Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 64.1929

DOI Artikel:
Weiss, Emil Rudolf: Der Maler Tytgat
DOI Artikel:
H.R.: Kindliche Welt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9254#0153

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Maler Tytgat

edgard tytgat—brüssel

gemälde »idylle« 1927

Was sie gemeinsam haben, bestätigt nur Beide.
Gewisse rousseauische formale Elemente, die
dem ersten Blick vorhanden erscheinen, er-
weisen sich dem zweiten als tytgatisch abge-
wandelt und verwandelt, als anders im wesent-
lichen, in ihrer Gestaltung. Es gibt in diesen
Bildern nichts, kein noch so geringes Bild-
element, das nicht organischer Teil des Bild-
körpers wäre; alle diese Bilder sind kompo-
sitioneil schlechthin vollkommen, oft kühn, nie-
mals willkürlich. Sie sind ein Ding im Geist
und in der Form. Flaubert sagte: la forme c'est
l'esprit; sagen wir: der Geist schafft sich seine
Gestalt, in der er sichtbar werden will. So
haben diese Werke von innen ihre sichtbare
Einheit, ihren persönlichen, bedeutenden Stil.

Auf dieser Einheit ruht der Rang dieser
Kunst, die in einigen Werken, um nur zwei zu
nennen, wie dem hier abgebildeten orienta-
lischen Märchenbild „Amour et bonte" oder in
der „Jungen Anfängerin" zum vollkommenen

Meisterwerke wächst..................

*

KINDLICHE WELT. Baudelaire hat einmal
ausgeführt, daß das Lebenswerk eines

Künstlers in den meisten Fällen die Ausführung
von Kindheitsträumen, von Kindheitswünschen
sei. Daher gibt es in der Kunst den Typ des
„Märchenerzählers", der sowohl in der Weise
Schwinds wie in der Weise des Zöllners Rous-
seau hervortreten kann. Da erscheinen die Men-
schen, die Tiere, selbst die Bäume von einem
durchgehenden, seelenhaften Leben erfüllt. Sie
„sprechen", denn für das Kind „spricht" ja in
der Tat alles, was es sieht, weil es, wie der pri-
mitive Mensch, magisch mit allem verbunden ist.
Die Dinge und Wesen treten einfach und gleich-
sam „unbegriffen" auf; unbegriffen, weil nicht
mit dem Begriff, mit dem rationalen Verstand
erfaßt und herausgehoben, sondern ganz sinn-
lich genommen in einem Wahrnehmungsakt, bei
dem Sehen und Kennen zusammenfällt. Die
Qualitäten, d. h. die Qualitäten der Farbe und
der Form, aber auch des Lieblichen und des
Häßlichen, des Angenehmen und des Furcht-
baren, treten mit ungemischter Stärke auf. Aber
am bezeichnendsten für das vom Kindergeist
beherrschte Schaffen ist die Einbettung alles
Dargestellten in die wunderbare, zeitlose Idylle,
in dies Element einer heiteren Ewigkeit, h. r.
 
Annotationen