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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 8.1894-1895

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Heft 23
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Zum Sedantage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11729#0363

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23. Dett.


Derausgcbcr:

zferdinand Nvenarius.

vierteljährlich 2>/s Mark.

s. Zalirg.

Lum Sednntnge.

deren geistiges Leben vor einem
Vierteljahrhundert schon wach war oder
s doch keirnte, wir, die wir uns also jene

große Zeit aus eignem Miterleben noch vergegen-
wärtigen können, wir wissen's, daß es nicht allein
der Stolz über die Siege der deutschen Waffen, noch
allein die Hoffnung aus die deutsche Einigkeit an sich
war, was den Reifen und Denkenden unsres Volkes
bei der Nachricht von Sedan das Auge feucht machte
vor Glück. Alle empfanden's: wir standen auf einem
Gipfel. Aber worauf wir hinaussahen, das war
das gelobte Land, in dem alles gedieh in sriedlicher
Herrlichkeit; man erhoffte nicht nur, man erwartete
mit Gewißheit einen jubelnden Aufschwung der ganzen
Kultur. Was jedem am meisten am Herzen lag,
das sah er am seligsten darin blühen. Und so
glaubten wir auch hinauszusehen aus reiche Sommer
einer deutschen Kunst.

Ach, was die folgenden Jahrzehnte brachten,
entsprach unfern Blütenträumen nicht. Freilich, als
stolze Kunstthat wuchs Wagners Bayreuth empor,
das aber war die Frucht eines Baumes, der lange
vorher heraufgepflegt worden war. Wo fonst eine
Kunst größerer Art zur allgemeineren Anerkennung
kam, stand es damit, wie hier, was aber neu ent-
stand und beim weiten Volke beliebt ward, war
großen Rühmens kaum wert. Nach „Nationalem"
verlangte man, aber vor allem danach, daß patrio-
tische Stoffe und Stimmungen den Gegenstand

der Darstellung liehen; wer dem mit einiger Geschick-
lichkeit genügte, war der gefeierte Mann, mochte auch
die G e st a l t u n g künstlerifch schwach oder sogar
ihrem Wefen nach undeutfch sein. Anton von Werner,
Wildenbruch hatten ihre Erfolge. Die Kriegslprik
blieb hinter den Erwartungen zurück, der Roman
wie das Epos schufen aus dem großen Stoffe wenig
Bedeutendes, die dramatische Dichtung noch weniger.
Arm nicht minder sind wir an guten Tonwerken, die
ihre Anregung dem Kriege entnommen haben. Die
deutfche Schlachtenmalerei ftand hinter der Frank-
reichs unbestreitbar an Wert zurück, so breit sie, von
den Regierungen gepflegt, auf allen Ausstellungen
in den Vordergrund trat. Von unferen Kriegsdenk-
mälern fchweigen wir am besten. Aber abgesehen
von Bayreuth und dieser im engen Sinne „patrio-
tischen Kunst", von der wir eben fprachen, wie sah
es in den Jahren nach dem Krieg sonst in der
deutschen Kunst aus? Jn der Malerei bezauberte
Makarts Farbenrausch mehr und mehr die Augen,
aber auch für Thumanns Seichtheit und Ziererei und
für Sichels blödes Posen begeisterten sich Tausende.
Die Architektur ward fonderbarer Weife vom Kunstge-
werbe geführt, und hier brachte die patriotische Er-
regung Gutes, denn die nähere Befchäftigung mit
dem „Altdeutfchen" führte bei aller Verschrobenheit
immerhin zu besserem Verständnis der Probleme.

Auf den Bühnen franzöfelte man kaum weniger,
als ehedem, und nur widerwillig gewährten die
 
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