Die Germaniſierung des denkſchen Nordoftens,
Eine Skizze.
Von
Otto Kaemmel.
III.
Auf dem niedrigen Plateau, das rings um den Rigaiſchen
Meerbuſen in mannigfacher Abwechſelung bald zu anmutigem Hügel—
lande ſich erhebt, im Norden in ſteiler zerriſſener Felsküſte ans
Finniſche Meer herantritt, bald durchbrochen wird von breiten,
ſumpfigen Flußniederungen und in öder flacher Dünenküſte die
See begrenzt, und damals in noch weit ausgedehnterem Maße
als jetzt von endloſen Waldungen und Mooren bedeckt war, hauſten
ſeit alters in dürftigen zerſtreuten Niederlaſſungen buntgemiſchte
Stämme, die niemals zu einer politiſchen oder nationalen Einheit
durchgedrungen ſind und deshalb ſtets ſtärkeren fremden Mächten
ſich haben fügen müſſen: vom Finniſchen Meerbuſen bis zum
Embach und Wirzjärwi die finniſchen Eſten, rings am Geſtade
des Rigaiſchen Meerbuſens die ihnen verwandten Liven, ſüdlich
derſelben die gleichfalls finniſchen Kuren, weſtlich und öſtlich der
unteren Düna als Vorpoſten des weitverbreiteten Litauerſtammes
die Semgallen und die Letten. In ihrem Gebiete, im Mündungs—
lande des mächtigen Stromes, hatten am früheſten die Deutſchen
Fuß gefaßt. Zwiſchen 1164 —70 fuhren deutſche Schiffer, wahr—
ſcheinlich Lübecker oder Weſtfalen, von Gotland, dem damaligen
Mittelpunkte des Oſtſeehandels, aus in die breite Mündung der
Düna ein, vielleicht vom Sturm verſchlagen, vielleicht auch um
die Waſſerſtraße nach Smolensk ſelbſt zu erkunden. Hier begrün—
dete Meinhard, ein Auguſtiner aus dem holſteiniſchen Segeberg,
auf dem rechten Ufer des Stromes in Uexküll 1185 die erſte
chriſtliche Kirche Livlands, dann 1188 das Bistum Uexküll (Ikeskola),
das ſich unter Bremen ſtellte. Unter beſtändigen Gefahren, am
äußerſten Vorpoſten weſteuropäiſcher Chriſtenheit, ſtarb ſein erſter
Eine Skizze.
Von
Otto Kaemmel.
III.
Auf dem niedrigen Plateau, das rings um den Rigaiſchen
Meerbuſen in mannigfacher Abwechſelung bald zu anmutigem Hügel—
lande ſich erhebt, im Norden in ſteiler zerriſſener Felsküſte ans
Finniſche Meer herantritt, bald durchbrochen wird von breiten,
ſumpfigen Flußniederungen und in öder flacher Dünenküſte die
See begrenzt, und damals in noch weit ausgedehnterem Maße
als jetzt von endloſen Waldungen und Mooren bedeckt war, hauſten
ſeit alters in dürftigen zerſtreuten Niederlaſſungen buntgemiſchte
Stämme, die niemals zu einer politiſchen oder nationalen Einheit
durchgedrungen ſind und deshalb ſtets ſtärkeren fremden Mächten
ſich haben fügen müſſen: vom Finniſchen Meerbuſen bis zum
Embach und Wirzjärwi die finniſchen Eſten, rings am Geſtade
des Rigaiſchen Meerbuſens die ihnen verwandten Liven, ſüdlich
derſelben die gleichfalls finniſchen Kuren, weſtlich und öſtlich der
unteren Düna als Vorpoſten des weitverbreiteten Litauerſtammes
die Semgallen und die Letten. In ihrem Gebiete, im Mündungs—
lande des mächtigen Stromes, hatten am früheſten die Deutſchen
Fuß gefaßt. Zwiſchen 1164 —70 fuhren deutſche Schiffer, wahr—
ſcheinlich Lübecker oder Weſtfalen, von Gotland, dem damaligen
Mittelpunkte des Oſtſeehandels, aus in die breite Mündung der
Düna ein, vielleicht vom Sturm verſchlagen, vielleicht auch um
die Waſſerſtraße nach Smolensk ſelbſt zu erkunden. Hier begrün—
dete Meinhard, ein Auguſtiner aus dem holſteiniſchen Segeberg,
auf dem rechten Ufer des Stromes in Uexküll 1185 die erſte
chriſtliche Kirche Livlands, dann 1188 das Bistum Uexküll (Ikeskola),
das ſich unter Bremen ſtellte. Unter beſtändigen Gefahren, am
äußerſten Vorpoſten weſteuropäiſcher Chriſtenheit, ſtarb ſein erſter