Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

DOI Heft:
Nr. 10
DOI Artikel:
Widmer, Karl: Wohnhausbauten von Curjel & Moser
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0412
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WOHNHAUSBAUTEN VON CURJEL & MOSER

VON PROF. KARL WIDMER-KARLSRUHE

Die gesteigerten Ansprüche, die unsere Zeit an
die materiellen Seiten des häuslichen Komforts,
an die Bequemlichkeit, Gesundheit und Behaglichkeit
des Wohnens stellt, haben auf die künstlerische
Entwicklung des modernen Wohnhauses einen ent-
schiedenen Einfluss ausgeübt. Auch künstlerisch
ist der Grundsatz zweckentsprechender Sachlichkeit
zum leitenden Gedanken geworden, der die Haus-
baukunst wieder auf den sichern Weg eines gesun-
den und steten Fortschritts führte. In dieser
strengen Schule reifte die moderne Bewegung und
lernte gewisse Aeusserlichkeiten des absichtlichen
„Architekturmachens", das ihre ersten suchenden
Schritte noch begleitet hatte, überwinden. Die
künstlerischen Formen zeigen, je weiter die Be-
wegung in diesem Sinne fortschreitet, eine immer
massvollere, einfachere, natürlichere Haltung. Man
merkt auch der äussern Erscheinung der Häuser
an, wie der Gedanke an die Zweckmässigkeit der
innern Anlage dem Architekten in allem die Hand
geführt hat. Die Harmonie von Form und Inhalt,
die der Grundzug jeder gesunden Baukunst ist, gibt
auch dem modernen Bürgerhaus wieder eine eigene,
seinem innern Wesen entsprechende Physiognomie.
V Diese bis ins kleinste durchdachte und den
Wünschen und Bedürfnissen des Bewohners ange-
passte Zweckmässigkeit setzt gerade bei der vor-
nehmsten Aufgabe bürgerlicher Baukunst, beim
Eigen- und Einfamilienhaus einen persön-
lichen Verkehr des Architekten mit dem Bauherrn
voraus, der es ihm ermöglicht, sich in dessen
Lebensgewohnheiten und Eigenart einzuleben und
darauf beim Bauen mit aller Gründlichkeit einzu-
gehen. Für den Architekten selbst ist ein solcher
Verkehr eine unersetzliche Quelle fruchtbarer An-
regungen. Eine Reihe praktisch wertvoller Grund-
sätze ergibt sich daraus, die dem künstlerischen
Schaffen eine feste und sichere Richtschnur geben,
ohne deshalb die Bewegungsfreiheit im einzelnen
zu hemmen. Curjel & Moser (Mitarbeiter Gustav

Eckardt) haben in Süddeutschland und in der Schweiz
Einfamilienhäuser gebaut, die gewisse übereinstim-
mende Grundzüge als Resultate langjähriger Praxis
und reifer, im Gedankenaustausch mit dem Bauherrn
gewonnener Erfahrung zeigen. Beim innern Ein-
teilungsplan, mit dem schon der Totalcharakter
des Hauses gegeben ist, kehrt eine gemeinsame
Grundform wieder. Sie ist auf eine vom einfachsten
bis zum reichsten durchgeführte Behaglichkeit ge-
richtet und wechselt je nach den Bedingungen, wie
sie in der Individualität des Besitzers, in der ört-
lichen Beschaffenheit des Baugeländes und in den
aufgewandten Mitteln liegen. Für diese Grundform
ist die Geschlossenheit der Gesamtanlage
vor allem charakteristisch. Man sieht, wie diese
Geschlossenheit sich bei Curjel & Moser mit den
Jahren immer stärker ausgeprägt hat und denn auch
bei zuletzt ausgeführten Bauten wie der Villa Bau-
mann in Baden, der Villa Rudolph in Zürich, Weyer-
mann in Freiburg, Hoepfner in Karlsruhe am kon-
sequentesten durchgeführt ist. Darin stehen diese
neueren Wohnhäuser im stärksten Gegensatz zu
jenen burgenartigen Villen, wie sie von der Mitte
des vorigen Jahrhunderts ab jahrzehntelang Mode
gewesen sind. Einer falschen Romantik zuliebe
schuf man durch die Anlage zweckloser Türme,
unmotivierter Erker und andere Zutaten des Burgen-
und Schlösserstils unpraktische Grundrisse, welche
die Räume unnötig auseinanderrissen, mit Raum
und Material eine kostspielige und dabei unbequeme
Verschwendung trieben. Aber auch vom englischen
Landhaus, dem wir so wertvolle Anregungen in der
materiellen und künstlerischen Kultur des häus-
lichen Komforts zu verdanken haben, unterscheidet
sich das deutsche Einfamilienhaus durch eine
grössere Konzentration der Anlage. Sie zeigt sich
namentlich in der Behandlung des Wirtschaftstrakts.
Hier hat das englische Haus eine viel stärkere
Tendenz, die Küchenabteilung von den Wohnräumen
zu trennen und als einen besonderen Flügel zu
 
Annotationen