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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Michaelis, Adolf: Zu Raffaels Psychebildern in der Farnesina
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0010

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Nr. 1.

2^. Iahrgang.

*

(88889.

Aunstchronik

*

((. Dktober.

Ivochenschrifl für Aunst und Runstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine.

^erausgeber:

Larl v. Lntzow u»d Arthur pabst

wien Aöln

Clieresianumgaffe 25. wilhelmrring 22-r.

Lxpedition:

Lcipzig: L. A. Seemann, Gartenstr. H5. Berlin: w. Aühl, Iägerstr. 73.

Die Runstchronik erscheint von Gktober bis Lnde guni wöchentlich, im Iuli, August und ^eptember nur aller Cage und kostet in verbindung
mit dem Aunstgewerbeblatt halbjährliä) 6 Nlark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark. — gnserate, ä 50 j)f. für die dreispaltige ssetitzeile,
nehmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas ensteln L vogler in teipzig, lvien, Berlin, München u. s. w. an.

)nhalt: Zu Raffaels j)sychebildern in der Larnestna. — Aunfl litteratur: I^inton, tbe masters ok v/oo6-en§ruvinx, von R. Aoehler; von
Wilmowsky, Römische Mosaiken, von H. L^eydemann; Brunn, Denkmäler griechischer und römischer Skulptur, von L). tzeydemann:
woltmann und woermann, Geschichte der Malerei; H. Brunns Geschichte der griechischen Aünstler. — Aaiser-Wilhelm-Denkmäler
in Bremen und Mannheim. — Aonzerthaus in Mainz. — L. w. tzase. — Sää?sischer Aunstverein. — Rordwestdeutsche Gewerbe- und
Aunstausstellung in Bremen. — Grundsteinlegung der neuen katholischen ssfarrkirche in j)forzheim. — Münchener Aunstauktion. — Zeit-
schriften. — gnserate.

Zu Raffaels psychebildern in der Larnesina.

Jedem aufmerksamen Besucher der Farnesina
muß sich von neuem die Frage aufdrängen, nach wel-
chem Gesichtspunkt Raffael die Scenen seines Fresken-
cyklus aus dem Märchen des Apulejus ausgewählt
hat. Schon ein flüchtiger Blick auf eine Zusammen-
stellung der einzelnen Stellen, wie sie am bequemsten
bei Springer (Raffael und Michelaugelo II^, S. 371,
Anm. 19) gegeben ist, zeigt, wie ungleich sich die
Darstellungen auf die Erzählung verteilen. Nur das
erste Bild (wie Venus dem Sohne Psyche zeigt) ist
dem Anfange entnommen, alle übrigen Bilder eut-
fallen auf das letzte Drittel der Geschichte, und na-
mentlich die Schlußvorgänge sind außerordentlich be-
borzugt. Noch weit auffälliger wird die Auswahl,
wenn man an den Jnhalt des Märchens denkt. Amors
Liebesglück wird uns, abgesehen von dem Hochzeits-
bilde an der Decke, nur durch die von Raffael frei
hinzu erfundene Sceue geschildert, wo jener die Gra-
zien auf die schöne Psyche hinweist. Es fehlt ferner
bor allem der Vorgang, um den sich die ganze Ge-
fchichte wie um ihre Angel dreht, wie Psyche mit der
Lampe ihren unbekaunten Gatten beleuchtet. Psyche
tritt überhaupt anfangs unbillig zurück und wirkt gleich-
sam nur hinter den Kulissen; nur in drei Bildern an
der letzten, der Außenwand, erscheint sie einmal mit
der Urne gen Himmel schwebeud, sodann vor Venus,
endlich von Merkur emporgehoben. Während die
Hauptereignisse der Erzählung entweder nur ange-
gedeutet oder ganz übergangen werden, treten Neben-
sceuen und Nebenfiguren auffallend in den Vorder-

grund. Wer das Märchen des Apulejus nicht ganz
genau kannte, war kaum im stande, die Einzelbilder
in ihrem Zusammenhang zu verstehen, und selbst wer
die Erzählung völlig im Kopfe hatte, mochte über
den Sinn dieses oder jenes Bildes wohl eine Zeit
lang im Zweifel sein, da er hervoragendere Momente
erwartete und manche der von Raffael geschilderten
Scenen bei Apulejus weit weniger scharf hervortreten.

Der Grund der Auswahl kann unmöglich darin
liegen, daß die übergangenen Scenen der künstleri-
schen Auffassuug minder günstigen Stoff darböten;
wie sollte das beispielsweise von jener schon erwähnten
Scene mit der verräterischen Lampe gelten? Auch
der Grund, daß der tragische Zug mancher Teile der
Dichtung den hciteren Festcharakter der Hallc gestört
haben würde, reicht der ebengenannten und noch man-
chen anderen Scenen des Märchens gegeuüber nicht
aus. Dagegen weist Burckhardt (Cicerone ^ S. 933
— 3 S. 1026) mit Recht darauf hin, daß der Raum
durchgängig ein idealer sei, durch eiuen blauen Grund
repräsentirt. Dies ließ sich sreilich auch auf Scenen
wie die genannte übertragen und dürfte allein nicht
zur Begründung der getrofsenen Auswahl genügeu.
Näher ist dem Richtigen Richard Förster gekommen,
wenn er (Farnesina-Studien, S. 60) bemerkt, die
Handlung spiele im Reich der Lüfte, wenn er dies
auch unnötigerweise auf „fast alle Scenen" beschränkt
(S. 67). Jn der That läßt sich das Prinzip der
Auswahl einfach so formuliren, daß Raffael sich auf
diejenigen Teile des Märchens beschränkte, die im
Himmel spielen oder sich, wie die erste und die sechste
Scene (Venus zeigt Cupido die Psyche, Merkur macht
 
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