Liebeslieder aus dem Codex Manesse
Albrecht von Johansdorf
Albrecht von Johansdorf wurde wohl um 1165 in ein niederbayerisches Geschlecht geboren, das den Bischöfen von Bamberg und Passau diente. 1189/90 nahm er am Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas ins Heilige Land teil, in seinem Werk verband er daher Liebes- und Kreuzzugsthematik.
Albrechts Lieder im Codex Manesse werden durch das Bild eines sich umarmendes Liebespaars eingeleitet. In den Dialogen seines Werbeliedes dagegen bleibt die namenlose Dame bis zum Schluss abweisend: Der Lohn für den Ritter sei nicht die Liebeserfüllung, so erklärt sie, sondern die erzieherische Wirkung der Minne
Ich vant si âne huote (Bl. 181r)
Ich vant si âne huote
die vil minneclîche eine stân.
jâ, dô sprach diu guote:
‚waz welt ir sô eine her gegân?’
„Vrowe, ez ist alsô geschehen.”
‚sagent, war umbe sint ir her? des sult ir mir verjehen.’
„Mînen senden kumber
klage ich, liebe vrowe mîn.”
‚wê, waz sagent ir tumber?
ir mugent iuwer klage wol lâzen sîn.’
„Vrowe, ich enmac ir niht enbern.”
‚sô wil ich in tûsent jâren niemer iuch gewern.’
„Neinâ, küniginne!
daz mîn dienst sô iht sî verlorn!”
‚ir sint âne sinne,
daz ir bringent mich in selhen zorn.’
„Vrowe, iuwer haz tuot mir den tôt.”
‚wer hât iuch, vil lieber man, betwungen ûf die nôt?’
„Daz hât iuwer schoene,
die ir hânt, vil minneclîchez wîp.”
‚iuwer süezen doene
wolten krenken mînen staeten lîp.’
„Vrowe, niene welle got.”
‚wert ich iuch, des hetet ir êre; sô waere mîn der spot.’
„Sô lânt mich noch geniezen,
daz ich iu von herzen ie was holt.”
‚iuch mac wol verdriezen,
daz ir iuwer wortel gegen mir bolt.’
„Dunket iuch mîn rede niht guot?”
‚jâ si hât beswaeret dicke mînen staeten muot.’
„Ich bin ouch vil staete,
ob ir ruochent mir der wârheit jehen.”
‚volgent mîner raete,
lânt die bete, diu niemer mac beschehen.’
„Sol ich alsô sîn gewert?”
‚got der wer iuch anderswâ, des ir an mich dâ gert.’
„Sol mich dan mîn singen
und mîn dienst gegen iu niht vervân?”
‚iu sol wol gelingen,
âne lôn sô sult ir niht bestân.’
„Wie meinent ir daz, vrowe guot?”
‚daz ir dest werder sint unde dâ bî hôchgemuot.’
Ich fand sie unbewacht
alleine stehn, die Allerliebste.
Wahrhaftig, da sagte die Gute:
‚Was kommt Ihr so allein hierher gegangen?’
„Herrin, es ergab sich so.”
‚Sagt, warum seid Ihr hier? Das sollt Ihr mir gestehen.’
„Meinen Liebeskummer
beklage ich, meine liebe Herrin.”
‚Ach, was sagt Ihr Törichter da?
Ihr solltet Eure Klage besser bleiben lassen.’
„Herrin, ich kann auf sie nicht verzichten.”
‚Dann werde ich Euch in tausend Jahren nicht erhören.’
„Nicht doch, Königin!
Mein Dienst darf doch nicht vergeblich sein!”
‚Ihr seid von Sinnen,
dass Ihr mich in solchen Zorn versetzt.’
„Herrin, Euer Hass bringt mir den Tod.”
‚Wer hat Euch, allerliebster Mann, in diese Not hineingezwungen?’
„Das war die Schönheit,
über die ihr verfügt, allerliebste Frau.”
‚Eure süßen Lieder
würden meine Standhaftigkeit gerne schwächen.’
„Nein, Herrin, um Himmels willen.”
‚Wenn ich Euch erhörte, gereichte Euch das zur Ehre; mein aber wäre der Spott.’
„Dann lasst mir wenigstens zugute kommen,
dass ich Euch immer von Herzen zugetan war.”
‚Euch kann durchaus noch Verdruss bereiten,
dass Ihr Eure Wörtlein so gegen mich schleudert.’
„Dünkt Euch mein Reden etwa nicht gut?”
‚Fürwahr, es hat mein beständiges Herz oftmals schwer gemacht.’
„Ich bin auch sehr beständig,
wenn Ihr mir die Wahrheit zugestehen wollt.”
‚Folgt meinem Ratschlag
und lasst die Bitte, die niemals erfüllt werden kann.’
„Soll ich auf diese Weise erhört werden?”
‚Gott, der gewähre Euch anderswo, was Ihr hier von mir verlangt.’
„Soll mir denn mein Singen
und mein Dienst für Euch gar nichts nützen?”
‚Ihr sollt durchaus Erfolg haben,
ohne Lohn sollt Ihr nicht bleiben.’
„Wie meint Ihr das, edle Herrin?”
‚Dass Ihr an Wert gewinnt und dabei freudigen Sinnes seid.’