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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 9
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Lose Blätter zur Geschichte der vervielfältigenden Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0404

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369

Lose Blätter zur Geschichte der vervielfältigenden Künste.
Unter Benützung der einschlägigen Litteratur bearbeitet
von Hugo Helbing.
III.
Die Wiener Ansichten von Schütz, Ziegler und Janscha.

Dem Zusammenwirken dreier Künstler ver-
danken wir eine unvergleichlich schöne Folge von
Blättern, auf denen uns das Wien des letzten Drittels
des achtzehnten Jahrhunderts mit seinen merk-
würdigsten Gebäuden, seinem Leben und Treiben,
sowie den landschaftlichen Schönheiten seiner Um-
gebungen auf das Meisterhafteste überliefert ist.
Zunächst war es Karl Schütz, Kupferstecher,
Zeichner und Architekt, der um das Jahr 1779
begann, vor allem die Architektur Wiens in Ansichten,
um mit der Zeit zu reden, Prospekten, zu publi-
zieren. Er wendete die damals so beliebte Aberli’sche
Manier, d.h. den illuminierten Kupferstich, an. Schütz1)
war am 2. November 1745 zu Laibach geboren.
Seine künstlerische Ausbildung erhielt er an der
Wiener Kunstakademie, wo er sich, dank seiner
grossen Begabung, in den verschiedenartigsten
Richtungen, im Zeichnen, Stechen, in der historischen
Komposition und auf landschaftlichem Gebiete mit
Erfolg versuchte. Am trefflichsten zeigte er sich
indessen im Zeichnen von Architekturen, in der
Radierung und im Kupferstich. Wurzbach giebt aus-
führliche Mitteilungen über die Arbeiten dieses
Künstlers; uns interessieren hier nur die Wiener
Ansichten. Nähere Beschreibung derselben folgt
unten; zunächst sei der Werdegang des Unter-
nehmens geschildert.
Als vielbeschäftigter Mann konnte Schütz nicht
lange seine Kraft der Fortsetzung der begonnenen
Serie widmen, weshalb er sich mit Johann
Ziegler2) verband, einem gleichfalls verdienten Maler,
Zeichner und Kupferstecher, der (in Meiningen?)
um das Jahr 1750 geboren war und seine künst-
lerische Ausbildung gleichfalls an der Wiener Kunst-
akademie empfangen hatte.
Wie Schütz die architektonischen Sehenswürdig-
keiten Wiens abgebildet hatte, so übernahm bei der
jetzt erfolgenden Arbeitsteilung Ziegler die Dar-
stellung der schönsten landschaftlichen Motive aus
den Umgebungen Wiens, die er, ganz den Inten-
tionen seines Mitarbeiters folgend, mit reizenden
Kostümfiguren auf das Anmutigste zu beleben
wusste. Es sei gleich hier erwähnt, dass die zahl-
reichen Kostümgruppen mit Darstellungen aus dem
') Ueber ihn vergl. H. A. Lier in der Allgem. Deutschen Biographie
Bd. XXXIII S. 132. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums
Oesterreich. Band XXXII S. 131 ff. Bodenstein, Hundert Jahre Kunst-
geschichte Wiens 1788 -1888. Wien 1888. S. 177—178.
2) Ueber ihn vergl. H. A. Lier in der Allg. Deutsch. Biogr.
Bd. XLV S. 183. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums
Oesterreich. Bd. LX S. 52.

Leben aller Stände, von prunkvollen Aufzügen des
Hofes, den Exerzitien des Militärs bis zu den ein-
fachen Beschäftigungen der ländlichen Bevölkerung
vor den Thoren der Stadt der Hauptreiz der Blätter
dieser Folge sind und ihnen bei Mit- und Nachwelt
eine ausserordentliche Wertschätzung und eine Be-
vorzugung vor den sehr zahlreichen sonstigen
Wiener Ansichten derselben Zeit verschafft haben.3 *)
Nicht nur der Viennensien-Sammler, sondern weiteste
Kreise suchen diese Blätter, sei es, dass sie den
kulturhistorischen Wert schätzen oder vom rein
künstlerischen Standpunkt aus urteilen oder aber sie
als Zierde ihres Heims, als Schmuck ihrer Interieurs
verwenden, wie dies besonders in Wien und Nieder-
österreich in vornehmen Häusern mit grosser Vor-
liebe geschieht.
In den quantitativ wenigen Blättern, welche
Schütz beisteuerte, haben wir den ganzen, ge-
wandten, gründlichen und fleissigen Künstler, der
die Architektur mit unermüdlicher Akkuratesse aus-
führte und dabei jede einzelne Figur der das Bild
belebenden Staffage mit der ungezwungenen Grazie
eines Chodowiecki hinzustellen wusste. Besonders
die beiden Blätter: „Die Ansicht von Wien und
eines grossen Teiles der Vorstädte, von Belvedere
aufgenommen“ und „Die Peterskirche“ werden
zu den vorzüglichsten Arbeiten des Künstlers ge-
rechnet, ja mit Recht als seine Hauptblätter be-
zeichnet. Schütz starb, bereits von seinen Zeit-
genossen geschätzt, am 14. März 1800.
Auch Ziegler hat nur Blätter geliefert, die
durchaus charakteristisch für sein Können sind. Sie
zeugen von grossem landschaftlichem Talent und
geschickter Auffassung der malerischen Reize auch
der einfachsten Gegenden. Er stach äusser den
hier zu verzeichnenden Ansichten aus der Um-
gebung Wiens noch andere grosse Blätter nach
eigenen Zeichnungen sowohl als auch nach fremden
Vorlagen. Sein schaffensreiches Leben beschloss
Ziegler um das Jahr 1812. Er war ein fleissiger
Künstler, eifriger Freimaurer und heiteren Tem-
peraments, doch scheint er, wie aus Briefen hervor-
geht, nicht in sehr glänzenden Verhältnissen gelebt
zu haben.
•5) Einen Ueberblick über die Preise, zu denen die Blätter dieser
Folge heute im Kunstantiquariat gewertet werden, g.be ich in der Nr. 10
der Folia Helbingiana.
 
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