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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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III.2
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Eisler, Robert: Der Fisch als Sexualsymbol
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0175

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Der Fisch als Sexualsymbol

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Der Fisch als Sexualsymbol.
Von ROBERT EISLER <Feldafmg>.
Die Vorstellungsverknüpfung, die im folgenden auf der Grund-
lage einer gewiß nickt vollständigen, aber dock alle wesentlicken
Züge dieses Gedankengebildes veranschaulichenden Stoff-
sammlung aus Folklore und Geschickte erörtert werden soll, scheint
in der psychoanalytischen Kasuistik — soweit die Veröffentlichungen
noch zu übersehen sind — keine wesentliche Rolle zu spielen1. Ver-
mutlich erklärt sich das daraus, daß das bisher der Psychoanalyse unter-
worfene Aussagenmaterial vorzüglich aus Ländern und Gesellschafts-
schichten stammt, in denen die Fischnahrung — etwa verglichen mit
ihrer Bedeutung in der griechisch-römischen oder gar der orientali-
schen Lebenshaltung — doch sehr zurücktritt. Dazu kommt, daß
die Hantierung mit noch lebenden oder rohen Fisdien, ebenso wie
der eigentliche Fischfang dem Gesichtskreis gerade der hier in Be^
tracht kommenden sozialen Gruppen mehr oder minder entrückt sind.
Trotzdem ist ein einigermaßen auffallender Tatbestand, nämlich
die ausgesprochene Idiosynkrasie einzelner gegen jeden Fischgenuß
überhaupt, nicht selten zu beobachten. Jeder Leser dieser Zeitschrift
dürfte einen oder den anderen Fall der Art kennen und auch schon
versucht haben, sich irgendeine Erklärung dafür zurecht zu legen;
hier sei ein Beispiel2 einer derartigen sogenannten »unerklärlichen«
Aversion angeführt, das in gewissen Begleitumständen lehrreiche
Fingerzeige für die Erkenntnis der mitwirkenden unbewußten Beweg-
gründe zu bieten scheint: das fragliche Individuum — ein wahres
Musterexemplar eines wählerisch-kapriziösen Essers, beobachtete bis
gegen das Ende des zwanzigsten Lebensjahres — in welche Zeit
eine lange, selbständig durchgeführte Studienreise fiel — eine Reihe von
Speisetabus und zwar gegen Fische, gleichgiltig welcher Art und Zu-
bereitung und gegen eine Reihe von Gemüsen <alle Kohlarten, ins-
besondere Sprossenkohl, Blumenkohl, vor allem Spargel, während
Spinat, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Tomaten u. dgl. gern ange-
nommen wurden). Von Spargeln wurde, anscheinend ganz sinnloser-
weise, mit aller Entschiedenheit behauptet, sie widerstünden wegen
ihres »violetten Geschmacks«. Auch wurde als widerwärtig be-
tont, daß man die Spargelstangen nicht wie andere Gerichte mit dem
Besteck zum Munde führte, sondern mit den Fingern ergreife. Der
psychologisch so merkwürdige angebliche Geschmacksfarbeneindruck
ließ sich ohne weiteres als eine sehr bezeichnende, bloß sprachlich
durchgeführte Verschmelzung zweier Sondereindrücke erweisen: Ex-
plorand suchte den besonderen Charakter jener »violetten« Farbe,
die ihm vorschwebte, durch den Hinweis auf die bläulich unter der
1 Allfällige Hinweise auf übersehene Belegstellen oder noch unveröffentlichte
Analysen aus dem Leserkreis wären sehr erwünscht.
2 Nach gütiger Mitteilung eines befreundeten Arztes und Psychoanalytikers.
 
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