Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 2.1920/​1921

DOI Artikel:
Kyser, Hans: Dauthendeys Heimfahrt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41961#0373

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DAUTHENDEYS HEIMFAHRT

HANS KYSER

So sah ich deine Heimfahrt dir gerüstet:
Gleich einem grauen Schiffsleib, der gespenstisch
im spiegelstillen Meer des Himmels schwankte
vor Ungeduld, sammelte sich Gewölk
hoch über Würzburgs Hügeln: ;s schien ein Wrack,
das steuerlos nach ausgeduldeter Irrfahrt
mit sturmzerrissenem Rumpf, gestürzten Mastes
zum Hafen trieb. Da, kaum erfaßt vom würzigen
Strudel der Heimatlüfte, treibt und knospet
das morsche Holz, aus lecken Fugen blühen
Glycinienglocken, ungezählte, Epheu
gürtet mit fester Fülle die gelösten
Planken, die Waldmoos, veilchenblau durchpunktet,
verschlieft, wetteifernd winden um die Borde
häusliche Blumen und der Flor der Triften
den sommerlichen Willkommkranz, geschäftig
klettert am Takelwerk die Rebe auf,
verknotet Taue, sproft und bindet neue,
und niederwärts, in sich versteckt im Laub,
nodi grün und herb, hängt Traube neben Traube.
Schwarzwälder Tannen, sehnsuchtssteil gereckt,
wachsen zu Masten, weihnachtlichen Himmels
rührende Sterne nisten im Gezweig
auf Polstern wolkigen Schnees, Engelgestalten,
und rufen schon mit zärtlichem Harfenschlag,
der nur wie Bachesmurmeln raunt und flüstert,
vom Ackerrain, aus Waldgrunds Dämmerung,
die graue Nachtigall und Lerch und Amsel,
die holden Musen deiner süfen Lieder:
Ach, klagend, mit unersättlicher Sehnsucht
emporgewirbeltem Schrei, mit zerrissenem Schluchzen

348
 
Annotationen