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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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IV. Was vom Leben übrig bleibt: Wege, Irrwege und Neuanfang



„Leichname für das anatomische Theater“

Den eigenen Körper nach dem Tod freiwillig einer anatomischen Anstalt zu überlassen, war bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts unüblich. Offizielle Verordnungen regelten die Ablieferung von Verstorbenen: Kriminelle, Obdachlose, Selbstmörder, Fehlgeburten oder Personen, welche im Polizeigewahrsam starben, sollten in die Anatomie gebracht werden. Da Personen, die in benachbarten Krankenhäusern oder „Irrenhäusern“ starben, die arm waren oder keine Angehörige mehr hatten, auf Kosten der Öffentlichkeit hätten bestattet werden müssen, stellten Städte und Gemeinden den anatomischen Instituten auch solche Leichen zur Sektion zur Verfügung.

Die Anzeige, dass jemand verstorben war, erreichte oft zuerst den Gemeindegeistlichen. Für die anschließende Bestattung wurden diesen die so genannten Stolgebühren gezahlt, die meist das einzige Einkommen der Geistlichen darstellten. Wurden die Leichen jedoch zur Anatomie gebracht, entgingen den Geistlichen diese Gebühren. Daher meldeten sie Todesfälle absichtlich oft zu spät. Außerdem stellte nach der damals weit verbreiteten Meinung die „Zerstückelung“ die Verlängerung einer vor dem Tod verhängten Strafe dar, oder sie verhinderte die Auferstehung nach dem Tod. Zusammen mit dem schlechten Ruf der anatomischen Institute entwickelten sich in der Bevölkerung Vorurteile, welche die Durchführung des Unterrichts am Leichnam in vielen Anatomien erschwerten oder unmöglich machten.

„Ablieferung der Leichname an das anatomische Theater zu Heidelberg“

Für ihre Aufgaben in Lehre und Forschung benötigten die anatomischen Institute seit jeher eine ausreichende Anzahl an Leichen für die Sektionen. Die Anordnungen der Behörden zur Ablieferung von Leichnamen wurden häufig nicht befolgt, so dass es immer neuer Verordnungen bedurfte, um den Nachschub aufrecht zu erhalten.

In einem 1835 veröffentlichten Beschluss vom 16. September 1816 ordnete das Karlsruher Ministerium des Inneren an, dass zur Versorgung des Heidelberger „anatomischen Theaters“ mit Leichnamen für den Unterricht die im Mannheimer Zuchthaus oder in anderen Gefängnissen des Kreises verstorbenen Häftlinge, Tote aus den Spitälern in Heidelberg und Mannheim und Selbstmörder „abzugeben“ seien. Die Transportkosten wurden vom Anatomischen Institut übernommen.

In einem letzten Punkt wurde, um „die anatomische Präparate-Sammlung in Heidelberg in einen vollkommeneren Zustand“ zu versetzen, bestimmt, dass alle Ärzte, Chirurgen und Hebammen des Kreises alle Missgeburten von Menschen und Tieren sowie auch „seltene pathologische Präparate“ an das Anatomische Institut abzugeben hätten.


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