16.06.2025 „Ma chere Soeur [...]" - Politische Zeilen im Kontext der Wittelsbacher Familienbande

Ein von der UB erworbener Brief gewährt Einblicke in das Alltagsgeschäft des Kurfürsten Karl-Theodor von der Pfalz

Karl-Theodor von der Pfalz (1724-1799) ist vielen als Förderer der Wissenschaften und der schönen Künste bekannt. Allerdings musste er sich als Kurfürst auch um das politische Alltagsgeschäft kümmern. Davon kündet ein Brief, den die UB Heidelberg unlängst erwerben konnte. Er stammt vom 7. Juli 1766 und entstand im Kontext des Schwetzinger Vertrags. In diesem ging es um die Anerkennung von Souveränitätsrechten der französischen Krone in Gebieten der heutigen Südpfalz. Offenbar hatten die bayerischen Verwandten von einem Vertragsabschluss mit Frankreich Wind bekommen und wollten nun wissen, was im Detail verhandelt wurde. Zudem machte man sich wohl Sorgen über mögliche geheime Nebenabsprachen, die auch die Interessen des Wittelsbacher Gesamthauses hätten betreffen können. Karl Theodor konnte allerdings seine Briefpartnerin – sehr wahrscheinlich eine Herzogin von Bayern – dahingehend beruhigen. An wen er dabei schrieb, ist nicht ganz klar. Der in Schwetzingen ausgestellte Brief nennt – dem Usus des 18. Jahrhunderts folgend – keine Empfängerin. Die Anrede richtet sich an „Ma chere Soeur“, was auf ein enges Familienverhältnis schließen lässt (anders als heute üblich, muss damit nicht die Schwester gemeint sein). Wahrscheinlich verbarg sich hinter der Angeredeten Maria Anna von Pfalz-Sulzbach (1722-1790), seine Schwägerin, mit der er nachweislich korrespondierte und die sich am Münchener Hof intensiv für den Zusammenhalt und die Interessen des Wittelsbacher Hauses einsetzte. 

Was macht nun diesen Brief aus? Er bietet ein beredtes Beispiel für die Kommunikation innerhalb der Wittelsbacher Familie. Zudem gibt uns das Schreiben einen Einblick in die Handlungsspielräume einer Fürstin im 18. Jahrhundert – war es doch eine Frau, die sich ganz offensichtlich in die politischen Belange der Familie einbrachte. Ob es sich dabei wirklich um Maria Anna von Pfalz-Sulzbach handelte, müssen weitere Forschungen zeigen. Diese werden nun erleichtert, da das Schreiben aus privater in die öffentliche Hand gelangte, der Brief zudem digitalisiert wurde und jetzt auf der Seite der UB für Interessierte weltweit einsehbar ist.

Literatur:

Hans Ammerich, Die Grenzverhandlungen zwischen Frankreich und Pfalz-Zweibrücken in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur französischen Grenzregulierungspolitik gegenüber den kleinen Reichsständen am Ende des Ancien Régime, in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz 77 (1979), S. 231-252.

Bernhard Graf, Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Bayern. Musiker, Mäzen und Reformer, Regensburg 2024.