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Kunstwart und Kulturwart — 26,3.1913

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1913)
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Walzel, Oskar: Jean Paul: zum 21. März 1763
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Gürtler, Franz: Wesentliches und Unwesentliches im Musikleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.14286#0027

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nes gefangenen Volkes. Er feierte den Dichter der Liebe, der earitas,
den Priester des Rechts, den sittlichen Sänger; noch mehr den Richter
der Menschheit, der wie Blitz und Sturm eine Erde voll Dunst und
Moder zu reinigen vermochte, der, wenn er zürnte, ein Donnergott,
wenn er strafte, eine blutige Geißel war und einen guten Zahn hatte,
wenn er verhöhnte. Börne machte Iean Paul zum Inbegriff aller
Gegensätze von Goethes Wesen. Iedes Wort, das er zu Iean Pauls
Gunsten sagt, hat eine Spitze, die sich gegen Goethe richtet. Was Iean
Paul vom Klassizismus und von der Romantik trennt, wurde von Börne
und seinen Gesinnungsgenossen geflissentlich in den Vordergrund
geschoben: seine herderisch gefärbte tzumanität, sein Interesse für die
öffentlichen Vorgänge, seine politisch freiheitliche Gesinnung. Von
seiner pikanten GeschmacklosigkeiL redete man nicht, aber man eiferte
ihr nach. Börnes Stil und Sprache sind besonders in seiner Iugend
durchaus von Iean Paul bedingt. Die Widersprüche der Stimmung,
in denen sich Iean Paul gefiel, die groteske Bildlichkeit, in der er
diese Widersprüche vortrug, kurz der Poet, dem — nach Vischers
Worten — „unter Narrheit, unter Witzen der Sehnsucht Zähren an
den Wimpern blitzen^, wurde vom jungen Deutschland getreulich nach«
geahmt; es überlietz aber späterer Zeit, sich ohne scheele Blicke auf
Goethe solcher ganz ungoethischen Kunst zu freuen. Den menschlichen
und künstlerischen Reiz dieser Widersprüche und Gegensätze sprach
Vischer in seinen Dreizeilern von My mit unvergleichlicher Frische
der Eharakteristik aus:

„O du, dem hart am überschwellten Busen
Ein Spötter wohnt, ein Plagegeist der Musen,

Der Todfeind des Erhabnen, der Verstand!

Grabdichter, Ienseitsmenschi Schwindsuchtbesinger!
tzerz voll von Liebe, selger Freuden Bringer
In arme tzüttchen an des Lebens Strand!

Du Kind, du Greis, du Kauz, tzanswurst und Engel,
Durchsichtger Seraph, breiter Erdenbengel,

Im tzimmel Bürger und im Bayerland!

Komm, latz an deine reiche Brust mich sinken,

Komm, latz uns weinen, latz uns lachen, trinken,

In Bier und Tränen mächtiger Kneipant!"

Oskar Walzel

Wesentliches und Anwesentliches im Musikleben

eit kurzer Zeit tritt Eugen d'Albert Wieder als Pianist auf.
And der grotze Erfolg ist ihm treu geblieben, wie man fast aller-
orten bestätigt findet. Ein Erfolg, der im wesentlichen durch
die magische Kraft der Persönlichkeit verbürgt wird, nicht durch
die technische Meisterschaft. Dies ist bemerkenswert genug>. Es gab
eine Ieit, da d'Albert auch technisch die meisten seiner Konzertrivalen
schlug; sie ist längst vorüber, — .was heute von manchen Iüngeren
an Brillanz und Spielakrobatik geleistet wird, geht weit hinaus über


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