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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 1.1907

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Heft IX (September 1907)
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Hahn, Robert: Zur Einführung des Reformzeichnens in der Volksschule
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Schmohl, Paul; Staatliche Beratungsstelle für das Baugewerbe Stuttgart: Aufruf der Beratungsstelle für das Baugewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.31624#0119

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99

werden. Sodann ist das Verhältnis (nebenbei bemerkt vom Lehrer unrichtig angegeben) nicht
auszumessen und zahlenmässig festzustellen — so machte es Herdtle — sondern gefühls-
mässig aufzufassen, wiederzugeben und zu berichtigen. Auf diese Weise allein wird das
Auge geschärft, und das ist gerade ein Hauptzweck des Reformzeichnens. Danach ist klar,
was für das Auge gewonnen wird, wenn man als weitere Rechtecksübung den Grundriss
eines Hauses zeichnen lässt. Das Verhältnis der Seiten kann nur durch Messen gewonnen
und auch in der Zeichnung nur durch Messen geprüft werden. Der Lehrer ist hier zwar
von der Natur ausgegangen, aber wie! Die Hauptarbeit des Auges, zugleich die eigentliche
geistige Arbeit in einer Rechtecksaufgabe, das Abschätzen der Verhältnisse, ist ausgeschaltet.
Und da aus der Sache doch etwas herausgepresst werden soll, so kommt man wieder auf
den schönen Strich, den Radiergummi und all die Unzuträglichkeiten der alten Methode,
welche man eben beseitigen wollte.

Dass mit solchen Uebungen und mit solcher Behandlung den Forderungen des Lehr-
plans widersprochen wird, bedarf keines Beweises. Aber sie zeigen, dass selbst die besten
Absichten der Behörde vereitelt, so manche aufgewandte Mittel nutzlos verschleudert werden
können, wenn die
Leitung von Zeichen- Abbildung 5.
kursen, das Vorfüh¬

ren von Lehrproben
u. s. w. nicht aus-
schliesslich Männern
anvertraut werden,
die klar und fest auf
dem Boden der Re-
form stehen. Es ist
in der Tat zu be-
fürchten, dass da eine
V er wirr ung ges chaf-
fen wird, in der die
Rückkehr zur alten
Vorlage wie eine
B efr eiun g empf un den
würde. Es fehlt nicht
an Unkenrufen,
welche das schon
heute prophezeilien.
Es wäre aber jam-
merschade, wenn sie
Recht behalten wer-
den. Hahn.


Aufruf der Beratungsstelle für das Baugewerbe.
In allen deutschen Gauen regt sich der Wunsch, das bisher oft so sehr vernachlässigte
Erbe unserer Väter besser zu hegen und zu pflegen, uns neu zu eigen zu machen und auf
dieser Grundlage unsere Kulturarbeit weiter zu verrichten. Aber nicht bloss in den gewal-
tigen Domen und Kirchen, den kühnen Burgbauten und prächtigen Schlössern sind die grossen,
bleibenden Werte enthalten, sondern auch darin, was der ruhige Bürger und fleissige Bauers-
mann fürs tägliche Leben und seine Bedürfnisse geschaffen haben. Noch nicht so allgemein,
als es zu wünschen wäre, ist die Erkenntnis bei uns durchgedrungen, welche Fülle des
Schönen wir noch in Stadt und Land besitzen. Aber der Einsichtige kennt auch schon längst
die Gefahren, welche durch Unverstand, Verbildung, Aenderung der Lebensbedingungen dem
alten Bestand drohen. Es ist schon viel bei uns gesündigt worden und vieles ohne zwingende
Not unwiederbringlich dahin.
Auch unser Württemberg kann sich getrost mit anderen deutschen Ländern an Reich-
haltigkeit und Mannigfaltigkeit überkommener Bau- und Kulturdenkmäler messen. Drum
soll es auch nicht Zurückbleiben im edlen Wettstreit um die Erhaltung des Erbes. So wird
es uns zur Pflicht, zu sammeln, zu erhalten und zu pflegen, solange es noch nicht zu spät
ist. Auf diese Weise sollen unserem Volke die Augen wieder geöffnet werden für das Schöne
und Tüchtige in der Heimat. Dann wird manches dem Untergang entrissen werden können
und, was einmal durch Alter dem Tod unrettbar verfallen ist, im Bilde weiterleben und
vielleicht in jüngeren Werken auferstehen.,
Die Beratungsstelle für das Baugewerbe bei der K. Zentralstelle für Gewerbe und
Handel in Stuttgart plant die Herausgabe eines Sammelwerks, das eine Auswahl der Schätze
unseres engeren Vaterlandes in sich bergen soll. Wie viele schöne alte Dorf- und Städte-
bilder, malerische Strassenzüge, interessante Holz- und Steinbauten, Brunnen, Kirchen und
Kapellen, stolze Brücken, entzückende Gärten trifft der Wanderer auf Schritt und Tritt bei
uns an. Wie reichhaltig ist der Schatz an schönen Schmiedarbeiten, Möbeln, Gedenksteinen,
 
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