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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 46.1930-1931

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Kletzl, Otto: Willi Nowak
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https://doi.org/10.11588/diglit.16478#0031

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WILLI NOWAK

Der für Prag als Leiter einer der deutschen Son-
derschulen an der Akademie zurückgewonnene
Künstler zeigte eben im Rahmen jener Ausstel-
lungen, welche die ..Prager Sezession" veran-
staltet, eine Auswahl seiner Arbeiten.
Auch hier wird bereits klar, daß latent wirkende
Kräfte., die von Jugendjahren her durch alle
Y\ eiterungen und W andlungen hindurch dieses
Lebenswerk als ein ganz einheitliches beisam-
menhielten, das Einlenken zuletzt in den Pra-
ger Kulturkreis nur glücklich haben vorbereiten
können. Ein Bild aus der ersten Zeit wie die
..Badeszene" von 1907 könnte ohne weiteres in
den stuckierten Bahmen des Rokokoplafonds
in einem böhmischen Schloß eingefügt werden.
Das Ornamentwesen des späten 18. Jahrhunderts
aus der zarten, kleinteiligen Beweglichkeit so
früher Bilder, dem entzückenden „Eislaufplatz"
etwa in der Modernen Galerie Prags, herauszu-
sehen, ist leicht möglich. Die bläßlichen Farben
W enzel Lorenz Reiners, die Grazie des Norbert
Grund scheinen da lebendig zu werden. Es ist
in der Tat ein richtiges Schloß in der Nähe von
Prag, in dem YV illi Nowak aufwuchs. Blätter
Y\ atteaus und Chardins hingen an den Wänden,
Formkräfte der Architektur des Hauses Mni-
schek, die auch wie eine Gestaltwerdung der
leicht gehügelten Landschaft ringsum erschei-
nen, haben von Kinderstuben-Jahren her ein-
wirken können. Dicht eingeschleiert in das
silbrige Grau einer Kunst zwischen Daseinstag
und Traumnacht, die wie ein Hohlspiegel
noch einmal Reflexe von Abendformen einer
großen Kultur zu neuen Bildern sammelt,
huschen die Szenen der frühen Bilder an uns
vorüber.

Solche Grundkräfte bleiben weiter wirksam; sind
so stark, daß sie die Forderung der Zeit gegen
1910 nach verstärktem Ausdruck nur mit wesent-
lichen Einschränkungen zulassen. Die für die
neue Kunst in Prag wichtige „Ausstellung der
Acht" kam 1907 zustande. Mit gleichgesinnten
Tschechen, von denen sich in der Folge Emil
Filla als der wichtigste Mann erwies, stellten von
den Deutschen neben Feigl auch Horb und Kahler
aus. Die zwei Letztgenannten starben früh, mit
Kahler insbesondere sank eine große Hoffnung
hin. Durch diese Ausstellung kam die Berüh-
rung mit Leuten der Dresdner „Brücke" zustande.
Kirchner, Schmidt-Rottluff, später auch Pech-

stein waren in Ferienmonaten bei Nowak zu Gast.
Kahler, der unweit wohnte, brachte Weisgerber
und Purrmann von München mit. Kubin, gleich-
falls Deutschböhme, ward Kahlers Freund. Es
gab Studienwanderungen und Debatten. Nowak
kennzeichnet es aber sehr, daß er dann bei der
Ausstellung der „Neuen Sezession"' in Berlin
schon nicht mehr mitgetan hat. Die radikalen
Entschiedenheiten, auf die es nun ankam, waren
nichts für ihn, auf den bald gerade jene Großen
des französischen Impressionismus entscheidend
zu wirken vermochten, in denen eigentlich auch
eine alte, aristokratische Kultur in neuen Formen
auferstand. Nur eine leichte Versteifung der
Form, eine Aufhellung der Farben in kalkige
Trübheit (er mischt viel mit Tempera), aus der
nur manchmal unwirklich Grelles, ein Gelb etwa,
aufklingt, eine Verschärfung der Valeurs ist ihm
von da her geblieben.

Daß man Nowak trotzdem immer zu dem Kern-
kreis der neuen Kräfte gezählt hat, ist auch Aus-
druck der Achtung vor jenem langsam-sicheren
W achstum aus großer Tradition, das aufgeregt

o OD

extremer Experimente nicht bedarf. Der so deut-
liche Richtungssinn dieses Talentes erklärt auch
die VS iederkehr weniger, spezifisch nowakischer
Themen: Der Reiter in der Landschaft, der Strom
durch sommerliche Hügel, Badende Frauen, das
Mädchen am Tisch mit Gebärden von der An-
mut eines Benoir . . . Von Variante zu Variante
erarbeitet sich Nowak jedes dieser Bilder immer
wieder neu, dringt, die Formkraft vom bereits
vertrauten Thema wesr auf rein künstlerische
Probleme konzentrierend, zu Ergebnissen vor,
die zuletzt doch wieder eine Steigerung bedeuten.
Unmöglich erscheint es dann, die Stimmungs-
kraft einer reinen Malerei mit W orten auch nur
zu umschreiben, wie sie mit der letzten Fassung

o

des „Mann mit Pferd" vorgestellt wird. Die
Gebautheit eines solchen Bildes, das in voll-
kommen gesicherter Zuständlichkeit verharrt,
bringt jene Kraft in das Erlebnis, die uns Heu-
tigen so viel Anmut, Stille und Zierlichkeit zum
reinen Genuß werden läßt. Diese Gebautheit
hält auch wie eine feste Schale die hoch gehäuf-
ten, fast überreifen Früchte einer Malerei zu
einer festen, körperhaft kraftvoll durchstrahlten
Masse zusammen, wie sie in der Fassung von
1930 des sehr großformatigen „Mädchen mit
Blumen" begegnet. Otto Kletzl

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