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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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IV. Was muss man beim Zeichnen wissen?


Optik

Im Anschluss an Albertis berühmte Metapher vom Bild als Fenster zur Welt thematisierten auch Zeichenbücher gerne aktuelle Theorien der Wahrnehmung. Denn ein lange gültiges Qualitätsmerkmal der Zeichnung war es, authentische Darstellungen des Sehbildes zu liefern. Grundlage der Perspektivlehre in Zeichenbüchern war die letztlich von der Antike bis ins 19. Jahrhundert etablierte Annahme: „das Sehen geschehe gleich wie die Fortpflanzung des Lichts in gerader Linie […] und so ist für den Zeichner jedweder Sehstrahl weiter nichts als eine gerade Linie“ (Guido Schreiber: Malerische Perspektive, 1845).

Durch neue Erkenntnisse der physikalischen und physiologischen Optik geriet dieses scheinbar sichere Fundament jedoch ins Wanken. So kommen Sehstrahlen in Augustin Jean Fresnels ‘Wellentheorie des Lichts’ nicht mehr vor und Hermann von Helmholtz’ Arbeiten zur visuellen Wahrnehmung machten deutlich, dass das als statisch empfundene Sehbild tatsächlich aus vielen Detaileindrücken und Gedächtnisinhalten besteht. Einige Zeichenbücher versuchten mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und entwickelten komplexe Theorien der Netzhautperspektive.

Von den drei Zeichenbüchern, die der Verleger Claes Janszoon Visscher (1587-1652) in Amsterdam herausgab, dürfte das hier gezeigte das letzte sein. Mit seinen ursprünglich 80 Blättern war es mehr als dreimal so umfangreich wie seine beiden Vorgänger. Die Zeichenbücher von Visscher stellten allesamt – von den Titelblättern und wenigen neu entworfenen Tafeln abgesehen – Adaptionen berühmter Vorgängerwerke dar: von Odoardo Fialetti, Jean Cousin, Hendrik Hondius sowie der sog. Scuola perfetta. Das ausgestellte Blatt behandelt die zentralperspektivische Konstruktion eines Innenraums. Der Fluchtpunkt aller horizontalen Linien liegt genau im Auge der dargestellten Person, die damit die ideale Betrachterposition einnimmt.

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