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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Lindner, Theodor: Dietrich von Riem, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0528

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Dietrid) von liem.
Von

Theodor Kindner.

II. Schluß.

Dietrich iſt ein Geſchichtſchreiber, der ſein ganzes eigenes Sein
eröffnet, und wenn wir auch nur durch dieſes hindurch die Ereigniſſe
ſehen, ſo tritt uns doch der Zeitgenoſſe, und ein ſehr wohlunter—
richteter, ſo lebhaft entgegen, daß er uns ſeine Zeit in ihrem vollen
warmen Pulsſchlag enthüllt und uns unendlich tiefer blicken läßt
als der große Durchſchnitt der mittelalterlichen Chronikenſchreiber.

Leider wiſſen wir nicht, auf weſſen Einwirkung hin das Werk
entſtanden iſt. Die Vorrede nennt keinen Namen, nur ſo viel geht
aus ihr hervor, daß der Angeredete ein höherer Geiſtlicher war.
Man könnte wieder an Friedrich von Köln denken; jedenfalls war
das Buch nur für Deutſche berechnet. Aber es iſt möglich, daß
die Anrede nur eine formelhafte Wendung iſt, um die Einleitung
äußerlich einzuführen, daß die Schrift für die Allgemeinheit, nicht
für eine beſondere Perſon beſtimmt war.

Dietrich war in trauriger Stimmung, als er ſein Werk ver—
faßte. Er bezweifelt zwar nicht die Gültigkeit des Piſaner Kon—
zils und hälk Alexander V. und Johann für die rechtmäßigen
Päpſte gegenüber Gregor und Benedikt, aber ihm entging nicht,
daß das Schisma nicht beſeitigt, ſondern nur noch verſchlimmert
war; die Auffaſſung, welche er von Anfang an gehabt hatte, war
leider wahr geworden. Bitter klagt er Und voͤllig troſtlos ſieht
er in die Zukunft; nur Verfall und Entartung tritt ihm entgegen;
ſelbſt den Gedanken, daß die Herrſchaft des Antichriſt nahe bevor—
ſtehe, wie er bei vielen Zeitgenoſſen lebendig war, wagt er nicht
zurückzuweiſen. Sein Groͤll gilt zunächſt dem Papſttum, welches
durch ſeine Verderbnis alles Elend verſchuldet habe. . Immer und
immer wieder kommt er auf die Geldhändel der Kurie zurück, auf
die ſittliche Verſunkenheit der kirchlichen Kreiſe, ihren nackten