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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Falke, Jakob von: Unsere Wohnung von Einst und Jetzt, [2]
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Becker, Hermann: Wohnstuben im XVI. und XVII. Jahrhundert, [1]: eine kulturgeschichtliche und vergleichende Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0166

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Seite (^2.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Znnen-Dekoration".

Oktober-Heft.

blaue Fimmel hindurchschien, belebt mit bunten Vögeln, zu unfern
Füßen lagen. Damit sind wir aber wieder in die vornehme Wohnung
gekommen, die im Stande war, den Fußboden mit Teppichen zu belegen
und die Wände und die Decke des Zimmers mit Walerei zu verzieren.
Zugleich sind wir aber auch jenem Mo-
mente nahe gerückt, da die Reform des
Geschmackes begann und ein anderer künst-
lerischer Geist auch in die Wohnung ein-
drang. Diese Reform hat nun binnen zwei
bis drei Jahrzehnten unsere Wohnung
umgeschaffen, zwar nicht so, daß jede Spur
des Alten verschwunden wäre. Wer ein-
mal in eine Einrichtung sich eingelebt hat
und in derselben alt geworden, der ändert
nicht so leicht von Grund aus und sucht
sich höchstens nach und nach, theilweise
wechselnd und ändernd, mit dem Neuen
abzufinden. Einem jeden stehen auch nicht
die Mittel zu Gebote, sich des soliden über-
kommenen Hausraths zu entledigen und
denselben durch einen neuen zu ersetzen.

Nur die jungen Wirtschaften, die sich neu
einrichten, ergreifen auch mit Begierde das
Neue. Andererseits kam aber ein äußerer
Umstand dem raschen Erfolge der Reform
zu Hilfe, und das ist das enorme An-
wachsen unserer Städte, die Fülle neuer
Häuser, neuer Paläste, welche überall der
neuen Einrichtung bedurften. Dieser Um-
stand, verbunden mit der Verbesserung und
Verbreitung des Geschmacks in allen Stän-
den, mit der Vervielfältigung des künst-
lerischen Lehr- und Lcrnmaterials, mit der
Reiselust und Reiseleichligkeit unsrer Zeit,
die überall das Gute und Schöne zu sehen
erlaubt, hat denn auch aus unsrer Wohnung etwas gemacht, was
zu der unserer Väter und Großväter einen vollen Gegensatz bildet.

Die Richtung, in welcher die Reform (Frankreich ausgenommen)
vor sich gegangen oder vielmehr vor sich geht, kann als eine doppelte

bezeichnet werden. Einmal nahm man das Schöne, wo man es fand,,
und suchte es harmonisch zufammenzustellen, vor allem achtend auf
den Reiz stimmungsvoller Farbe, ohne sich dabei um die strenge
Durchführung eines bestimmten Stiles zu kümmern. Was der Osten

und der Westen Gutes schaffte, fand sich
zusammen und vertrug sich auch zusammen..
Die andere Richtung empfahl einen be-
stimmten Stil und zwar denjenigen, welchen,
wir heute den deutschen oder altdeutschen
Stil zu nennen pflegen, eine Art der Renais-
sance, wie sie sich in Deutschland in der
zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhun-
derts, also bereits mit starkem Anklange an
die barocke Runst, herausgebildet hatte. Man
verfolgte zum Theil ein patriotisches Ziel,,
das deutsche Haus sollte auch seine eigene
deutsche Einrichtung haben, deutsch nach
Art und Entstehung; zum Theil aber wollte
man mit diesem Stil der deutschen Wohn-
ung jene Gemächlichkeit und Behaglichkeit:
wieder geben, welche uns aus so manchen
Bildern des sechzehnten und siebzehnten-
Jahrhunderts entgegentritt, während dio
Wohnung unserer Großväter und Urgroß-
väter sie gänzlich verloren hatte. Ohne
Zweifel ist es auch möglich, mit diescrn.
modernen altdeutschen Stil der Wohnung
den gewünschten Rarakter zurückzugeben,
der Stil hat aber den Nachtheil, daß er füv
das bürgerliche Haus zu theuer ist, ohne
andrerseits vornehm zu sein. Er setzt Mo-
biliar, Wände, Plafonds von bestimmter
Art, von großem Aufwand an Arbeit, an.
Profilen, Schnitzerei und sonstigem Schmuck
voraus und ist daher zu kostbar für bescheidene
Mittel. Die andere Richtung dagegen weiß sich zg: behelfen; mit Sinn
und Geschmack weiß sie Altes und Neues, Orientalisches und Europäisches
zu verbinden und so der Wohnung mehr Reiz und Mannigfaltigkeit
zu verleihen, während die moderne altdeutsche Wohnung nicht seltew

MoynstuSrn im XVI. und XVII. D-chr-

yunöevt.

Line kulturgeschichtliche und vergleichende Studie

von Hermann Becker.

n einem seiner Gedichte hat Hans Sachs ganz genau die
innere Einrichtung einer Wohnung beschrieben, wie sie im
XVI. Jahrhundert den Ansprüchen eines wohlgestellten
Bürgers entsprach. Das Gedicht steht im ersten Theile der Nürn-
berger Ausgabe vom Jahre f570, und Hans Sachs schildert darin,
wie ein junger Geselle ihn aufsucht und bittet, der Schuhmacher und
Poet möge sein Brautwerber werden. Aber der biedere Meister
scheint von der Ehe nicht sehr erbaut zu sein, denn er warnt den
Jüngling, indem er ihm die Sorgen vorhält, die der Ehestand für
den Mann mit sich bringt, und macht ihm begreiflich, wie vielerlei
Dinge zu einem Haushalte gehören. Doch die Zugend ist leichtsinnig,
und der liebeglühende Jüngling meint, zum Heirathen sei nicht viel
erforderlich. Dann entwickelt er seine Ansicht und spricht:

„— wann man zwo schüffel hat ! Lynen Hafen oder vier dabey,

Und eynen löstet oder drey, ! Des kann man sich gar lang betragen."

Die letzte Zeile soll sagen: Damit kann man schon auskommen.

Mit dieser Ansicht kommt er aber bei dem guten Hans Sachs
an die unrichtige Adresse, denn jetzt geräth der Alte in Eifer und
zählt dreihundert Gegenstände auf, die zur Einrichtung eines Haus-
standes erforderlich sind. Die Rüche, der Reller, die Schlafkammer
und die Wohnstube werden auf's Genaueste beschrieben, und der Ge-
sell fällt vor Schrecken beinahe auf den Rücken, als ihm die Menge

der nothwendigen Dinge aufgezählt wird. Es vergehen ihm auch
wirklich alle Heirathsgedanken, denn er erklärt:

„Mein lieber meyster Hans, und ist das war,
will ich gleich harren noch eyn Jahr,

Bis wieder kommt die Fastnacht,

Ich Hab' es nit so weit bedacht,

Daß soviel in das Haus gehört;

Die Lieb' hat mich blend't und bethört."

Sehen wir uns einmal das altdeutsche Wohnzimmer an, welches-
Hans Sachs beschreibt: Da finden wir Sessel, Stühle, einen Tisch
und hinter dem Ofen eine Bank, stellenweise findet man auch ein:
Bett in der Wohnstube. Gepolsterte Sitze haben die Möbel nicht,
aber die harten Holzsitze werden durch aufgelegte Rissen bequem ge-
macht. Lin Sofa, das „Faul-" oder „Lotterbett" genannt, ist gleich-
falls ungepolstert, aber mit aufgelegten Sitzkissen versehen und so
groß, daß der Hausherr darauf nach Tische ein Schläfchen machen
kann. Der „Gieskalter" (Ralter bedeutet einen Schrank, z. B. Gwand-
kalter — Rleiderschrank) und ein „Randelbrett" dürfen in keiner
Wohnstube fehlen. Lrsterer ein niederer, den heutigen kleinen Rüchen-
anrichten ähnlicher Schrank, diente dazu, um darauf das Gläser-
spülen und die Handabwaschung zu verrichten, deshalb befindet sich
darüber das Randelbrett, auf welchem die „Rändeln" (Rannen),
Rrausen (eine bestimmte Sorte kleiner Gläser), die „Aengster" (lang-
halsige Flaschen), sowie das Bierglas oder Seidel und der „Trachter"
(Trichter) ausgestellt wurden. Das moderne Buffet ist eine Vereinig-
ung des Gießkalters und des Randelbrettes. Neben dem Gießkalter
befindet sich ein großer kupferner Rühlkesfel, der „Rüpferling", und
eine zum Waschen der Gläser bestimmte Bürste. Hier hängt auch
die „Handzwehle" (das Handtuch) und auf dem Gießkalter steht eine
Waschschüssel, denn man wusch sich vor und nach der Mahlzeit die
 
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