität Jerusalem. Er ermöglicht Studenten ein einjähriges Studium in Jerusalem sowie Lehraufträge an dortige Professoren für die Hochschule in Heidelberg.

In den letzten 22 Jahren ist die Hochschule für Jüdische Studien zum herausragenden Zentrum jüdischer Lehre und Forschung in Deutschland geworden. Jüdische und nichtjüdische Studierende - deren Zahl heute bei 150 liegt - haben die Möglichkeit einer Kombination von Jüdischen Studien mit anderen geisteswissenschaftlichen oder theologischen Fächern an der Universität, die auf vielfältige berufliche Tätigkeiten vorbereiten. Seit Mai dieses Jahres ermöglicht der neu eingerichtete Ignatz-Bubis-Lehrstuhl an der Hochschule für Jüdische Studien erstmals nach 1945 wieder die Rabbiner-Ausbildung in Deutschland.

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Rabbinerausbildung und religiöses Leben heute

Am 10. Mai 2001 wurde der Ignatz-Bubis-Lehrstuhl für Religion, Geschichte und Kultur des europäischen Judentums an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg eingeweiht. Die Professur, die in erster Linie der Ausbildung von Rabbinern dienen soll, knüpft damit an die 1933 abrupt abgebrochene Tradition an. Die Ausbildung, die - in Ermangelung eines Rabbinerseminars in Deutschland - nach der Zwischenprüfung im Ausland abgeschlossen wird, kann in orthodoxer, konservativer und liberaler Richtung absolviert werden. Damit wird sowohl die Vielfalt jüdischen Lebens als auch der Gedanke der Wahrung der Einheitsgemeinde berücksichtigt. Im Gedenken an den 1999 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, der sich maßgeblich für die Erweiterung der Religionslehrerausbildung an der Hochschule für Jüdische Studien eingesetzt hatte, trägt der neu eingerichtete Lehrstuhl seinen Namen.

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Rabbinerausbildung in Heidelberg

Religiöses Leben heute

1945 schien ein Neubeginn jüdischen Lebens in Deutschland unmöglich. Gleichwohl gründeten die in Deutschland gebliebenen Juden neue Gemeinden, deren Dachorganisation, der 1950 gegründete Zentralrat der Juden, die Aufbauarbeit unterstützt. Der seit 1968 bestehende Bundesverband jüdischer Studenten in Deutschland vertritt die Interessen der akademischen Jugend.

Zur Zeit gibt es 83 jüdische Gemeinden, von denen die Berliner mit über 11.000 Mitgliedern die größte ist. Es folgen Frankfurt und München mit fast 7.000 Mitgliedern. Heute leben etwa 100.000 Juden in Deutschland. Damit ist die deutsche jüdische Gemeinde - insbesondere durch Zuwanderung aus Osteuropa - die am schnellsten wachsende und drittgrößte in Westeuropa.

Die Heidelberger Jüdische Kultusgemeinde besteht heute aus 430 Mitgliedern. Nach mehreren Provisorien konnte sie im Jahr 1994 ein neu erbautes Gemeindezentrum beziehen und eine von dem Frankfurter Architekten Alfred Jacoby gebaute Synagoge einweihen. Somit besteht nach langen Jahren der Übergangs wieder ein Mittelpunkt jüdischen Lebens in Heidelberg.

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Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg

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