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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

DOI Heft:
1/2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Schapire, Rosa: Aus spanischen Museen, [1]: Andalusien
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0071

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Aus fpantfcben Jvtufeen

1. Andatuften
oon

Rofa Sd)aptt?e

IV/i it Ausnahme des Prado, dessen Gründung als Na-
* * tionalmuseum auf die Initiative von Joseph Bona-
parte zurückgeht und um dessen weiteren Ausbau sich
bes.onders Ferdinand VII. große Verdienste erworben
hat, unterstehen in Spanien die Bildergalerien in der
Hauptsache den Akademien, während die archäolo-
gischen Museen vom Staat verwaltet werden. Daraus
folg-t, daß der Zutritt zu den archäologischen Museen
stets frei ist, während in den Galerien an den meisten
Tagen Eintritt erhoben wird. Da außerdem sehr viele
Kirchen ilire Schätze mus.eumsartig aufgebaut haben
und gegen Eintrittsgeld zeigen, (das viel höher ist als in
allen Akademien) existiert eine einheitliche Museums-
verwaltung in Spanien so wenig wie bei uns. Man kann
daher auch nicht durch eine Generalerlaubnis unent-
geltlichen Zutritt zu den öffentlichen Galerien und Mu-
seen Spaniens bekommen, wohl aber kommt man in den
einzelnen Sammlungen berechtigten Wünschen bereit-
willigst entgegen.

Das lichte, heitere Sevilla mit seinen blumenbestan-
denen „Patios“, seinen vielen Grünplätzen mit bunten
Azulejos-Bänken und dem feierlich strengen Ernst seiner
Kathedrale war meine Eingangspforte in Spanien. Ge-
messen an der Schönheit und Eigenart der Stadt ist das
„Museo de Pinturas,“ eine große Enttäuschung, und Jose
Gestoso y Perez’ Ansicht *), die Galerie zu Sevilla sei
die bedeutendste unter allen Provinzialmuseen Spa-
niens, scheint mir von Lokalpatriotismus gefärbt. Noch
kenne ich die Bildergalerie von Barcelona und Vich
nicht aus eigener Anschauung, aber ich hoffe dort We-
sentlicheres. zu finden.

Dem königlichen Dekret von 1835, das eine Reihe
von Klöstern aufgehoben hat, dankt die Bildergalerie
von Sevilla ihre Entstehung. Untergebracht wurden die
Bilder im Oktober 1840 im Convento de la Merced, dem
einstigen Mercenarierkloster, in dem sie sich heute noch
befinden. Trotz mehrfachen Umbanten und hübschen
Durchblicken auf Patios sind die dunklen, sehr großen
Räume für Museumszwecke wenig geeignet. Auch is.t
durch schlechtes Hängen alles geschehen, um die Bilder
um ihre Wirkung zu bringen. Man gewinnt einen Ueber-
blick über die Schule von Sevilla: Juan de las Roelas,
Herrera, Valdes Leal und namentlich Murillo sind mit
einer Reihe von Bildern vertreten. Die dreiundzwanzig
Bilder von Murillo stammen im wesentlichen aus dem
einstigen Kapuzinerklos.ter in Sevilla. Zu diesen nach-
gedunkelten, weichlichen, zum Teil riesengroßen Bil-
dern den Zugang zu finden, ist für den heutigen Be-
schauer nicht ganz leicht. Murillos Visionen und Ek-

*) Jose Gestoso y Perez: Museo de Pinturas de Sevilla. Jose
Gestoso y Perez: Sevilla. E1 Arte en Espana. Barcelona.

stasen mögen die Generation eines Justi befriedigt
haben, uns, die wir die Strenge, Mystik und Ekstas.e
des Mittelalters, die Farbenpracht und den Ueber-
schwang des Barock wieder stark empfinden, erschei-
nen Murillos Bilder weder mystisch noch eks.tatisch.
Sein vielgepriesener Realismus versagt im gleichen
Maße, er hat Kunst fürs große Publikum geschaffen.
Farbig am besten ist seine im Format bescheidene „Vir-
gen de la Servilleta“. Befreiend nach all dieser Senti-
mentalität wirken jn Sevilla ein großer achtteiliger Altar
aus dem XV. Jahrhundert (Nr. 291), ein männliches Bild-
nis von Greco, ein etwas hölzernes Bildnis eines Ehe-
paars von Pacheco und Bocanegras Bild von Alonso
Cano. Montanes, ist mit guten polychromen Statuen
vertreten. Ueber die Sammlung „moderner“ Bilder im
Museum soll aus Höflichkeit geschwiegen werden, die
Namen der „Künstler“ zu nennen erübrigt sich. Ueber-
rascht fragt man sich, ob denn wirklich in Sevilla nichts
Wertvolles im 19. und 20. Jahrhundert entstanden ist;
die zeitgenössis.che Ausstellung im Pavillon des be-
zaubernden Maria Luisa-Parks gab auf diese Frage eine
vernichtende Antwort.

Ein kleines archäologisches Museum, lieblos auf-
gestellt, wurde seit 1867 im gleichen Gebäude zu Sevilla
untergebracht. Es enthält in der Hauptsache römis.che
Funde aus dem nahegelegenen Itälica, eine interessante
Azulejos-Sammlung, schöne Mudejarkrüge und ein grün-
glasiertes Taufbecken, das in Triana, einer Vorstadt von
Sevilla, im XV. Jahrhundert entstanden ist.

Die Biblioteca Colombina in Sevilla, eine Stiftung
von Ferando Colön (dem Sohn von Christoph Colum-
bus.), der seine reiche Bibliothek dem Domkapitel 1539
hinterlassen hat, enthält außerordentlich schöne Minia-
turen, die bereitwilligst aus den Glasschränken heraus-
genommen werden. Erwähnt sei nur das Pontifical
Romano des Bischofs Juan de Calahorra vom Jahre
1390, aus der Kathedrale in Sevilla stammend, mit ita-
lienischem Einschlag und ein Livre d’heures aus dem
XV. Jahrhundert, jedenfalls französischer Herkunft, an-
geblich aus dem Besitz von Isabella der Katholischen.

Das Museo de bellas, Artes in Cadiz hat einen gut-
gehängten interessanten Zurbarän-Saal. Es sind einige
zwanzig Bilder: die vier Evangelisten, rauchfaßschwin-
gende Engel, Darstellungen aus der Portiuncula u. a„
die in der Hauptsache aus der Cartuja in Jerez stam-
men. Als Leihgabe aus, Privatbesitz hängen im Haupt-
saal fünf Bilder aus dem Marienleben von einem Arago-
nesischen Quattrocentisten, der stark unter flandri-
schem Einfluß stelit. Im Bildnis.saal, der allein kata-
logisiert ist, fällt das schöne Bildnis eines Unbekannten
von Lawrence um s.o mehr auf, als selbst der Prado
kein einziges englis.ches Bild besitzt.

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