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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Zehn Gebote zur Wohnungseinrichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0353

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Aebn Gebote zur Mlobnungsemriebtung."

Zehn Gebote zur Wohnungseinrichtung! Jst es nicht lästerlich,
non unserer „Wohnungseinrichtung" zu sprechen in der vom Bibelwort
geheiligten Form? Lästerlich? Wir sprechen von der Gestaltung von
Haus und Herd als der Stätte der deutschen Familie! Das aber
scheint eine schöne, eine edle, ja beinahe selbst eine geheiligte Sache,
sieht man sie nur mir innerem Ernst und innerem Frohsinn zugleich in
rechtem Menschengeiste an. Jn solchem Sinne, mit Ernst und Frohsinn
wollen wir versuchen, was unseren Wohnungen Not thut, in zehn Ge-
bote zu sassen.

Erstens: Richte dich zweckmäßig ein!

Ja, das muß das erste sein, denn wenn die Wohnung nicht
ihrem Zweck entspricht, so ist sie ja gar keine rechte Wohnung. Zweck-
mäßig soll sie sein — also vor allem: gesund. Laß Licht und Luft
herein, verbanne Lichtdiebe, Lustverderber und Staubsänger, wo du sie
nur verbannen kannst. „Zweckmäßig", das heißt ferner, geeignet für den
Gebrauch, praktisch. Scheint dir etwas schön, aber nicht zweckmäßig,
so mißtraue dieser „Schönheit", es ist keine rechte, es ist nur oberfläch-
liche Gefälligkeit, deren du beim Gebrauche bald satt wirst, denn in Ge-
werbe und Kunstgewerbe ist nur schön, was das Zweckmäßige er-
sreulich gestaltet. Zweckmäßig heißt alsdann: behaglich. Du mußt
dich von deiner Wohnung gleichsam bedient sühlen, als ihr Herr, deine
Zeit darf nicht daraus hingehen, sie in Ordnung zu halten, sie zu
„pslegen", denn du bist nicht der Wohnung wegen, sondern die Wohnung
ist deinetwegen da.

Zweitens: Zeige in deiner Wohnung deinen Geist!

Die Wohnung ist das weitere Kleid, sie sei dir angemessen. Jn
keiner kannst du dich auf die Dauer recht heimisch sühlen, die irgend ein
Anderer eingerichtet hat, es sei denn genau nach deinen Angaben aus
dein Wesen hin. Daraus folgt: du darfst deine Wohnung nicht etwa
in Bausch und Bogen zu so und so viel Mark im Laden bestellen oder
sertig kaufen, du mußt dich selbst um sie kümmern, Stück um Stück.
Andernfalls lebst du wie ein Fremder bei dem Fremden, der eigentlich
die Wohnung gemacht hat, zu Gast. Weil du aber die rechte Freude
nur sühlst, wenn du mitwirkst (ob auch nur durch Wunsch oder durch
Auswahl), so spreche ich im folgenden gleich zu dir, als machtest du, was
du bestellst oder ankausst, selber.

Drittens: Richte dich getrost nach deinen Geldmitteln ein!

Das heißt: Glaube nicht, wenn du wenig Geld daranwenden kannst,
so müsse das Ganze nun häßlich werden, und deshalb müßtest du er-
streben, daß deine Wohnung möglichst reich aussehe. Schön und häß-
lich hat mit reich und schlicht im Grunde nicht das Mindeste zu thun;
es gibt Bauernstuben, die beinahe ärmlich sind und des Künstlers
Auge und des Bewohners Herz doch innig erfreuen, während mancher
Prunkraum im Palaste sie verletzt und abstößt. Die Wohnungen unserer
Reichen leiden am Protzen, wie die Leiber von Schlemmern am Fett,

* Aus dem Kataloge der eben geschlossenen „Volkstümlichen Aus-
stellung sür Haus und Herd" zu Dresden.

— Z4I

U Februarheft ;yoo
 
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