Navigation überspringen
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek

IV. Ritual und Recht

IV.6 Verrat durch den „falschen“ Kuss

Spiegel menschlicher gesuntheit, Handschrift vom Mittelrhein, 1420‒1430

Kolorierte Federzeichnung auf Pergament
Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 432, fol. 23v
Digitales Faksimile

Der Kuss galt in der Vormoderne nicht nur als intime Handlung zweier Liebender. Er war vielmehr eine der zentralen Gesten, um Harmonie und Konsens im juristischen und politischen Bereich auszudrücken.

Beim Ritual der Belehnung etwa hob der Bruderkuss zwischen Herrn und Vasall die zuerst rituell inszenierte Hierarchie wieder auf. Auch Friedensschlüsse wurden oft mit einem Kuss besiegelt, der auf den Mund erfolgte.

Das Motiv des „falschen“ Kusses, hier an zwei biblischen Szenen illustriert, musste daher die gesellschaftliche Ordnung auf den Kopf stellen. Links im Bild gibt der Apostel Judas Jesus einen Kuss, der ihn an die römischen Häscher verrät.

Rechts daneben ist eine alttestamentarische Entsprechung dieser Szene bebildert: Joab wiegt Amasa mit einem Begrüßungskuss in Sicherheit, ersticht ihn aber während der Umarmung heimtückisch mit dem Schwert.

zum Seitenanfang