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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 4 (April 1926)
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Grothmann, Heinrich: Widerlegung von Einwänden gegen den Zeichen- und Kunstunterricht am humanistischen Gymnasium
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Kerschensteiner, Georg: Antwort auf den offenen Brief des Herrn Studienrates Ernst Fritz, Dortmund
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0088

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7S

durchaus verständlichen Worken sowie durch die Geste
beizukommen. Mo aber das Work und die Geste
versagt, lehrk das Beispiel und Borbild, es spiekk im
Kunstunterrichk eine hervorragende Rolle. Dem Zei-
chenunkerrichk stehen demnach mindestens ebenso wirk-
same didakkische Hilfsmikkel zur Versügung wie
irgendeinem wissenschaftlichen Fach. 3a, der Zeichen-
lehrer hak gar nickt die Zeik, um alles, was er den
Sckülern zu ihrer Förderung soqen könnte und sollke,
auch wirklich auszusprechen. In einem geordneken
Zeichenunkerrichk gehen denn auch die Ergebniffe des-

selben im allgemeinen mit den wiffenschafkstchen Lei
stungen eines Schülers parallel. Zum Ueberfluß hak
Kerschensteiner diese Tatsache an einem umfang-
reichen Makerial bestäkigk. Mik ausgesprochenen
Talenken rechnek der Zeichenunkerrichk ebensowenig
wie jedes andere Lehrfach. ffm übrigen ist sr yleich
dem Ankerrichk in der Mukkersvrache nichk ausschliest-
lich als Kunstübung zu behandeln. Er ist zwar eln
Fach des Könnens, dien! aber nichk nur der Kunst
und der Technik, sondern allgemein der geistigen
Bildung.

Anlwort auf den offenen Brief

des Herrn Studienrates

Sehr geehrter Aerr! Sie haben in Zbrem offenen
Brief an mich (Kunst und Iuqend. 6. Aabra. 2. Liefti

meine Worke „8as Gebiek der „sogenaniM^°fchdp-

ferischen Täkiakeik ist abaeschövft" als eine Bemer-
kung aufgesafst, in der Sie „die nötige Sachlichkeik
und den nökigen Ernst vermissen und die Tausende
aufs kiefste verlekk haben". Ich weitz nichk mehr ge-
nau, in welchem Zufammenhang diese Worke mik mei-
nen übriaen Ausführungen standen, und ob sie genau
so gelautek haben. Aber ich kann mich guk erinnern,
datz ich einen Shnlichen Ausspruch getan habe. Ehe
sich jedoch jemand durch diese Worke verlehk fühlen
darf, wird er sich bei einiger Objekkivikäk fraqen müs-
ien, welcher Art „schöpferischer Täkiykeik" tch im
Auge habe. Datz ich eine solche besondere Ark kref-
fen wollke, gehk schon aus dem Zusah des Adjekki-
vums „sogenannk" hervor.

Zunächst möchke ich offen gestehen, datz ich, sobald ich
das Work von der schöpferischen Täkigkeit des Kin-
des höre, im allgemeinen immer ein leichkes Gruseln
empfinde. Wenn wir das Mork schöpferisch auf den
Menschen überhaupk anwenden dürfen. dann können
wir nur jenen als einen schöpferischen bezeichnen, der
aus flch eine Schöpfung herausstellk, d. b. einen bün-
digen. vollendeken. geaenständlichen Sachverhalk, ein
in selner Tokalikäk geschlossenes Gebilde, mag dieses
Gebikde noch so einfach und bescheiden sekn. Märe
das nichk so. dann wären die schlimmsten Dilekkanken
lauker schöpferiscbe Leute. Wir könnken uns dann in
der Schule der Mühe enkschlaaen, die Menschen zu
streng sachlicher Arbeik zu erziehen, dke allein zu dem
führen kann, was wir Bildung nennen. Das war ja
gerade der kiefere ffnhalt meiner beiden Borkesunqen
in Dortmund. datz ich gegen diese oberflächliche Auf-
fassung des Arbeiksbegriffes ankämpfe.

Das qraphifche Skammeln des Kindes ist vielleichk
ein liebliches Spiel, das zweifellos seinen Nuhen hak,
wie jedes Spiel. Ebenso stehk es mit dem likerari-
schen Skammeln in den kleinen Berschen und Auf-
sähchen der Schulkinder. Der Merk dieser Spiele
liegt in der Auslösung der Inlkiaktve und in der
Erweckung der Freude an dem Tun selbsk. eine
Freude, welche späkerhin die eigenkliche Arbeiksväd-
agogik sehr guk ausnühen kann. Nichk das Merk ist
es, das beim Spiel als Zweck geseht wkrd, sondern
das blotze Tun. Das ist das Kennzeichen des Spieles.
Aber die Erzeugniffe dieses Tuns als schöpferisch zu
bezeichnen und das spielende Tun selbst als eine

Ernst Fritz, Dortmund

schöpseriscke TSkigkeik, das bringk eine ungeheuere
Gefabr für den ganzen Bekrieb des Ilnkerrtchks
mit sich.

Sie wiffen vielleichk, datz ich mick sechs siahre lang
damik beschäfkigk habe, die Enkwkcklnng der zeichne-
rtschen Begabuna des Kindes zu studieren. und datz
ich die Ergebniffe dieser eingehenden Skudien in
einem grotzen Werke unker dem Tikel: „Die Enk-
wickluna der zeichnerischen Begabung" zusammen-
qestellk habe. sich habe dabei etwa eme halbe Mil-
lion Zeichnungen von ekwas mehr als Sv kXXI Schul-
kindern einer sorgfälkigen Unkersuchung unkerzogen.
Die Zahl derjenigen Kinder aber, deren Arbeiken als
„sckövferlsch" HSkken bezekchnek werden KSnnen, war
verschwindend klein. Und deshalb kann ich auch
beute noch mit vollem Nechk sagen: „die schöpferische
Täkigkeik des Kindes lst sehr balb ausgeschöpst".
Wenn ich an jene sehr wenigen kindlichen Schöp-
fungen zurückdenke — die wesenklichen Beispiele flnd
in meinem Buch reproduzierk —, so flnd es lm ab-
soluken wie im dekorakiven Zeichnen Arbeiksn, in
denen flch ein starkes Gefühl für die allqemeinen
Gesehe des grapbiscken Schaffens und sür die indivi-
duelle Form kunbgab. Es waren Produkke ausnabms-
weiser Begabung oder ganz ausnahmsweise glück-
licher häuslicher Berhälknisse. Als ich späker <wf
Grund dieser Unkersuchungen. die mir die Begabunq
für dekoratives Zeichnen bei den MSdchen enkhüll-
ten, den Zeichenlehrplan für die Mädchen enkwarf,
um die Leistungsfähigkeit gewiffer Begabungen zu
enkwickeln, war ich mir durchaus bewutzk, Üatz ich
diese Mäbchen vor allem zuerst in die Gesehe des
dekorakiven Zeichnens einzuführen habe, damik fie
auf Grund dteser strengen, burch alle Zeiken hirldurch
oetkenden Gesetze zu einem bündigen, gsschloffenen
Werke, Mnn auch noch so primikiver Ark, kommen
konnken. Mesetze, Regeln, Normen flnd es, die ber
sog. schöpferischen TSkigkett in erster Linie zugrnnde
gelegk werden müflen, wenn diese nicht zu einem Un- i
glück für das ganze deuksche Schulwesen werden soll.!
Dtesen Skandpunkk habe ich schon vor 25 3ahren ein -
genommen. Er war es gerade, ber mich angeflchks
der ofk rechk unklaren Anregungen der Kansterzkeh-
ungstage zu jener sechsjährigen Unkersuchung fShrke,
die ich oben erwähnk habe. Spielleistunqen öer Kin-
der auszustellen, habe ich bisher unkerlaffen, keils um
die Kinder nicht durch solche Ausstellungen chrer
dilekkantischen Arbetten zur Eirchilöung z« verführen,
 
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