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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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O. W.: Moderne Kunstmöbel im Salon auf dem Marsfelde
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Statsmann, Karl: Alterthümer in der Wohnung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0219

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Seite s62.

September-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

mäßig vertheilt, kleinere und größere offene Abtheilungen auf,
in denen Manuskripte, Zeitungen rc. sowie auch Schreibgeräth
und kleinere Büsten untergebracht werden können. Mit dem
Bücherkasten verbunden, so daß er mit demselben einen rechten
Winkel bildet, ist ein Schreibtisch, der gleichfalls mit einer Menge
Schublädchen und Fächern versehen wurde. Außer glattem Metall-
beschlag aus oxydirtem Kupfer, der in schmalen Schlangenlinien
sehr viel angebracht ist, entbehrt das Objekt jeden Schmuckes;
Schnitzereien, die sonst gerade bei Bücherschränken sehr beliebt
gewesen, sind bei demselben gänzlich vermieden. Dasselbe gilt
von den schmalen, hohen Stühlen mit nach außen gebogenen
Füßen, die steif aussehen und sich an der Basis einander nähern,
derart, daß sie daselbst enger aneinanderstoßen als oben, wo sie
mit dem Sitze verbunden sind. Würde nicht die mattgelbe Tapete
mit grünlichen Blumenmustern — Thrysanthemen — daran
erinnern, daß wir eine „moderne" Einrichtung vor uns haben,
so könnte man sich in eine mittelalterliche Schreibstube versetzt
fühlen, wie sie im Germanischen Museum in Nürnberg gezeigt
wird. Die genannte Tapete ist oben von einer breiten Borte
abgeschlossen, bezw. von einer Draperie aus blaugrünem Stoffe
mit origineller Raffung theilweise verdeckt, der Fußboden mit

einem braunen Plüsche, aus welchem große stilisirte Blumenmuster»
ausgeschoren wurden, belegt. Durch diese Verkleidung wurde zwar
die dämmerige Stimmung, wie sie in Gelehrtenstuben anzutreffen
ist, vorzüglich wiedergegeben, doch auch gleichzeitig ein gewisser
frischer, natürlicher Zug gewahrt, der selbst durch die gesuchte
Originalität der Einrichtung nicht verwischt werden konnte.

Die Tischchen eines Theezimmers, gleichfalls steif aufgebaut,
mit ausgebogenen, nach unten zu sich in flachem Bogen nähernden
Beinen, sind aus Hellem Holze gefertigt, dreibeinig, mit dreieckiger,
nach außen gebogener Platte. An jedem Fuße sind Platten
angebracht, die sich um diesen bewegen und herausgedreht als
winzige Tischchen dienen können, zurückgestoßen dem Tische das
Aussehen geben, als sei er mit mehreren flachen Schubladen ver-
sehen. Die dazu gehörigen Stühle zeigen denselben Bau wie alle
modernen Sessel, d. h. der Sitz ist ganz schmal und die Beine
nähern sich unten so sehr, daß sie einander beinahe berühren. Es
gehört einiges Geschick dazu, dieselben zu benutzen, denn bei der
geringsten Bewegung muß das Ganze aus dem Gleichgewicht
gerathen. Die Lehne beginnt unten ganz schmal — etwa drei
Finger breit, strebt gerade nach oben und erweitert sich an ihrem
Ende wie das Blatt einer Fächerpalme. — o.

Mtterthüme^ in dev ^Eohnung.

Skizze von Karl Statsmann.

eine Zeit ist so pietätvoll gewesen in der Erhaltung
und Verwerthung überkommener alterthümlicher Werke
der Kunst wie die unserige. Man sammelt heute
fleißig solcherlei für Museen, gruppirt das schicklich und nach
kulturgeschichtlichen oder technischen Gesichtspunkten, man macht
die Museen (leider aber noch nicht allerwärts) direkt nutzbar für
das beschauende oder künstlerisch selbst schaffende Publikum, man
benutzt in artistischen Werkstätten eifrig die Vorbilder dieser Museen
oder Abbildungen der Objekte jener. Neuschaffen und Erfinden
und man lätzt es sich von Staatswegen angelegen sein, das von
unseren Vätern Ueberkommene und von uns Uebernommene vor
Zerstörung und Zerfall zu bewahren und fertigt Verzeichnisse des
noch Vorhandenen in illustrirten Znventarisationswerken an.
Derweil hat auch die wissenschaftliche Forschung Fortschritte
gemacht: sie ist der Entstehung, Erstellung, Art und Wesenheit
der Alterthümer auf die Spur gegangen, hat deren Zusammen-
hang in Schulen und Stilen festgestellt und bei objektiver und
gewissenhafter Auellenbenutzung gar manche alte Kunstweise in
besserem Lichte und in gerechterer Beurtheilung vorgeführt. Was
noch vor nicht langer Zeit möglich schien, der Nachweis, daß
alle Stilwandlungen selbst bis über das Empire hinaus, ihre I
volle Berechtigung, ihren Nutzen und ihren organischen Zusammen-
hang mit voraufgehenden und nachfolgenden Kunstepochen gehabt,
das ist neuerdings zur That geworden und so darf denn das
Jahrhundert nicht zur Neige gehen, bevor es in reichem Maße
gehalten und reichlich erfüllt, was es versprochen: Aufklärung,
Wahrheit um Wahrheit.

Was sich im Großen vollzog, spiegelt sich im Meinen, in
der bescheideneren Welt der menschlichen Wohnung unserer Tage
wieder. Dort Erhaltung der Alterthümer, hier pietätvolles
Sammeln von alterthümlichem Groß- und Kleinkram, für Zier
und Beschauen, für diesen vornehmlichen Endzweck und zu Nutz
und Frommen soweit es erforderlich und thunlich. Was aber
auch die Museen im Großen bis heute noch nicht ganz fertig
gebracht haben, eine ausgiebigste gemeinnützige Verwerthung des-
selben für die Praxis unter direktester Ausbeutung des künst-
lerischen Extraktes der Kunstwerke, das haben auch die Bestreb-
ungen in der Wohnungsausstattung nicht erreicht: ein angemessenes
Verwenden überkommener Stil- und Spielarten und das Jahr-

hundert wird enden ohne eine Lösung dieser Frage. Denn noch
schwimmen die Stilarten wie in einem aufgerührten Topfe umher,
es hat sich noch wenig gesetzt, die Flüssigkeit ist noch nicht klar,
zur Abklärung gehört noch Vieles. Viel erreicht scheint vorläufig
durch das Streben der Engländer und Amerikaner, besondere
der Ersteren, in der Linienführung des Ornaments (als Haupt-
grundlage der Verzierung) eine größere Freiheit der Bewegung,
erzeugt zu haben, eine Linienführung, wie sie das hellenische
Ornament ähnlich schon gehabt, doch freilich nur in einseitiger
Weise der Palmettenverwendung und wie auch das spätgothische
Ornament sie gebrauchte. Zudem trat hinzu eine gebundenere
Gestaltung des Ornaments als sie die vorbildenden Japaner
geübt, wodurch einseitiger Naturalismus verhütet und der hohe
Geist menschlichen Kunstneuschaffens gewahrt blieb. Endlich gal>
man der Struktur und Zweckdienlichkeit der Kunstwerke wieder
ihr Recht und nahm so eine Errungenschaft des Mittelaltern
— eine lange vergessene — wieder auf. Daß hierbei der Linienzug.
der Umrisse und Einzelheiten, beispielsweise der Mobilien (Stühle,
Schränke u. s. w.), ein besonderer wurde, war nothwendige Folge.
All das ist schon eine Frucht unseres Sammelns und Sichtenn
alter Kunstwerke, von denen wir gelernt haben und wir sahen,
daß das Sammeln und das Durcharbeiten vergangener Stilperiodeir
(siehe Barock und Rokoko I) nothwendig war. Noch ist das Rokoko-
Sofa das bequemste und eleganteste und wird es bleiben odev
doch vorbildlich sein.

Welche Wandlungen wird die Wohnungsausstattung im Dekor
an sich und in Linie und Farbe desselben fernerhin noch machen?
Das ist eine Frage, welche Tausende beschäftigt, die erfinden unk
die gestalten. Sicher Voraussagen können wir, daß Mode unk
Geschmack fluchend und ebbend Neues ans Ufer fördern werden,
immer wieder aus dem Borne vergangener Kunstperioden neuo
Quellen ableitend, aus ihnen Nahrung schöpfend. Es mag uns-
darum nicht bange werden mit der Frage: welchen Stil, welcho
Neuheiten wird die Zukunft in der Wohnungsdekoration und in
deren Objekten bringen? Ob auch Schulen und Künstler und
Professoren sich bemühen werden, Kunstrichtungen in eigene Bahnew
zu leiten — der Strom und dann die mächtige Meerfluth der-
selben wird ihren Weg unbehindert selbst gehen.

Eine ganz andere Frage ist nun die, inwieweit passen Alter--
 
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