Aus dem Jalbuche eines üſterrrithiſchen Klofters,
Von
Otto Kaemmel.
Wenn die erzählende Ueberlieferung des Mittelalters uns
oft wenig befriedigt, weil den Berichterſtattern häufig zwar nicht
die Kenntnis der Thatſachen, wohl aber der Scharfblick und die
Fähigkeit abgeht, in den Zuſammenhang der Dinge einzudringen,
oder die Freiheit des Geiſtes, ſie zu erfaſſen, ſo fließen um ſo
reichlicher und zuverläſſiger die Urkunden, eben weil ſie gar nicht
die Beſtimmung haben, zu erzählen, ſondern weil fie Rechtshand—
lungen in ihrem objektiven Verlaufe für die Teilnehmer oder für
die Nachkommen fixieren ſollen. Soweit wir auf die Hiſtoriker
angewieſen ſind, bleiben uns Zuſammenhänge und Beweggründe
oft dunkel, die handelnden Perſonen ſchattenhaft; wo wir Uns an
die Urkunden halten können, tritt das, um was es ſich handelt,
oft mit greifbarer Deutlichkeit, jedenfalls in feſten— Umriſſen heraus.
Schwerlich wird ſich nun betreffs des äußeren Verlaufs der Er—
eigniſſe über das weit hinauskommen laſſen, was ſich aus den
kritiſch herausgegebenen und geſichteten erzählenden Quellen bis
in die Hohenſtaufenzeit hinein entnehmen läßt; aber trotz hoch—
bedeutender Forſchungen auf dem Gebiete der Verfaſſungs-, Rechts—
und Kirchengeſchichte bleibt für die Kenntnis der inneren Ent—
wickelung und ihres Zuſammenhanges mit den großen politiſchen
und kirchlichen Aktionen, noch immer viel zu thun übrig. Wie es
im einzelnen herging in einer beſtimmten Landſchaft, am Fürſten—
hofe und in der Biſchofspfalz, im Kloſter und im Pfarrſprengel,
in Stadt und Dorf, unter welchen Bedingungen die Maſſe des
Volkes und die einzelnen Stände lebten, das iſt doch noch vielfach
verhüllt und darüber wird erſt die ſorgſamſte Einzelforſchung Licht
verbreiten können.
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte c, 1886. Heft Iv. 16
Von
Otto Kaemmel.
Wenn die erzählende Ueberlieferung des Mittelalters uns
oft wenig befriedigt, weil den Berichterſtattern häufig zwar nicht
die Kenntnis der Thatſachen, wohl aber der Scharfblick und die
Fähigkeit abgeht, in den Zuſammenhang der Dinge einzudringen,
oder die Freiheit des Geiſtes, ſie zu erfaſſen, ſo fließen um ſo
reichlicher und zuverläſſiger die Urkunden, eben weil ſie gar nicht
die Beſtimmung haben, zu erzählen, ſondern weil fie Rechtshand—
lungen in ihrem objektiven Verlaufe für die Teilnehmer oder für
die Nachkommen fixieren ſollen. Soweit wir auf die Hiſtoriker
angewieſen ſind, bleiben uns Zuſammenhänge und Beweggründe
oft dunkel, die handelnden Perſonen ſchattenhaft; wo wir Uns an
die Urkunden halten können, tritt das, um was es ſich handelt,
oft mit greifbarer Deutlichkeit, jedenfalls in feſten— Umriſſen heraus.
Schwerlich wird ſich nun betreffs des äußeren Verlaufs der Er—
eigniſſe über das weit hinauskommen laſſen, was ſich aus den
kritiſch herausgegebenen und geſichteten erzählenden Quellen bis
in die Hohenſtaufenzeit hinein entnehmen läßt; aber trotz hoch—
bedeutender Forſchungen auf dem Gebiete der Verfaſſungs-, Rechts—
und Kirchengeſchichte bleibt für die Kenntnis der inneren Ent—
wickelung und ihres Zuſammenhanges mit den großen politiſchen
und kirchlichen Aktionen, noch immer viel zu thun übrig. Wie es
im einzelnen herging in einer beſtimmten Landſchaft, am Fürſten—
hofe und in der Biſchofspfalz, im Kloſter und im Pfarrſprengel,
in Stadt und Dorf, unter welchen Bedingungen die Maſſe des
Volkes und die einzelnen Stände lebten, das iſt doch noch vielfach
verhüllt und darüber wird erſt die ſorgſamſte Einzelforſchung Licht
verbreiten können.
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte c, 1886. Heft Iv. 16