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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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8. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [5]
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98

3§)ie Hi cn des Jterrn üon J©renlj lausen.
Von Klaus Rittland (Elisabeth Heinroth),

[Fortsetzung.]
anny plauderte jetzt mehr, wie ihr der Schnabel gewachsen war,
bemühte sich auch nicht länger, den feinen norddeutschen
Akzent nachzumachen, sondern gab sich als munteres Würz-
burger Mädel. Das stand ihr sehr viel besser.
Und im Gemüte der Frau von Schönwald trat eine leise Wandlung
ein. Man nannte Annelise gut, edel, selbstlos. Aber schließlich war
sie doch nur ein sehr menschliches Menschenkind — ein Weib ohne
Engelflügel.
Sie war mit Feindschaft der Frau gegenübergetreten, die ihr das
einzige Glück ihres freudlosen Lebens genommen hatte. Sie sah des
Freundes forschenden Blick, fühlte, wie er ihren Beifall ersehnte, und
hatte sich vorgenommen, ihn unter freundlichen Worten herausmerken
zu lassen, wie sehr seine Wahl ihn in ihren Augen herabsetzte.
Nun aber erging es ihr, wie es den meisten Menschen mit dem
Fanneri erging. Der Sonnenstrahl dieser blühenden, morgenfrischen
Schönheit, dieser treuherzigen Art fiel auch in ihr wundes Herz hinein.
Sie fing an — fast wider Willen —, den Freund zu begreifen. Sie
ahnte das Glück, das er im Besitze dieses jungen Geschöpfes finden
mochte, und nahm sich vor, ihm keinen bitteren Tropfen in seinen
Freudenbecher zu gießen.
Ein wenig — ein ganz klein wenig wirkte wohl noch im Unter-
bewußtsein etwas anderes mit, sie milde zu stimmen: Fannys Einfachheit,
das Niveau des schlichten, von raffinierter Geistesbildung nicht beein-
flußten Bürgermädels, auf dem sie stand.
Annelise ahnte, daß der Freund nicht alles, was er brauchte, in
dieser schönen Frau finden würde, nicht alles — — —
Als Brenkhusens das stille Gartenhaus verlassen hatten, fühlte Anne-
lise sich nicht ganz so elend mehr als vorher. Diese Stunde war weniger
qualvoll gewesen, als sie erwartet. Irgend etwas in ihrer Seele hatte
sich geglättet, geordnet — —
Fanny sprach sich sehr befriedigt über den Besuch aus. „Du, Schatz],
aber aufpassen werd’ ich doch,“ meinte sie übermütig, als sie an diesem
Abend zur Ruhe gingen, „daß du keinen Rückfall in die innige Freund-
schaft kriegst. Die Frau, wann’s auch schon ältlich ist, die hat so was
Apartes. — — — Gelt, du hast doch mit ihr was gehabt, gesteh's nur?“
Und da er unwillig abwehrte: „Ich mein’ halt nur so: eine Flirtation,
wie’s die feine Leut’ nennen. Na, ich nehm’ dir’s ja nachträglich nicht
mehr übel. Was vorbei ist, soll der Mensch ruhen lassen. Aber jetzt —
gelt, Liebster, jetzt gehörst du doch ganz mir allein?“ Sie setzte sich
auf sein Knie und nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände. „Du, ich
kann eifersüchtig werden, eifersüchtig wie ein — jetzt, wie heißt doch
gleich der Schwarze im Theater, wo seine Frau im Bett erwürgt? Richtig,
wie ein Othello — eine Othellal“ Laut lachte sie über ihren eignen
Scherz und preßte seinen Kopf gegen ihre Brust. Er fühlte die Wärme
ihrer Haut durch die Spitzen des Unterkleides hindurch. Und der süße
Rausch umfing ihn wieder, der ihn alles andere vergessen ließ.
VIII.
Brenkhusen saß am Schreibtisch über einer schwierigen Arbeit.
Der Oberpräsident machte es sich manchmal sehr leicht. Er war ein
ostelbischer Junker, ein kluger Kopf, oben sehr gut angeschrieben, aber
kein Arbeitspferd. Er gab seine Verfügungen sehr kurz, sehr summarisch
und ließ dem redaktionellen Geschick tüchtiger Oberpräsidialräte einen
weiten Spielraum, dabei immer die Zügel fest in der Hand haltend. Die
andern Beamten seufzten oft über ihn.
Brenkhusen verstand seine Art und wurde von ihm als hervorragende
Kraft geschätzt. Ein Arbeitsfanatiker war freilich auch er nicht — —
keiner, der im preußischen Verwaltungsdienste ganz aufging. Dazu griff
viel zu sehr von allen Seiten das Leben nach ihm, das bunte, reiche,
unendlich mannigfaltige, das Geistesleben mehr als das praktische. Er
war ein Grübler und stiller Genießer, schwärmerisch veranlagt, aber der

Copyright 1913 by Rieh. Bong.
klare, ruhige Verstand des Niedersachsen bildete ein gesundes Gegen-
gewicht und bewahrte seinem Auge den Blick für die realen Verhältnisse.
Ohne seine Person je in den Vordergrund zu drängen, war Curt Brenk-
husen doch von starkem heimlichen Ehrgeize beseelt und stellte hohe
Anforderungen an seine Leistungen.
Und es machte ihm Freude, wenn er das bekannte beifällige
Schmunzeln in dem breiten Gesicht seines Chefs bemerkte. „Das haben
Sie mal wieder haarscharf erfaßt, lieber Brenkhusen. Genau so, wie
ich’s meinte.“
Heute fand er einige Schwierigkeiten darin, für die Absichten seines
Chefs die richtige Form zu finden.
In Nachdenken versunken saß er schon seit geraumer Zeit.
Da fuhr er auf.
Die Tür knallte. Und Fanny stand vor ihm. „Uijeb, wie er zu-
sammenfahrt, der schwachnervige Mann!“ — Sie lachte.
Und er wandte sich um, ein wenig kühl.
„Nun, was willst du, mein Kind?“
Er hatte es ihr schon manchmal zu verstehen gegeben, daß diese
geräuschvolle Art ihm peinlich auf die Nerven fiel. Aber sie Wollte das
nicht begreifen. Herrn Alois Wurzler hatte es nie bei seiner Berufs-
arbeit gestört, wenn ringsumher die Türen knallten und die Familie den
Äußerungen ihrer jeweiligen Gemütsverfassung zwanglos den Zügel
schießen ließ!
„Gehst mit auf die Georgstraße?“ fragte Fanny, freundlich näher-
tretend und sich auf die Seitenlehne seines Armstuhls setzend — so
viel von ihrer stattlichen Persönlichkeit darauf Platz hatte. „Es ist Musik.“
Er verneinte. „Ich habe noch zu tun.“
„Heut, am Sonntag?“ murrte sie.
„Übrigens, Kind,“ fuhr er fort, „du mußt heut auch zu Hause bleiben.
Es werden viele Gegenbesuche kommen.“
Sie runzelte die Stirn. „Wegen dene Leut’ daheimbleiben? •— Wo
sie sich doch vor uns haben verleugnen lassen?“ —
Aber dann fügte sie sich, ein wenig verdrießlich.
Gern hätte sie noch eine Toilettenfrage mit ihrem Mann erörtert,
aber er bat sie in dem höflich bestimmten Tone, dem sie selten wider-
sprach, ihn jetzt allein zu lassen.
Schade, jetzt hatte er ganz den Faden verloren.
Dann aber lächelte er vor sich hin.
Das Fanneri konnte es der hannoverschen Gesellschaft noch immer
nicht verzeihen, daß nicht jeder das Bedürfnis gefühlt hatte, der jungen
Frau einen freundlichen Willkomm zu bieten und ein gemütliches
Schwätzchen mit ihr zu machen.
Eigentlich etwas Erfrischendes, diese natürliche Art, mit der Fanny
sich den Ungereimtheiten der Konvention gegenüberstellte.
„Was? — Nicht zu sprechen?“ hatte sie entrüstet gefragt, als bei
der großen Visitentour der Lohndiener aus dem ersten Hause, in das er
die Karten getragen hatte, mit dem üblichen Bescheid zurückkam und
wieder auf seinen Bocksitz stieg. „Jetzt, das nenn’ ich aber unfreund-
lich. Nicht zu sprechen, wenn ein Kollege ihn mit seiner jungen Frau
besucht?“
Und Brenkhusens Erklärung, daß es ihnen bei den meisten Familien
so gehen würde, daß es keine Grobheit, sondern eine Rücksicht wäre,
die Leute nicht aus dem Wagen steigen zu lassen, befriedigte sie durch-
aus nicht.
„Zu dumm komm’ ich mir vor“, meinte sie lachend, als sie bereits
ein Dutzend Familien erledigt hatten, ohne noch ein einziges mensch-
liches Wesen, außer dem ewigen steifen Lohndiener, gesprochen zu
haben. „Wie die Affen sitzt man da im Wagen, schön aufgeputzt, und
läßt sich herumkarren.“
Beim Oberpräsidenten wurden sie angenommen, zu Fannys Befrie-
digung. Entflieh lebendige Menschen, denen man die fesche lila Besuchs-
 
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