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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 25,1.1911

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1911)
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Avenarius, Ferdinand: Zwischen den Kriegen
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Batka, Richard: Franz Liszt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9028#0125
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W

getan haben: arbeiten, nnd zwar unter Aberwindung von allem,
was uns hemmt, überall die beste Arbeitskraft an die Stelle zu
setzen, wo sie dem Ganzen am besten dienen kann. Dann ist die
bestmögliche Ausnutzung unserer Kräfte so ziemlich verbürgt. Sind
wir schon jetzt, wo wir stehn, was können wir bewältigen, wenn das
erst erreicht ist! Es ist unsre Kultur, was uns letzten Endes auch
sichert. ^

Franz Liszt

ie ein altes Märchen klingt uns heute die Kunde von den
beiden wunderbaren Virtuosen der dreißiger Iahre, die gleich
feurigen Kometen am musikalischen Firmament aufleuchteten:
Paganini und Liszt. Der Geiger war der Vormann. Ein unheim-
licher, schwarzhaariger Gesell mit Vampirblicken, ein Satan auf dem
Instrument, sreilich ganz aus seine eigenen Hexenstücke angewiesen,
ein geiziger Patron, ein kalter Spekulant, der an einem unheilbaren
Leiden bald ins Grab siechte. And hinwieder Liszt mit dem Dante-
gesicht, mit dem blonden Gelock, mit den bezwingenden Augen, die
lachen, träumen und blitzen konnten, der durch allen Flitter des Vir-
tuosentums hindurch nach dem Golde der echten Kunst schürfte, ein
Mann, der durch den Glanz seines Namens, den Zauber seiner Per-
sönlichkeit, durch sein ritterliches Wesen, seinen bescheidenen Stolz
und nicht zuletzt durch eine mehr als königliche Freigebigkeit die
gesellschaftliche Stellung des Musikers unsäglich gehoben hat. Wo
es Not und Nnglück zu lindern galt, wo zu idealen Zwecken die Mittel
fehlten, wo hochgesinnte Künstler mit der Drangsal des Lebens rangen:
da sprang Liszt helfend ein und niemand hat seine Großmut ver-
gebens angerufen. Mit Fürsten verkehrte er als Weltmann wie mit
seinesgleichen. Leute von Geist überraschte er, der als Deutschungar
geboren, in Frankreich herangewachsen war, durch eine auf der Kultur
beider Nationen fußende, kosmopolitische Bildung. Sensation lief
ihm voraus, Sensation heftete sich an seine Fersen. Die Frauen
vergötterten ihn. Line der glänzendsten Lrscheinungen der Pariser
hochadeligen Salons, die Gräfin d'Agoult, ließ Mann und Kind und
eine große soziale Stellung im Stich, um ihm zu folgen. Die Künstler
machte er toll vor Neid und Bewunderung, die Studenten berauschten
sich an ihm, dem Stürmischen, Hinreißenden, Liebenswürdigen, Ein-
zigen, an Franz Liszt.

Nnd dieser Mann schneidet auf der Höhe seiner Triumphe seine
glänzende Laufbahn mit einem Male ab, um sich auf den iPosten
eines Hofkapellmeisters in eine kleine deutsche Residenz zurückzuziehen.
Nie wieder hat er mehr zu eigenen Gunsten Konzerte gegeben, nur
zuweilen und im Dienste der Wohltätigkeit übte er seine unver-
gleichliche Kunst aus. Dasür begann ein reiches, schöpferisches Wirken.
Neue künstlerische Ziele wurden gestellt und erreicht. Nnd was
nach neuen Zielen in der Tonkunst rang, sammelte sich um seine
Fahne. Dabei herrschte durchaus kein engherziges Regiment. Förderte
man doch auch Schumann und Robert Franz, erschienen doch Bach,
Beethoven, Schubert hier in neuer Beleuchtung. Weimar wurde die
Hochburg der neudeutschen Musikbewegung, hier wurde Richard Wagner

Kunstwarl XXV, 2
 
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