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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek


Heidelberger Bibliotheken bis zu den Zer-störungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg

Die Anfänge

Heute ist die Universitätsbibliothek Heidelberg in erster Linie eine moderne Universalbibliothek, die den Mitgliedern der Universität als Dienstleister für die Literaturversorgung zur Verfügung steht. Sie ist aber auch Nachfolgerin der in ihrer Blütezeit, zu Beginn des 17. Jahrhunderts, aufgrund ihrer Größe und ihrer Exklusivität weltberühmten Bibliotheca Palatina.

Die Ursprünge dieser Bibliotheca Palatina, der Pfälzischen Landbibliothek, in der verschiedene, anfangs eigenständige Institutionen aufgingen, reichen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts und in das frühe 15. Jahrhundert zurück. Im Umfeld der am 18. Oktober 1386 durch Kurfürst Ruprecht I. gegründeten Universität waren die Bibliotheken der Artistenfakultät und der drei höheren Fakultäten, sowie die Stiftsbibliothek entstanden. Unabhängig davon besaßen die Kurfürsten von der Pfalz auf dem Schloß eine eigene Büchersammlung.

Die Bibliotheken der Universität

Eine Bibliothek der Artistenfakultät wird erstmals 1396 erwähnt. Von der Versammlung aller Fakultäten war damals beschlossen worden, die aus dem Nachlaß des Konrad von Worms angekauften Bücher und die artistischen Bücher aus der Hinterlassenschaft des Marsilius von Inghen dort aufstellen zu lassen. Im Folgenden ist immer wieder von Bücherlegaten und Erwerbungen aus Vermächtnissen verstorbener Professoren die Rede. Gezielte Bücherkäufe durch die Universität erfolgten erst später.

Zu Beginn der 40er Jahre des 15. Jahrhunderts errichtete man für die Fakultätsbibliotheken ein neues Gebäude (später sog. Prytaneum). Für die dort untergebrachten Bestände sowie für die Bibliothek des Heiliggeiststiftes liegen aus dem Jahr 1466 zwei Verzeichnisse vor, in denen ca. 1600 Werke in 841 Bänden erfaßt sind.

Die Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche

Die Gründung der Stiftsbibliothek geht auf das erste Testament Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz (1378-1436, regierend 1410-1436) vom 10. August 1421 zurück, der angeordnet hatte, die theologischen, juristischen und medizinischen Bücher seiner privaten Sammlung auf der eigens dafür eingerichteten Nordempore der Heiliggeistkirche zu Heidelberg aufzustellen. 1438, zwei Jahre nach Ludwigs III. Tod, konnten die 165 Bücher, verzeichnet in einer auf den 18. Dezember des Jahres datierten Pergament-Urkunde, in der Stiftskirche in Empfang genommen werden. Zum gleichen Datum war von der Universität eine Benutzungsordnung erlassen worden. Die Bestände der Stiftsbibliothek waren wie diejenigen der Bibliotheken der Universität in den Katalogen aus dem Jahre 1466 aufgeführt. Spätere Zugänge zur Stiftsbibliothek wurden im Papierband des Verzeichnisses als Nachträge festgehalten.

Durch die Verlagerung der Schloßbibliothek während der Regierungszeit Kurfürst Ottheinrichs von der Pfalz (1502-1559, regierend 1556-1559) in die Heiliggeistkirche kam es zu einem starken Zuwachs der dortigen Bestände, der vermutlich dazu führte, daß auch die Südempore zu deren Aufstellung genutzt werden mußte. In der Beschreibung seines Besuchs der in der Kirche untergebrachten Bibliotheca Palatina im September des Jahres 1608 berichtet der Engländer Thomas Coryate jedenfalls von „A place most beautifull, and diuided into two very large and stately roomes that are singular well furnished with store of bookes of all faculties”.

Die Schloßbibliothek

Von zahlreichen, der in Heidelberg regierenden Kurfürsten von der Pfalz und den Angehörigen ihrer Familien ist bekannt, daß sie eine starke Affinität zu Wissenschaft und Literatur und somit auch zum Buch hatten. Bekanntestes Beispiel ist sicher der Kunstsammler und Bibliophile Kurfürst Ottheinrich. Vor allem durch ihren schier unendlichen Sammeleifer bezüglich medizinischer Literatur taten sich die Kurfürsten Ludwig V. (1478-1544, regierend 1508-1544) und Ludwig VI. (1539-1583, regierend 1576-1583) hervor.

Diese Bücher, unter denen sich im Gegensatz zu den Bibliotheken der Universität und des Heiliggeiststifts auch volkssprachige Literatur befand, wurden bis Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Heidelberger Schloß aufbewahrt. In welchen Räumen die kurfürstliche Bibliothek dort untergebracht war, ist nicht eindeutig rekonstruierbar. Falsch ist die lange gängige Auffassung, daß der sog. „Bibliotheksbau” ursprünglich zu ihrer Aufstellung diente. Die Bezeichnung für den um 1520 entstandenen Gebäudeteil kommt vielmehr erst nach dem Dreißigjährigen Krieg auf (belegt 1669). Neueste Forschungen haben ergeben, daß eine primäre Nutzung zur Unterbringung der Bibliothek für den viergeschossigen, ehemals durchgängig gewölbten Baukörper, sehr unwahrscheinlich ist. Bei dem Raum im ersten Obergeschoß handelte es sich vielmehr um eine sogenannte Tafelstube für die kurfürstliche Herrentafel wie sie als Raumtyp im 16. Jahrhundert an deutschen Höfen aufkam. Nicht auszuschließen ist, daß der Standort der Bücher auf dem Schloß mehrfach gewechselt hat.

Das erste eigene Bibliotheksgebäude der Universität Heidelberg (später sog. Prytaneum)

Bibliotheksgebäude / "Prytaneum"
Aus: Jochen Goetze: „Zu buwen ein liberii”.
Das erste Gebäude der Universitätsbibliothek
im 15. Jahrhundert, in: Heidelberg. Jahrbuch
zur Geschichte der Stadt 2 (1997), S. 107.

Die Artistenfakultät hatte bereits 1434 den Entschluß zum Bau eines eigenen, ihrer alleinigen Verfügung unterstellten Bibliotheksgebäudes gefaßt. Diesen Plan machte sich wenige Jahre später die Universität zueigen, wohl nicht zuletzt, um einen Alleingang der Artisten zu verhindern. Nach dem Abschluß des Bauvertrags im Jahr 1439 unter dem Rektor Bartholomäus von St. Trond, kam es immer wieder zu Verzögerungen, so daß die Schlüsselübergabe erst am 27. Februar 1445 stattfinden konnte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muß das Gebäude fertiggestellt und bezogen bzw. zumindest bezugsfertig gewesen sein.

Im Erdgeschoß der Bibliothek („camera inferior”) fanden die Bücher der Artistenfakultät Aufnahme, während die Bücher der drei höheren Fakultäten im Obergeschoß („camera superior”) aufgestellt wurden. Aus den Katalogen, die 1466 angelegt wurden, geht hervor, daß die Bücher in Pulten liegend aufbewahrt wurden. Eine damals übliche, aber platzaufwendige Art der Bereitstellung: Bei Benutzung eines Buches war die Lesefläche belegt, somit konnte nur jeweils eine Person an einem Pult arbeiten. Einen Schlüssel für die Bibliothek erhielten lediglich Magister der Fakultät. Hierzu mußten sie einen Eid leisten, in dem sie u. a. schworen, eine Person, die mit ihnen das Gebäude betrat, nicht ohne Aufsicht zu lassen und die Bibliothek hinter sich wieder gut abzuschließen.

1594 wurde das saalartige Erdgeschoß von der Universität für Disputationen, Feiern und Empfänge zum später sog. „Prytaneum” umgenutzt. Die bislang dort untergebrachte Bibliothek der Artisten wurde in das Obergeschoß umgezogen nachdem hierfür durch die Verlegung der Bestände der theologischen und juristischen Fakultät in das Sapienzkolleg Platz geschaffen worden war. Ein knappes Jahrhundert später wurde das ehemalige Bibliotheksgebäude während der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört.

Mit dem Tod Kurfürst Karls II. aus dem Haus Pfalz-Simmern im Jahr 1685 hatte bereits wenige Jahre zuvor die mittlere Kurlinie geendet. Sein Nachfolger wurde der katholische Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg. Nach dessen Regierungsantritt hatte in der Pfalz eine starke gegenreformatorische Bewegung eingesetzt, die unter Kurfürst Johann Wilhelm dazu führte, daß in Heidelberg verschiedene Orden, darunter auch die Jesuiten, neu angesiedelt wurden. Für die Errichtung des groß projektierten Jesuitenkollegs wurde das Quartier Augustinergasse - Schulgasse - Merianstraße - Seminarstraße ausgewählt, also der Bereich, in dem seit dem 15. Jahrhundert unter anderem auch die erste Heidelberger Universitätsbibliothek gestanden hatte.

Nach Pfingsten 1711 wird damit begonnen, die letzten noch verbliebenen Mauerreste des Prytaneums abzubrechen. Einer Bestandsaufnahme der Universitätsgebäude aus dem Jahr 1699 zufolge, die nach den starken Zerstörungen des Pfälzischen Erbfolgekriegs in Auftrag gegeben worden war, standen von dem ehemaligen Bibliotheksbau immerhin noch „zwey Stockwerck Mauer mit zwey gemauerten Giebel, sambt einer gemauerten Schnecken”, also die steinernen Wände und der Treppenturm. Da dieser Bereich zwischen Heu- und Augustinergasse ursprünglich nicht zu dem Gelände gehörte, das die Jesuiten für den Bau ihres Kollegiengebäudes erworben hatten, sondern sich noch im Besitz der Universität befand, kam es von deren Seite zu heftigen Protesten. Ungeachtet dessen konnte im April 1712 der Grundstein für die Jesuitenkirche gelegt werden.

Die Fundamente des ehemaligen Bibliotheksgebäudes liegen unter der Nordwestecke der Kirche in deren rechtem Eingangsbereich. Die nördliche Langseite des Prytaneums verlief ungefähr an der Stelle der heutigen Nordfassadenmauer der Kirche, sein ehemaliger Treppenturm befand sich im Bereich der Schulgasse.

Die Universitätsbibliothek Heidelberg im 18. und 19. Jahrhundert

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