Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Liebermann- und Slevogt-Premiere: im Verlag Bruno Cassirer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0275

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ANDRE DERAIN, ROSEN

AUSGESTELLT IN DER STILLEBEN AUSSTELLUNG IN DEN REINHARDT
GALLERIES, NEW YORK. MIT ERLAUBNIS DER D. D. A.

EMIL OTHON FRIESZ, BALKON ÜBER DEM HAFEN

AUSGESTELLT IN DER BRUMMER GALLERV, INC.
MIT ERLAUBNIS DER D. D. A.

LIEBERMANN- UND SLEVOGT-PREMIERE

IM VERLAG BRUNO CAS SIR ER

\Teue Bilder von Liebermann und Slevogt sind im Kunst-
~ leben etwa das, was früher Ibsen- und Hauptmannpre-
mieren im Theater waren. Oder sie sollten es doch sein.
Die kleine Ausstellung in den Gartenräumen des Verlages
Bruno Cassirer hat darum ihr besonderes Gewicht. Sie über-
rascht — selbst den Wissenden — durch ihren Glanz, durch
ihre Heiterkeit und stille Pracht. Einige schöne Bronzen
von Georg Kolbe und ein noch nie gezeigtes Bild von Ma-
net, die „Rue de Berne", tragen zu diesem Gesamteindruck
das ihre bei.

Liebermanns neue Gartenlandschaften leuchten in son-
niger Farbigkeit: der raumtiefe „Park", das reiche, fast
prächtige „Gartenparterre" und die im schönsten goldigen
Gesamtton blühende „Allee". Ein im besten Sinn geistvoll
gemalter, altmeisterlich-junger Frauenkopf und kleinere
Gartenbilder kommen hinzu. Ist dies nun der Liebermann,
der, als er vor sechzig Jahren begann, der „Apostel der
Häßlichkeit" genannt wurde? Der den Zeitgenossen wie ein
alles vernichtender Anarchist erschien? Doch, es ist derselbe.
In diesen Bildern ist die abendliche Glut eines langen

Meisterlebens, es ist darin die Freudigkeit des Alters, die
für jeden neuen Tag dankbar ist. Die Jugend kann unbarm-
herzig sein: sie hat die lange Zeit vor sich; das Alter verklärt
sich selber die Welt. Diese Verklärung ist in Liebermanns
Gartenlandschaften. In der Jugend malte er das graue Wetter;
im Alter malt er die Sonne. Irgendwie denkt man an Mo-
net, dem Stammvater solcher in Licht und Farbe vibrieren-
den Landschaftskunst. Vor dem Frauenkopf aber denkt
man, nur um zu vergleichen, von fern an Courbet. Eine
solche riesige Spannweite hat Liebermanns Kunst noch
heute.

Slevogt ist eine ganz andere Persönlichkeit und doch
wie aus derselben Schule. Man versuche beider Bilder aus
der imaginären Entfernung von hundert Jahren zu sehen,
dann wird man die Zeitverwandtschaft trotz aller Verschieden-
heit verstehen. Am persönlichsten erscheint Slevogt in dem
mit dem Pinsel kraus gezeichneten, geistig charakteri-
sierten Selbstbildnis, in den funkelnden kleinen Aquarellen
und Zeichnungen, in den beiden, bei allem künstlerischeil
Ernst unendlich gefälligen Blumenstilleben, in dem nur so

251
 
Annotationen