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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Luthmer, Ferdinand: Ein Wort über architektonische und mobile Dekoration
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Seite 8H.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Iuni-Hesl.

orl über architektonische, und mobile

von Prof. F. Luthmer, Frankfurt a. Ist.

enn wir eine wohleingerichtete Heimstätte als ein geschlossenes
Kunstwerk betrachten, so werden uns immer die Mittel,
durch welche dasselbe zur Vollendung gebracht, die Ma-
terialien gleichsam, daraus es gebildet ist, in erster Linie interessiren.
Und wenn wir den Blick über Decken und Münde, Möbel und Bilder,
Nippessachen und Stoffe gleiten lassen, so wird uns bald einleuchten,
daß sich diese Elemente, aus denen sich das Ganze des Dekorations-
werks zusammensetzt, in
zwei große Gruppen zer-
legen lassen: in solche Be-
standtheile, welche mit dem
Baumaterials Zusammen-
hängen und ohne Substanz-
Störung nicht von ihm ent-
fernt werden können, und
in solche, die an sich eine
selbständige Existenz füh-
rend, unseren Innenräu-
men als schmückendes Ele-
ment lose eingefügt sind.

Wählen wir für diese bei-
den Gruppen die Namen:
architektonische und
mobile Dekoration.

Die architektonische De-
koration hat einen aufs
Aeußere gerichteten Karak-
ter, die mobile einen aus-
gesprochen intimen. Die
erstere findet ihre Haupt-
verwerthung an der äuße-
ren Fassade des Hauses,
sie ist es, die unsere Städte
schmückt, unseren Straßen
ihren Karakter verleiht.

Bekanntlich befinden wir
uns in dieser letzteren Hin-
sicht in einem ausgespro-
chenen Gegensatz zu den
Völkern der alten Welt,
zum Theil noch zu den
heutigen Bewohnern des
Orients. Das pompeja-
nische Haus zeigte, wie noch
heute das Familienhaus in
Smyrna, Tunis re., der
Straße nur schmucklose,
kaum von Austern durch-
brochene Flächen; nichts
von jenem Fassadenprunk,
durch welchen wir heute un-
serer Mitmenschen Freude
oder Neid erregen wollen.

Der Reichthum der archi-
tektonischen Dekoration entfaltete sich dort nach innen, er schmückte die
Hosanlagen mit umlausenden Säulenhallen, die Gärtchen mit Nischen
und monumentalen Brunnen. Kein Zweifel, daß den Bewohnern dieser
Räume der dekorative Aufwand mehr zu Gute kam, als es nach
unserem System der Fall ist, wenn wir auch denselben nicht auf die
Fassade unseres Hauses beschränken, sondern mit ihm den eintretenden
Gast in alle diejenigen Räume begleiten, die man als halb-öffentliche
bezeichnen kann: das Treppenhaus, etwa ein überdeckter Hof, das
Vestibül, der Vorplatz. Je mehr wir uns den für das intime Leben
der Familie vorbehaltenen Räumen nähern, um so mehr tritt die archi-
tektonische Dekoration zurück, um der mobilen das Feld einzuräumen.
Hat man als die wünschenswertheste Eigenschaft einer wohldurchdachten

Innen-Dekoration mit vollem Recht ihr individuelles Gepräge, ihre
Anpassung an die Persönlichkeit der Bewohner bezeichnet, so ist klar,
daß die mit dem Hause fest verbundene architektonische Dekoration diesen
Vorzug nur im Eigenhaus zur Geltung bringen kann. Im Mieth-
hause, dessen Bewohner der Erbauer nicht voraussehen kann, in dem
dieselben sogar in manchmal recht kurzen Zwischenräumen wechseln,
kann von solcher Anpassung nicht die Rede sein. Hier muß vielmehr

die architektonische Deko-
ration einen ganz allge-
meinen Karakter tragen,
der kaum im Stande ist,
dem dekorirenden Künstler
interessante Aufgaben zu
stellen, und schon von diesem
Gesichtspunkte aus muß
die Einführung selbst be-
scheidener Eigenhäuser ge-
genüber unseren protzigen
Miethspalästen als wün-
schenswert!) bezeichnet wer-
den. — Anders steht es in
dieser Hinsicht mit der
mobilen Dekoration, welche
der Bewohner mitbrinqt.
Diese ist so recht geeignet,
auch dem karakterlosesten
Raum das Gepräge eines
individuell gefärbten Heims
zu geben. Nicht blos die
nüchternen Räume eines
Nkiethsquartiers erhalten
durch die Nlöbel, die Kunst-
werke, die Sammlungs-
stücke, welche der Bewohner
in ihnen mit künstlerischem
Sinne vertheilt, dieses Ge-
präge —- wie oft haben
wir auch gesehen, wie sich
öde Hallen von Reitbahnen,
Orangerien u. dgl. unter
der Hand eines geschickten
Dekoratörs zu prunkenden
Repräsentations - Räumen,
heiter-prächtigen Festsälen
umgewandelt haben!

Unterziehen wir die
beiden mehrfach bezeich-
neten Gruppen einer kurzen
Betrachtung im Einzelnen,
so finden wir als denje-
nigen Ort, an welchem die
architektonische Dekoration
zur vollen Entfaltung
kommt, die Wand. Aber
auch Fußboden und Decke spielen hierbei die ihnen bestimmt zugewiesene
Rolle: der Fußboden als der ruhige Unter- und Vordergrund'für das
Bild des Innenraumes, die Decke als diejenige Stelle, welche vom Blick
des Beschauers am ersten getroffen wird wir möchten für diese letztere
Bezeichnung an die Erfahrung eines Jeden appelliren, der als kunst-
verständiger Bejucher in das Innere eines Schlosses, einer Kirche ein-
tritt. Der Beginn der Decke, da wo sie in die Wand übergeht, ist die
stelle, welche das Auge unwillkürlich zuerst aussucht — daher auch
diese von der Dekoration am meisten bevorzugt wird.

Der Fußboden hat, wie gesagt, seine Hauptbedeutung als ruhiger
Vordergrund des Dekorationsbildes, welches unser Auge umfaßt: eine
Helle lbonung desselben wird daher schon aus dem Grunde meist zu

Abbildung ssq> Vestibül dep Banst sich Handel und Industrie zu Berlin.

von den Architekten Ende und Boeckmann.
 
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