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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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IV. Fälschungen der Klassischen Moderne und ihr Echo in Literatur und Medien

Maisie Maud Broadhead: Hall of Fake (Detail: Elmyr de Hory), Digitaldruck, 2010 (Kat.-Nr. I.9)

In Werkkataloge aufgenommene bzw. eingeschmuggelte und sodann enttarnte Fälschungen provozieren zuweilen bemerkenswerte Reaktionen, die von Abstoßung bis Aneignung reichen. Dies zeigen insbesondere die Fälle der von Otto Wacker ab Mitte der 20er Jahre vertriebenen Van-Gogh-Fälschungen und die des Fälschers Elmyr de Hory nach dem Zweiten Weltkrieg. Wacker gelang es, mit Hilfe geschickt geknüpfter Kontakte zu etablierten Van-Gogh-Experten wie Julius Meier-Graefe und Jacob-Baart de la Faille, die wahrscheinlich von seinem Vater, dem Maler und Restaurator Johann Heinrich (Hans), und/oder seinem Bruder Leonhard Wacker gemalten Fälschungen in renommierten Kunsthandlungen wie derjenigen Paul Cassirers in Berlin zu platzieren. Er ging dabei sehr raffiniert vor, indem er zunächst einmal Sammler und sogar Personen aus dem engsten Umfeld des 1890 verstorbenen und bereits ab 1901 in Deutschland sehr nachgefragten Künstlers (wie zum Beispiel dessen Neffen Vincent Willem van Gogh) ansprach und sie um Leihgaben für eine Ausstellung bat, mit der er im Dezember 1927 seine eigene Galerie in Berlin eröffnete. Dort mischte er unter die originalen Leihgaben die von ihm zum Verkauf angebotenen Fälschungen, für die er eine Provenienz erfand, die ihn vor unbequemen Fragen schützen sollte: Angeblich stammten die bislang unbekannten Werke alle aus der Sammlung einer russischen Adelsfamilie, die in die Schweiz habe emigrieren müssen und dabei ihren Besitz an Van-Gogh-Zeichnungen und -Gemälden illegal aus Russland herausgeschmuggelt habe. Um nun den in Russland verbliebenen Teil der Familie zu schützen, der sonst wegen der Flucht und des Schmuggels in Lebensgefahr geraten könne, dürfe Wacker keine weiteren Informationen preisgeben. Das Ganze ging so lange gut, bis im Januar 1928 vier Gemälde aus dem Besitz Wackers in direkter Nachbarschaft zu originalen Van-Gogh-Gemälden gezeigt werden sollten – und dabei durch ihren abweichenden, die Expressivität des Malers übersteigernden Stil auffielen. Zwar kam es erst ab dem Frühjahr 1932 zu einem Gerichtsverfahren gegen Wacker, doch fühlten sich einige Experten wie der Van-Gogh-Spezialist Jacob-Baart de la Faille schon vorher genötigt, zu handeln, um ihren Ruf zu wahren. De la Faille begann deshalb unmittelbar ab 1928 damit, die Fälschungen Wackers und weitere Van-Gogh-Fälschungen in eigenen Beiträgen und Katalogen publik zu machen. Der nach neun Prozesstagen am 19. April 1932 mit einer Verurteilung Wackers zu einem Jahr Gefängnis wegen Betrugs zum Teil in Tateinheit mit fortgesetzter schwerer Urkundenfälschung vorerst endende Prozess (s. u.) war gleich in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil in ihm – wie 15 Jahre später beim Prozess gegen Han van Meegeren – die Fälschungen als sozusagen „stumme Zeugen“ im Gerichtssaal anwesend waren und diesen vorübergehend in eine Ausstellungshalle verwandelten, zum anderen, weil die Experten in dem Verfahren eine eher unrühmliche Rolle spielten, da sie permanent ihr Urteil in Bezug auf den Status von Wackers Bildern als Originale oder Fälschungen änderten. Nicht zuletzt wohl auch deshalb sowie in Anbetracht des 1947 zu Ende gegangenen Van-Meegeren-Skandals reagierte die Forschung dann auch noch im gleichen Jahr mit entsprechenden Vorschlägen, wie solche Fälschungen künftig schneller erkannt werden könnten. Mittlerweile sind einige, wenngleich bei weitem nicht alle Sammlungen dazu übergegangen, recht offensiv mit den von ihnen erworbenen Van-Gogh-Fälschungen umzugehen.

Während der Fall Wacker in der Literatur kein allzu großes Echo fand, war dem ungarischen Fälscher Elmyr de Hory ein so beeindruckendes mediales Nachleben beschert, wie es nicht einmal Han van Meegeren mit seinen zahlreichen Biografien und Ausstellungen erfuhr. Auch de Horys ab Ende der 40er Jahre geschaffene Fälschungen Klassischer Moderne wurden oftmals über Bücher lanciert, indem zum Beispiel – ähnlich wie später bei Drewe und Myatt – Kataloge manipuliert wurden: Aus diesen wurden die seinerzeit oftmals eingeklebten Fotografien von dort vorgestellten Werken herausgetrennt und gegen Aufnahmen von thematisch passenden Fälschungen de Horys ausgetauscht. Nach seiner spektakulären Entlarvung im Jahr 1967 schrieb der britische Schriftsteller Clifford Irving über ihn eine Biografie, die 1972 noch einmal eine große Aufmerksamkeit erfuhr, als Irving seinerseits als Fälscher einer angeblichen Autobiografie, nämlich des amerikanischen Multimillionärs, Unternehmers, Filmproduzenten und Luftfahrtpioniers Howard Hughes, enttarnt wurde. Dies regte den amerikanischen Regisseur Orson Welles zu seinem im folgenden Jahr herausgebrachten Dokumentarfilm F for Fake an, in dem er ausgehend von den Hauptfiguren de Hory und Irving grundsätzliche Fragen nach dem Wesen der Kunst und ihrem Verhältnis zur Wahrheit aufwarf. 1991 provozierte eine Neuauflage von Irvings De-Hory-Biografie erneut Aufmerksamkeit, als sich herausstellte, dass sie zum Vehikel für die Etablierung gefälschter Fälschungen de Horys auf dem Kunstmarkt gemacht werden sollte.

Maisie Maud Broadhead: Hall of Fake (Detail: Shaun Greenhalgh), Digitaldruck, 2010 (Kat.-Nr. I.9)

Jenseits des Films fanden die Fälle von de Hory und Irving auch Eingang in Comics und selbst Gestalten des De-Horys-Falls wie dessen Hehler Fernand Legros wurden von Comic-Zeichnern wie dem berühmten Belgier Hergé im Rahmen seines letzten Projektes, dem nie vollendeten Tim und Struppi-Band Tintin et l’Alph-Art, zum Vorbild für eine sinistere Figur verwendet.

Wurde de Hory von Irving zum „greatest art forger of our time“ erklärt, so könnte er seine diesbezügliche Nachfolge in dem britischen Fälscher Shaun Greenhalgh gefunden haben. Denn dieser täuschte nicht nur, wie de Hory, namhafte Museen mit Fälschungen von Werken der Klassischen Moderne (wie einer 1994 von Greenhalgh auf den Kunstmarkt gebrachten Faun-Skulptur, die angeblich von Paul Gauguin stammte), sondern er verstand sich zudem darauf, so unterschiedliche Gattungen wie Gemälde, Statuen, Reliefs und Kunsthandwerk zu fälschen. Die entsprechenden Werke deckten darüber hinaus eine äußerst lange Zeitspanne und einen sehr weiten Kulturkreis ab: Während einige Fälschungen scheinbar aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend stammten (so zum Beispiel die angeblich ägyptische Amarna-Prinzessin aus der Zeit um 1350 v. Chr.), gaben andere sich als Werke von modernen Künstlern wie Otto Dix, Man Ray, Brancusi oder Henry Moore aus. Beim Vertrieb der Fälschungen machte Greenhalgh mit seinen betagten Eltern gemeinsame Sache, die daher nach ihrer Entlarvung im Jahre 2006 ebenfalls angeklagt und verurteilt wurden. Angesichts all dessen verwundert es nicht, dass Greenhalgh bzw. er und seine Eltern als „the most diverse art forger known in history“ (Metropolitan Police London) bzw. als „possibly the most diverse forgery team in the world, ever“ bezeichnet wurden. 2015 legte Greenhalgh seine Autobiografie vor, der er durch ein überraschendes Geständnis medienwirksam hohe Aufmerksamkeit zu verschaffen wusste.

Das System Otto Wackers und seine gefälschten van Goghs

Jacob-Baart de la Faille / Otto Wacker: Vincent van Gogh. Erste grosse Ausstellung seiner Zeichnungen und Aquarelle, Berlin 1927
(Kat.-Nr. IV.1)

Im Alter von 20 Jahren trat Wacker zunächst ab 1918 zusammen mit seiner Schwester als „spanischer Tänzer“ auf, gründete jedoch bereits ein Jahr später zusammen mit einem Schwager eine „Kunsthandelsgesellschaft“, über die er rasch Kontakte zu anderen, bereits etablierten Kunsthändlern knüpfte. Ab 1924 gab er den Tanz vorerst auf und spezialisierte sich ganz auf den Handel mit der Kunst van Goghs. Da dessen Œuvre in den 20er Jahren noch als weitestgehend unübersichtlich galt, gelang es Wacker, hier angeblich bislang unbekannte Werke einzuschleusen. Die Rolle der Familie bei dem ganzen Betrug konnte nie vollständig geklärt werden: Als man im Zuge der Van-Gogh-Ermittlungen das Atelier des Vaters durchsuchte, entdeckte man dort Kopien nach zwei Selbstbildnissen van Goghs. Auch in der Wohnung des Bruders Leonhard Wacker konnte man zwölf Bilder beschlagnahmen, von denen angenommen wurde, dass sie zu Fälschungszwecken hergestellt worden waren. Wie eng Leonhard in das Geschäft seines Bruders eingebunden war, wird schon daran deutlich, dass er angeblich mehr als die Hälfte der insgesamt 33 Wacker’schen Van-Gogh-Gemälde „restauriert“ hatte und von seinem Bruder immer wieder höhere Geldsummen überwiesen bekam. Vor Gericht wurde Wacker zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 30.000 Mark oder 300 weiteren Tagen Gefängnis verurteilt. Die Verteidigung wie auch die Staatsanwaltschaft waren nach Verkündung des ersten Urteils in Berufung gegangen, woraufhin am 6. Dezember 1932 ein neues und härteres Urteil auf der Grundlage inzwischen neu zu Tage getretener Beweise gefällt wurde. Nach der Urteilsverkündung verliert sich Wackers Spur. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg findet sie sich wieder – Wacker trat in der DDR erneut als Tänzer auf. Er starb am 13. Oktober 1970 im Alter von 72 Jahren in Ost-Berlin.

Elmyr de Hory – „the greatest art forger of our time“

Elmyr de Hory: Stierkampfszene, Fälschung im Stile Picassos, Gouache, auf Papier, Wien, Fälschermuseum (Kat.-Nr. IV.10)

Das Schillernde und Mysteriöse an der Figur Elmyr de Horys kann schon daran ersehen werden, dass – im Unterschied zu anderen Fälschern – vieles an seiner Biografie unüberprüfbar und rätselhaft ist und bleiben wird: Sein Biograf Clifford Irving verließ sich bei deren Niederschrift auf de Horys eigene Aussagen, die jedoch, wie sich in der Zwischenzeit gezeigt hat, mehr als unzuverlässig sind: Schon de Horys wirkliches Geburtsdatum und sein echter Name sind ungewiss, ebenso die Irving zu Protokoll gegebene Herkunft als Einzelkind wohlhabender, großbürgerlicher Eltern, bei der es sich wohl um eine Wunschfantasie des späteren Fälschers handelt. Dementsprechend mit Vorsicht zu behandeln sind auch de Horys Darstellungen, wie er zum Fälschen gekommen sei – eine Freundin hielt angeblich eine seiner Zeichnungen für ein Werk Picassos und kaufte sie ihm für entsprechend viel Geld ab – und wie seine Fälscherkarriere verlaufen ist. Auch de Horys späterer Wohnort, die Aussteiger-Insel Ibiza, und seine Bekanntschaften mit Stars und Politikern haben ein Übriges dazu getan, dass de Hory, mehr als jeder andere Fälscher, mit Glamour und Showbusiness assoziiert wird. Selbst sein Freitod im Jahre 1976 auf Ibiza gab Anlass zu Legenden und Verschwörungstheorien: Niemand anderes als Irving behauptete beispielsweise, de Hory einige Zeit danach zufällig wiedergesehen zu haben. Sicher ist nur, dass de Hory im Laufe seines Lebens mehrere Male als Fälscher entlarvt wurde, stets jedoch weitermachen konnte. Erst im Jahr 1967 kam er in ernstere Bedrängnis: De Hory hatte damals an den Multimilliardär und Direktor der General American Oil Company, Algur Hurtle Meadows, über seine Hehler Fernand Legros und Réal Lessard zahlreiche Bilder verkauft, die fünf Abgesandte der „Art Dealers Association of America“ als Fälschungen entlarvten. Da de Hory die Fälschungen aber nicht nachgewiesen werden konnten, wurde er lediglich zu zwei Monaten Gefängnis wegen anderer ihm zur Last gelegter Vergehen verurteilt und für ein Jahr von Ibiza verbannt. Nach seiner Rückkehr traf er dort dann Irving, der ihn in seiner Biografie zum „greatest art forger of our time“ aufbaute.

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