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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 8.1918-1920

DOI Heft:
12. Heft
DOI Artikel:
Gessler, Eduard Achilles: Eine Armbrust aus der Westschweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.44570#0410

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390

E. A. GESSLER, EINE ARMBRUST AUS DER WESTSCHWEIZ

VIII. BAND

Eine Armbrust aus der Westschweiz
Von E. A. Geßler

Vollständig erhaltene Armbrüste aus dem
15. Jahrhundert sind nicht gerade häufig.
Dem schweizerischen Landesmuseum ge-
lang kürzlich die Erwerbung eines solchen Stückes.
Diese grofse Fufsarmbrust mit der dazugehörigen
Winde, einer sogenannten „englischen“ oder
Flaschenzugwinde, stammt aus der Westschweiz.


Ihr Bogen besteht aus Stahl und ist sehr
breit und dick, sodafs die Schufsweite eine wesent-
lich gröfsere gewesen sein mufs als bei unserer
gewöhnlichen Armbrust, die mittelst einer Zahn-
stangenwinde gespannt werden konnte. Der Bogen
ist schwach halbkreisförmig gewölbt und an den
Enden tnuschelartig aufwärts gebogen. Diese
Umbiegung diente zur Befestigung der originalen
Sehne, die aus Hanfschnurgeflecht zusammen-
gedreht ist. Die Verankerung des Bogens am
Schaft, der „Säule“, erfolgt durch eiserne Bügel-
schienen von langgestreckter Form;' oben sind
diese breit, damit sie über den Bogen geschoben
werden können. Nach aufsen zeigen sie einen
dreikantigen Querschnitt und enden unten in

eine eisengeschnittene Eichel. Die Befestigung der
beiden Bügel mit dem Bogen erfolgt mittelst eines
durchgesteckten eisernen ^Querknebels, der mit
Eisenkeilen festgehalten wird. Diese solide Ver-
ankerung, die dem stärksten Druck des Bogens
gewachsen ist, hält zugleich den über die Säule
hervorstehenden Fufstrittbügel. Dieser dient dazu,
die Armbrust mit dem dareingesteckten Fufs beim
Spannen festzuhalten; er weist einen achteckigen
Querschnitt auf und endet in zwei eisengeschnittene
Eicheln.
Die Säule aus Birnbaumholz ist leicht ge-
schwungen und von achteckigem Querschnitt.
Am Ende befindet sich eine eiserne Kappe zum
Aufsetzen einer entsprechendenHülseamFlaschen-
zug der Winde. Die untere Hälfte der Säule
verläuft gerade; in der Mitte verbreitert sie sich
als Griff für die Hand des Schützen nach unten
und kann auch zum Auf legen der Waffe auf
eine Mauerbrüstung dienen. Bei der Verankerung
vorne ist die Säule halbmondförmig ausgeschnitten.
Beim Schlofs ist beidseitig ein eisernes ausge-
schnittenes Schlofsblech eingesetzt, das gegen
die Unterseite in lilien- und dreipafsförmige Ge-
stalt ausgeht. Die Oberseite ist mit einer Eisen-
schiene belegt; dieser Belag endet gegen den
Kolben zu in einer ausgeschnittenen und gravierten
Eichel und bildet zugleich die Einrahmung der
eisernen „Nufs“, in welche die gespannte Sehne
einzugreifen hat und durch die sie festgehalten
wird. Die Bolzenrinne am Vorderteil der Säule ist
schwach aufwärts gerichtet und je nach der Griff-
nahme des Kolbens nicht nur zum Flachbahn-,
sondern auch zum Bogenschufs verwendbar. Der
Abzugmechanismus besteht aus dem eisenge-
schnittenen Abzugbügel; er ist rechtwinklig ab-
gebogen und greift im Innern der Säule in die
Nufs ein, die dadurch bewirkte Drehung der Nufs
läfst die Sehne losschnellen. Die Mitte des Bügels
ist schraubenzieherartig gedreht, das Ende ist im
rechten Winkel seitlich abgebogen und schliefst
mit einer Eichel ab. Ein Stellhebel beim Abzug-
bügel dient als Sicherung des Abzugs.
Auf der Rückseite des Bogens befinden sich
doppelt ineinander geschlagene Meistermarken;
diese stellen eine Armbrust und einen quer darunter
liegenden Bolzen dar und eine gleiche kupferver-
goldete Marke ist auf dem Belag hinter der
Nufs angebracht.
 
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