Friedrich Tiedemann (1781-1861)
Friedrich Tiedemann wurde am 23. August 1781 in Kassel geboren. Er studierte in Bamberg und Würzburg Medizin und Naturwissenschaften, seinen medizinischen Doktortitel bekam er in weiteren Verlauf seiner Studien 1804 in Marburg zugesprochen. Dort wurde er für ein Semester Privatdozent, bevor er zu Studienzwecken nach Würzburg und Paris ging. Im Jahr 1805 wurde er Professor in Landshut, 1815 bekam er den Ruf nach Heidelberg, dem er im Sommersemester 1816 folgte. Als Nachfolger von Jacob Fidelis Ackermann bekleidete er fast 33 Jahre die Position des Direktors des Anatomischen Institutes, bevor er 1849 den Antrag auf Pensionierung stellte. In dieser Zeit wurde er Prorektor, Mitglied des Engeren Senats und mehrfach Dekan der medizinischen Fakultät. Diese Zeit kann man als Blütezeit in der Institutsgeschichte für die Erstellung von Präparaten betrachten.
Tiedemann brachte, wie damals üblich, seine eigene Sammlung mit. Im Laufe der Jahre entstanden durch ihn und seine Mitarbeiter jedoch mehrere hundert anatomische Präparate, so dass in der Sammlung zum Zeitpunkt ihrer Übergabe an Jakob Henle insgesamt 2126 Objekte gezählt werden konnten. Darunter wurden, neben den herkömmlichen Feuchtpräparaten oder Skelettmontagen, auch viele
Präparate des „Saugadersystems“ oder mit farbigen Massen „eingespritzte Gefäße“ ausgestellt. Außerdem präsentierte Tiedemann in seiner Lehr- und Lernsammlung auch pathologisch veränderte Organe. Um Studien zur vergleichenden Anatomie betreiben zu können, standen den Studierenden zusätzlich auch eine Vielzahl zoologischer Präparate zur Verfügung.
Friedrich Tiedemann erstellte 1822 mit dem Lithografen Jacob Roux (1775-1830), der ebenfalls an der Universität arbeitete, eine Reihe von eindrucksvollen Lehrtafeln zur Anatomie des Menschen („Tabulae arteriarum corporis Humani“). 1837 publizierte der Winter Verlag aus Heidelberg die Ergebnisse seiner Forschung über „Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Outangs verglichen“. Der Artikel erschien auch auf Englisch.
Dieser Artikel stellte klar heraus, dass es keinerlei Unterschiede zwischen den Gehirnen der einzelnen Menschengruppen gibt, und stellte somit öffentlich die Sklaverei in Frage. Diese Publikation belegt sein Engagement in Menschenrechtsfragen. Schon früher, im Jahre 1829, schrieb er in der „Zeitschrift für Physiologie“ einen „Aufruf an die Humanität der Höheren Behörden der Gerechtigkeits-Pflege in Deutschland“, um gegen die inhumane Hinrichtung durch das Schwert zu protestieren. Es sollte jedoch bis 1844 dauern, bis zumindest in Heidelberg die letzte Hinrichtung mit dem Schwert vollzogen wurde.
Tiedemann war nicht nur an der bloßen Beschreibung der einzelnen Strukturen des menschlichen Körpers, sondern ebenso an der Funktionsweise desselben interessiert und so führte er, zusammen mit seinem Kollegen Leopold Gmelin (1788-1853) Versuche zur Verdauung („Die Verdauung nach Versuchen“, 1826-1827 und „Versuche über die Wege, auf welchen Substanzen aus dem Magen und Darmkanal ins Blut gelangen, 1820) und das Blut („Versuche über das Blut“, 1833) durch. Seine und Gmelins Arbeit über die Galle des Ochsen („Einige neue Bestandteile der Galle des Ochsen“, 1827) findet bis heute Beachtung; in ihrem Artikel beschreiben die beiden einen Bestandteil, den sie zunächst Gallen-Asparagin nannten. Dieses Aminosäureabbauprodukt wird später mit Taurin bezeichnet, man findet es heute in den so genannten Energy-Drinks. Es beeinflusst z.B. die Signalübertragung und die Entwicklung des Zentralnervensystems, es stimuliert den Einstrom und die Membranbindung von Calcium, wirkt entzündungshemmend, senkt den Blutdruck, beschleunigt den Stoffwechsel und kann durch Alkohol hervorgerufene Schäden an der Leber mindern.
Tiedemann war Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Gremien und Gesellschaften, er wurde 1832 „Ritter des Verdienstordens der Bayrischen Krone“ und ein Jahr später Ehrenbürger der Stadt Heidelberg. Am 22. Januar 1861 starb Friedrich Tiedemann in München, als hoch angesehener Anatom, dessen Urteil:
„Ärzte ohne Anatomie sind Maulwürfen gleich: sie arbeiten im Dunkeln, und ihrer Hände Tagewerk sind Erdhügel.“
den Studenten bis in die jetzige Zeit bekannt ist und noch immer zutreffend ist.
Digitalisierte Werke Friedrich Tiedemanns
- Tiedemann, Friedrich
Friedrich Tiedemann's Anatomie der kopflosen Missgeburten: nebst vier Kupfertafeln
Landshut, 1813 - Tiedemann, Friedrich
Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im Foetus des Menschen: nebst einer vergleichenden Darstellung des Hirnbaues in den Thieren
Nürnberg, 1816 - Tiedemann, Friedrich
Friderici Tiedemann Anatomes Et Physiologiae in Academia Heidelbergensi Professoris Icones Cerebri Simiarum Et Quorundam Mammalium Rariorum
Heidelberg, 1821 - Tiedemann, Friedrich
Friderici Tiedemanni Tabulae arteriarum corporis humani / Friederich Tiedemann's Abbildungen der Pulsadern des menschlichen Koerpers
Karlsruhe, Heidelberg, 1822 - Tiedemann, Friedrich; Gmelin, Leopold
Einige neue Bestandtheile der Galle des Ochsen
Leipzig, 1827 - Tiedemann, Friedrich
Anfruf an die Humanität der Höheren Behörden der Gerechtigkeits-Pflege in Deutschland, veranlasst durch eine am 22. October 1827 in Heidelberg vollzogene Enthauptung
Darmstadt, 1829 - Tiedemann, Friedrich
Das Hirn Des Negers Mit Dem Des Europäers Und Orang-Outangs Verglichen: Mit sechs Tafeln
Heidelberg, 1837 - Tiedemann, Friedrich
Von den Duverneyschen, Bartholinschen oder Cowperschen Drüsen des Weibs und der schiefen Gestaltung und Lage der Gebärmutter: Mit vier Tafeln Abbildungen
Heidelberg, Leipzig, 1840
Digitalisierte Reiseberichte und Tagebücher Friedrich Tidemanns und Familie
- Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch I (18.05.-16.07.1824)
[Heidelberg], 1824 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch III (06.09.1824-28.03.1825)
[Heidelberg], 1824/1825 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch IV (28.03.-18.07.1825)
[Heidelberg], 1825 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch V (19.07.-15.10.1825)
[Heidelberg], 1825 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch VI (16.10.1825-31.03.1826)
[Heidelberg], 1825/1826 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch VII (01.04.-27.07.1826 & 17.07.-20.10.1827)
[Heidelberg], 1826/1827 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch IX (01.09.1827-06.02.1828)
[Heidelberg], 1827/1828 - Tiedemann, Kunigunde
Tagebuch (X) (07.02.-17.06.1828)
[Heidelberg], 1828 - Tiedemann, Friedrich
Reise mit meiner Frau nach Wien im Jahre 1839
1839 - Tiedemann, Jenny Rosa
Reise nach Wien (1839)
1839 - Tiedemann, Friedrich
Reise nach Italien im Herbst 1840 (08.09.-24.10.1840)
1840 - Tiedemann, Friedrich
Reise nach Meran im Herbst 1841 (07.09.-04.10.1841)
1841 - Tiedemann, Friedrich
Reise nach dem Bodensee 1845-1846 (12.09.-17.09.)
1845/1846 (?) - Tiedemann, Friedrich
Reise nach Tyrol im Herbst 1851 (26.08.-11.09.1851)
1851
Digitalisierte Sammlungsbücher Friedrich Tidemanns aus dem Universitätsarchiv Heidelberg
- Tiedemann, Friedrich
(Bd. 1): Verzeichnis der anatomischen Präparate aus der Sammlung Friedrich Tiedemann
[Heidelberg] - Tiedemann, Friedrich
(Bd. 2): Verzeichnis der anatomischen Präparate aus der Sammlung Friedrich Tiedemann
[Heidelberg] - Tiedemann, Friedrich
Abschrift des Catalogs der Präparate des Geheimenraths und Professors Thiedemann
Heidelberg, 1832 - Tiedemann, Friedrich
Verzeichnis der im Jahr 1837-1838 aufgestellten anatomischen Präparate
Heidelberg, 1837-1838 - Tiedemann, Friedrich
Anatomie des Foetus Monstra
Heidelberg, um 1837
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Dr.sc.hum. Sara Doll