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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

DOI Artikel:
Bucher, Bruno: Stilvolle Wohnungs-Einrichtung
DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [14]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0148

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Seite (26.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn en - D eko r ation".

September-Heft.

Architekten und Dekoratöre sich wirklich einbürgern ließen, die, wie
jene Dichter, hart neben das Erhabene und Empfundene das hohle
Pathos und die Ziererei stellen und damit selbst verschulden, daß auch
das Beste angezweiselt wird. So war es wieder nur naturgemäß,
daß auch das vervehmte Rokoko
aus dem Versteck hervorgeholt
wurde, und daß Diejenigen, welche
sich zum offenen Abfall von ihren
alten Lehrmeinungen nicht ent-
schließen mochten, gegen den leicht-
fertigen Stil des Regenten von
Orleans und Ludwig's XV., des
ehrbareren Ludwig's XVI. und
endlich abermals den Klassizismus
ausspielten.

So wäre denn der Kreislauf
vollendet. Wir wären wieder an-
gelangt bei der unverstandenen
Kopie des antiken Wesens, gegen
die sich zu Anfang des Jahrhun-
derts die Romantik mit einer nicht
verständnißvollen Nachahmung der
mittelalterlichen Kunst auslehnte
und die man vor kaum drei Jahr-
zehnten endlich überwunden zu
haben meinte. Wird nun die Kopie
der Kopie besser ausfallen? Und
wenn die Samenkörner, die nicht
in piramiden oder Kolumbarien,
sondern auf Friedhöfen um die
Ruhestätten der Jacques, Louis
David, Soufflot, Eanova usw. ge-
sammelt worden sind, sich nicht
keimfähig zeigen — was dann?

Soll von vorne begonnen werden?

Doch nein! Wir vergessen, daß ein neues Element an's Tages-
licht getreten ist. Nit eindringlichem Eifer wird uns empfohlen, unsere
Vorbilder weder in Griechenland und Rom, noch in Florenz und Nürn-
berg, noch in Paris und Köln, oder wohin wir uns sonst zu wenden

Abbildung Nr. 22H. Wvan?östfche Wrdevtapete, Mitte ;s. Iahrh.

pflegten, zu suchen, sondern in Japan. Nachdem so oft gelehrt wurde,
den Urenkeln müsse das maßgebend sein, was die Altvordern für sich
ersonnen haben, sollten wir uns nunmehr den Gebräuchen einer völlig,
fremden Kulter zu fügen haben! Diesmal aber ist das Mißverhältnis

so auffallend, daß wir vielleicht
hoffen dürfen, nicht nur vor dev
Node japanischer Wohnungsein-
richtung bewahrt zu werden, son-
dern sogar den Anstoß zur Umkehv
zu erhalten. Denn lernen können
wir von dem merkwürdigen Volke
allerdings noch mehr als das liebe-
volle Eingehen auf die Natur unk
die unendliche Sorgfalt und Sauber-
keit in der Arbeit; sie zeigen uns
auch, was der Durchschnitts-Euro-
päer vergessen hat, daß Einricht-
ung und Zier der Wohnung, daß
der Hausrath zur Bequemlichkeit
und zum Genüsse des Bewohners
da ist, daher seiner Art, seinen
Beschäftigungen, Bedürfnissen und
Gewohnheiten angepaßt werden
muß. Er soll sich in der Umge-
bung behaglich fühlen; was ihm
dienlich, zweckmäßig, zusagend ist,
gehört dahin, nicht, was andere
Völker oder andere Personen etwa
angemessen finden.

Die Ketzerrichter in der Archi-
tektur, welche über ein neues Bau-
werk schonungslos den Stab bra-
chen, wenn sie in demselben neben-
einander Formen von (H80 und
von lo(0 entdeckten, sind in dem-
selben Naß um ihr Ansehen gekommen, wie die Welt sich gewöhnte, alte
Bauten aufmerksamen Auges zu betrachten und zu bemerken, daß an
solchen überall noch viel weiter auseinanderliegende Formen sich brüder-
lich vertragen. Natürlich; denn wie oft vergingen Nenschenalter, auch

ern

nungs

üeal.

Von Albert Hofmann-Reichenberg.

(Fortsetzung und Schluß.)

ist nicht das in aller Stille und Zurückgezogenheit verlebte
traute Familienleben die köstlichste Frucht unserer gesell-
schaftlichen Verhältnisse?

Nirgends drängt die Poesie der Natur so unmittelbar, mit
solcher Ursprünglichkeit und Lebhaftigkeit zur Nenschenseele als im
belebten Garten. Zu allen Zeiten zeigt der Garten sein besonderes
Schauspiel, selbst im Winter. Edmond de Goncourt beschreibt uns
in seinem Hausgarten, der ihm besonders ans Herz gewachsen war
und in welchem er eine Reihe orientalischer Gewächse zog, eine gelbe
Iasminart, welche während des ganzen Dezembers blühte. Eine Art
Heidekraut öffnet seine Blüthen im Nonat Januar und ein Gaisblatt
setzt seine Blüthen bereits in der feuchten Luft des Februar an. Ist
dann der Februar in seinen letzten Tagen schon mild und sonnig und
sind die ersten Tage des März nicht zu rauh, so wecken sie bereits
den herrlichen Schlag des Edelfinken. Dann beginnt das Bild der
Singvögel, das leidenschaftliche Buhlen und Kämpfen um das Weib-
chen, dann erhalten der park und Garten Lebendigkeit. Als einer
der ersten schmettert der Edelfinke seinen Frühlingsgruß von einem
starken Baumast, dessen Blätter nur noch erst zu Knospen angesetzt
haben, in die laue Frühlingsluft, prächtig ist sein neues Frühlings-
kleid anzuschauen, die weißen Schnäbel schlagen im Kampfe hart an-
einander, in glänzenden Farben schillert der in Kampfeslust ausein-
andergeschlagene Flügel. — Dann kommt der April. Das Gehölz,
die Zweige und Aeste, die bisher todt schienen, treiben Knospen und

Blüthen, die Kätzchen der Haselnuß, die Knospen des Stachelbeer-
baumes, sowie die Frühblumen der Gartenbeete springen auf, überall
knospt es und sprießt. Überall neues Leben und neue Lust. Dann duldet
es uns nicht mehr im Hause, der Garten hält uns zurück und nimmt
uns ganz gefangen. Die Zeit neigt sich nun gegen Ende April.
Die Sonne wird wärmer und wärmer. Dann rauschen die Quellen
und die Wiesen färben sich grüner, dann hören wir in dem Edel-
finkenschlag die wonnige, winterverscheuchende Melodie unseres un-
vergeßlichen Hölty:

„Der Schnee zerrinnt, der Mai beginnt,

„Und Blüthen keimen auf Gartenbäumen,

„Und Vogelschall tönt überall."

Am nahen Bachufer, auf den silberfarbigen Zweigen der Weiden-
bäume lockt der Weidenzeisig, die Kehle gen Himmel gerichtet unk
läßt sein einziges Frühlingsliedchen erschallen. „Wie die weißen
Wölkchen der Zephyr leise im Aether vor sich hertreibt, so strömt
über das feierliche Idyll der Umgebung der Naihauch des sanften
Bildchens dahin, wie ein Schalmeichen der blauen Himmelsweide da.
droben. Alle selige Lust der jungen Natur trägt sich und wiegt sich
und säuselt auf den zarten Wellen der Strophe. Eine kleine Grazie,
nicht viel größer wie ein Weidenblatt, schwebst du bienenumsummt
von Zweig zu Zweig, und nun strömt dein Gesang wipfelhernieder
mit seinem Diminuendo, als wollte er alles Glück und alle Freude
der Seele mit einem Male auspipsen. Welch seliger Jubel, welch
hinsterbendes Entzücken I" (Müller.) Aus dem hohen Kastanienbaume
erklingt jetzt das Lied des Baumrothschwänzchens, leises Gezwitscher
tönt aus den grünen Bäumen des Stachelbeerstrauchs. Ueberall Leben
und Bewegung, Frohlocken und Jauchzen. Der Mai ist gekommen
und mit ihm die ganze Blüthenwelt der Bäume, Sträucher unk
 
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