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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 9.1895

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Dincklage-Campe, Friedrich von: Diner der Generale am Neujahrstage
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Meier, Wilhelm: Marzipan: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.19627#0165

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MODERNE KUNST.

Gestalt des Kriegsministers, des Generals der Infanterie Bronsart von
Schellendorff. Der heitere Ausdruck seiner offenen Züge lässt nicht ahnen,
welche Sorgen ihm sein Beruf auflegt. Freilich — auf der Rednertribüne
im Reichstage, da erkennt der Zuhörer, welche Willenskraft und Energie
dem kriegs- und sieggewohnten Minister innewohnen, trotz des freund-
lichen Wesens.

Er ist in ein Gespräch verwickelt mit dem Chef des Militär-Cabinets,
dem General der Infanterie von Hahnke, dem weisen Leiter aller persön-
lichen Angelegenheiten in der Armee. Unter seiner Cabinetsleitung hat
sich im preussischen Heere unwiderstehlich das Bewusstsein eingebürgert,
dass kein Officier „kalt gestellt" wird, so lange er für die Armee noch
nutzbringend ist. Neben dem greisen Feldmarschall Blumenthal sitzt der
fast jugendlich frische, hofmännisch formgewandte und elegante Comman-
dirende in Posen — General der Infanterie von Seeckt und ihm gegen-
über der Wächter an des Reiches Grenzen, der unermüdliche thätige,
und von den Franzosen so sehr respectirte General der Cavallerie Graf
Haeseler. Er zeigt auch im Aeusseren die Willenskraft, die er in seinen
exorbitanten körperlichen Leistungen, in seiner nie rastenden Ausdauer
und Unternehmungslust an den Tag legt.

Ihm zur Rechten sitzt der Commandirende Admiral von der Goltz,
der Leiter der gesammten Macht des Reiches zu Wasser.

Im Vordergrunde unterhält sich der ehemalige Chef des Generalstabes,
Graf Waldcrsee, mit dem General von Kessler, Generalinspecteur des
Militär-Erziehungswesens. Den Commandirenden des Garde-Corps, General-
lieutenant von Winterfeldt, sehen wir aus der Tafelrunde durch seinen
weissen Bart hervorleuchten, und auch die Cavallerie - Inspecteure,
von Krosigk und der grosse Reiters- und Sportsmann von Rosenberg
fehlen nicht.

Im Vordergrunde aber erkennen wir den allverehrten Commandirenden
des Schlesischen Corps diesmal bei der friedlichen Beschäftigung der
Cigarrenprobe. Der Wirth selbst ist es, der seine besten Havanna's aus
dem Spinde hervorholte, — Sorten, die er nur so hervorragenden Gästen
bietet, wie sie heute in seinen Räumen vereint sind. .

Welchen von den hier versammelten Generalen einst ein Platz in der
Ruhmeshalle vorbehalten ist — nur die Geschichte kann das lehren. Der
Feldherr wird bekanntlieh erst im Felde erkannt.

Zum Siege werden alle ihre Truppen führen, wenn's einmal gegen den
Feind geht, — daran zweifelt Niemand!

—==— ip a t* z i p a n. —=^

Skizze von Wilhelm Meyer.

aver Wanderer war Bildhauer und stammte aus Kirchberg am schauungen und solcher Gesinnungsart in der grossen Welt nicht weiter

Oberrhein. Schon frühzeitig wurde sein Talent entdeckt, und kommen. Seine Arbeiten wurden nicht gekauft, mit Geschäftsleuten und

Meister Jakoby, der am Ulmer Münster arbeitete, übernahm Agenten verstand er nicht umzugehen, Bestellungen erhielt er nicht, und

seine Ausbildung. Als Xaver bei dem Meister nichts mehr zu lernen er wurde mit der Zeit so gründlich arm und kam so jämmerlich herab,

hatte, nahm er Abschied und ging nach Berlin. dass „Sein oder Nichtsein" für ihn kaum noch eine Frage war.

Die Leute in Kirchberg sagten damals: „Aus Xaver wird was. Wenn Zu jener Zeit war Paul Laporte in Berlin ein berühmter Conditor.
er einmal wiederkommt, ist er gross und berühmt." Indessen sie warten Er stammte aus dem Wallis, wo man vortreffliche Kuchen backt, ging
noch heute auf ihn, denn Xaver ist nicht wiedergekommen. dann nach Wien, heirathete dort seine niedliche Jenny und begründete
So lange das väterliche Erbtheil vorhielt, ging es ihm in Berlin vor- in Berlin sein Geschäft. Was Paul zu Ansehen und Ruhm brachte, war
trefflich. Er lernte vielerlei Leute kennen und hatte grosse Ideen. Aber weniger die Qualität seiner Zuckerwaaren, als die feine künstlerische Aus-
sie waren zu gross. Er hatte die unglaublichsten Einfälle. führung. Er legte Poesie auf die Torten, stellte aus eingemachten Früchten
„Die Bildhauerkunst", sagte er in seiner ungeschickten Sprechweise, wunderschöne Bouquets her und behandelte den Zucker so virtuos, dass
„kommt niemals recht vorwärts, weil sie sich mit lauter Kleinigkeiten damals jede Hochzeitstorte bei Laporte gekauft wurde,
abgiebt. Es ist immer dasselbe: Denkmäler, Statuen, Gruppen zu Zweien. Einmal kam sogar Lord Beresford, damals Botschafter in Berlin, in
Man muss in's Riesenhafte gehen." Er reiste einmal nach der Schweiz eigener Person, und bestellte einen englischen Hochzeitskuchen. Es sollte
und wollte die Stadt Glarus beschwatzen, dass sie ihm eine der hohen das ein Kunstwerk werden: oben Gott Amor und rings umher ein Dutzend
Felswände am Glärnisch zu künstlerischen Zwecken überlassen sollte. Er kleine Liebesgötter. „Einer solchen Aufgabe", sagte sich Paul, „bist du
wollte da in beträchtlicher Höhe den Prometheus als riesenhafte Figur als Conditor und einfacher Mann nicht gewachsen, hier muss ein Künstler
aus dem Felsen herausmeisseln und versprach sich davon eine grosse in Action treten."

Wirkung. Die Leute in Glarus hatten aber keinerlei Lust, denn sie sollten Vom Stammtisch bei Siechen her war er mit Karl Heinrich Dreifuss

die Sache bezahlen und hatten eine leise Ahnung, dass der Prometheus bekannt, der damals weder reich noch berühmt, noch Professor war. Aber

über Glarus etwas lächerlich aussehen würde. Später hatte Xaver noch über den Antrag, dem Zuckerbäcker Kuchen zu modelliren, war Karl

grossartigere Ideen. Mitten in der Einsamkeit der Alpen, im Karwendel- Heinrich entrüstet. Es fehlte nicht viel und er hätte den Conditor vor

gebirge oder ich weiss nicht wo, wollte er in gewaltiger Grösse die die Thür gesetzt.

Gigantomachia zur Darstellung bringen: oben auf riesigen Felsen die „Aber nein, halt, warten Sie mal!" rief er.

Götter des Olympos, und die Felsen heraufdrängend, kämpfend, ringend „Ich zahle Ihnen zwanzig Mark", sagte Paul.

die Titanen. Karl Heinrich hatte von neuem Lust, den Conditor hinaus zu werfen,

Aus alledem wurde natürlich nie etwas. Erstens hätte die Sache aber er hielt an sich, denn er hatte eine gute Idee,

enorm viel Geld gekostet und zweitens wäre es immer fraglich gewesen, „Gehen Sie zu Xaver Wanderer", sagte er, „Alte Jacobstrasse 13,

ob für die wilde Bergeinsamkeit der steinerne Titanenkampf ein besonderer er ist auch Bildhauer, ein alter Freund von mir. Es geht ihm verflucht

Schmuck hätte sein können. Und endlich wäre es auch zweifelhaft schlecht, vielleicht macht der's."

gewesen, ob Xaver für solche Riesenwerke der rechte Mann war. Die So ging Herr Paul Laporte zu Xaver und traf ihn zu Hause. Der
Ausführung seiner Arbeiten liess fast immer zu wünschen übrig, die Pro- war just beschäftigt Briefe zu schreiben, einen an seinen Onkel in Kirch-
portionen waren mangelhaft, und er hatte selten die Ausdauer, eine grosse berg, einen an seine Schwester in Ulm. Er sass darüber schon den ganzen
Sache durchzuführen. Vormittag; Briefschreiben war seine schwache Seite, und namentlich in
Vor allem fehlte Xaver der Humor. Was er ersann, war ihm stets diesem Falle war die Sache schwierig. Denn Xaver wollte Beiden nicht
heiliger Ernst, wenn aber andere seine Ideen leise verspotteten, so war mehr und nicht weniger mittheilen, als dass es jetzt mit ihm zu Ende sei.
er nicht im Stande, mit ihnen zu lachen und nachzuweisen, ob sie Unrecht Mit seinem Gelde, seiner Kraft und mit seinen letzten kleinen Hoffnungen,
oder Recht hatten. Er begann sich von den Andern abzuschliessen und Dass es unter solchen Umständen das Beste sei, durch die ganze Geschichte
wurde ein verbitterter Mensch. Natürlich konnte Jemand mit solchen An- einen Strich zu ziehen und Schluss zu machen. Dass mithin, wenn Onkel
 
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