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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 2.1885

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Mitteilungen und Berichte
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Kinkel, Gottfried: Franz Grillparzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.52690#0245

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Mitteilungen und Ferithte.

Franz Grillparzer.
Von Gottfried Kinkel.t
Aus ſeinem Nachlaſſe.)

Seit den Freiheitskriegen hat die Dichtung in Oeſterreich ihre beſte Kraft
aus der Oppoſition gegen das Beſtehende gezogen. Die lange ermattende Herr—
ſchaft des Metternichſchen Syſtems trieb alle ſelbſtändigen Geiſter zum Kampf.
Soweit die Wiener Litteratur nicht, wie meiſtens Bauernfeld, mit dem Konver—
fationsluſtſpiel des Burgtheaters ſich begnügte, Zauberſtücke ſchrieb wie der echte
Poet Raimund, oder wie Neſtroy die Vorſtadttheater mit Lokalpoſſen verſorgte,
iſt dieſe Litteratur ſtets revolutionär. Nikolaus Lenau tritt auf, ein heißblütiger
Ungar, ein phantaſievolles Kind der Steppe: er wandert aus, weil in Oeſterreich
ein freier Flügelſchlag unmöglich. Der Druck war ein doppelter, denn Hand
in Hand mit dem Beamten ging der Jeſuit. So zugleich gegen weltliche und
geiſtliche Knechtſchaft kämpfend, wird Lenau ein pantheiſtiſcher Revolutionär: im
Savonarola, in den Albigenſern ſchildert er gerade ſolche Kämpfe der Vergangen—
heit, wie er ſie von ſeinem Oeſterreich verlangt, welche zu gleicher Zeit wider
die ketzerverbrennende katholiſche Hierarchie und den unterdrückenden weltlichen
Staat gerichtet ſind. Anaſtaſius Grün, durch ſeine Stellung als Adeliger und
Großgrundbeſitzer mehr geſchützt, faßt den Pantheismus von der milderen Seite
auf. Seine Spaziergänge eines Wiener Poeten ſind der erſte Trompetenſtoß
der poetiſchen Oppoſition für Oeſterreich geweſen. Aber ſo ſtürmiſch fordert er
nicht den Streit heraus. Warum brauchten wir zu kämpfen, zu verbluten? Die

Die Aufnahme dieſes Aufſatzes, der einem von Kinkel ſeinerzeit gehaltenen Vortrage zu
Grunde lag, ſcheint uns — wenn auch der biographiſche Teil nicht gerade Neues bietet — durch
das Intereſſe begründet, welches die Auffaſſung und das Urteil des Autors über den größten
Dichter Deutſch-Oeſterreichs erweckt. Daß Kinkel ſich gedrängt fühlte, zur Sühnung des Unrechts
beizutragen, welches Norddeutſchland an Grillparzer beging, iſt an und für ſich ein Akt von
litterarhiſtoriſcher Bedeutung. Da der ſubjektive Charakter der Darſtellung nicht berührt werden
ſollte, haben wir auch jene Auseinanderſetzungen Kinkels unverkürzt wiedergegeben, denen wir
nicht beiſtimmen können, ſo die Gegenüberſtellung Grillparzers und Immermanns. D. Red.
 
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