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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 4 (Januar 1930)
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Michel, Wilhelm: Symbol und Ornament: neue Aufschlüsse über ihr Wesen durch eine Rauschgiftwirkung
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Carossa, Hans: Der alte Taschenspieler: Bruchstück aus einem weltlichen Mysterium
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0269

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Die klare EinsichL in diese Zusannnenhänge halLe ich für einen Gewinn. Sie
stehk hier nur in GcstalL eines SLichworkes; sie könnke an Hand des Meskalin-
maLerials noch schr viel weiLer ausgebauL werden. Für heuke mag das Er-
reichLe genügen. Diesem ErreichLen gibk die vorhin ziLierke Heidelberger Ver-
suchsperson Ausdruck mi'L den WorLen: „Ich meine auch miL dem hcuLigen
Tage die richLige Beziehung zur orienLalischen Ornamentik, die mir bis dahin
immer sinnlos erschienen war, gefundcn zu habcn." Ich sügc hinzu: ge-
funden auf dem Wege des Ncisenden, der in ein fremdes Land gehL und dorL
eben verfLehen lernL, was dieses fremde Land bisher in das Heimatland des
Reisenden exportiert hat. Das Ornament ist ein ExporL aus dem Lande des
magifch-symbolischen Zusammenhangs, nach Erde, Wurzel und Wachskum
nur im Ursprungsland richtig zu begreifen — wobei der Reisende denn auch
zugleich erfährt, daß dieses Land des Zusammenhangs einmal UrsiH seines
eigenen Geschlechtes war, mit dem eine lehke Beziehung immer wird erhalten
werden müssen.

Der alke Taschenspieler

Bruchstück auö einem iveltlichen Mysterium
Don HanS Carossa

1 ^ine Dorstellung der Magischen Kammerspiele lst zu Ende. Der alte Zauberer
^^und seine Enkelin, die als Gehilfin mit ihm reist, unterhalten sich hinter dem ge-
schlossenen Vorhang der Varietebühne über den Erfolg deö Abends. 2ln einem
Tisch mit allerlei Zauber- und Gauklergeräten sitzt der weißhaarige Alte, sichtltch
ermüdet. Vor ihm auf dem Tische steht die spitze Zauberermütze; die Linke hält nvch
den Zauberstab, die Rechte ein Taschentuch, mit dem er sich Kühlung zufächelt.
Die Kleine, etwa dreizehn Jahre alt, hat rote Pluderhosen an, wciße Strümpfe,
rote Stiefelchen, hellgrüneö Hemd mit langen Ärmeln, die noch die halbe Hand be-
decken, eine bunt gestreifte, silbern befranste Schärpe, rote Korallentropfen alü
Ohrgehänge. Brauneö kurzcs Lockenhaar, blaue Augen, feingeschnittenes, noch ganz
kindlicheü Gesicht. Sie rollt eben einen Teppich zusammen und stellt ihn neben einen
großen geöffneten Kosfer; dann zieht sie ein wenig den dunkelroten Borhang auö-
einander und späht ins Publikum hinanö, dessen Beifallölärm noch hörbar ist.
Hierauf nähert sie sich mit ausgelassenen Gebärden dem Zauberer:

War das ein Meister-Abend heute,

Großvater! Nichts ist unö mißlungen!

Horch, draußen rufen dich die Leute!

Sie bitken um neue Verzaubernngen.

Keiner will nach Hause gehn,

Ieder noch ein Kunststück sehn.

WaS meinst du? Treten wir auf noch einmal?

Mit den Ringen? Den Fischen? Dem goldgrünen Schal?

Zauberer:

Für diesmal, mein ich, jsts genug.

Bleibt immer doch der nämliche Trug.

Und wenn wir gar zu viel vortragen,

Wird einö daS andere totschlagen.

Bin anch schon müd, ich grauer Knab;

Was GroßeS würde nicht mehr glücken.

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