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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 8.1897

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Chinesische Matten
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Hagen, L.: Mode und Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7395#0035

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Seite s8.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zanuar-Heft.

Mhinesischh ^Watten.

^M^ie Industrie von Matten hat in Thina innerhalb der letzten

Jahre eine große Ausdehnung genommen, da die Nachfrage
für solche ständig im Steigen begriffen ist. Man fabrizirt die
Matten aus verschiedenen Arten von Schilfrohr, das theils in
den vom Meer bewässerten Ebenen, theils in solchen wächst, die
zu bestimmten Zeiten von Flüssen überschwemmt werden. Das
Gebräuchlichste ist dasjenige, welches die Botaniker mit dem
Namen ^ruuäo mitüs bezeichnen.

Das Rohr wird in schmale und lange Streifen zerschnitten,
die man nicht bleicht (sie sind von grünlicher Nüance), sondern
roth, gelb, blau rc. färbt, ehe sie auf den Webstuhl kommen.
Früher bedienten sich die Chinesen dazu der einheimischen Farb-
stoffe, jetzt bezieht man solche meist aus dem Auslande, weil
diese schönere, leuchtendere und gleichmäßigere Tinten verleihen.

Die Webstühle sind höchst einfach; sie bestehen aus zwei
ca. 2 m hohen Holzstücken, die durch ca. s,70 m lange und
ca. s m von einander entfernte Auerstangen zusammengehalten
werden. Die Aette bilden Hanf- oder Zutefäden, ein Stück Bambus
ersetzt das Schiffchen, welches die Schilfstreifen durch die Aette
führt. Ist sie gewebt, so wird die Matte an der Sonne getrocknet
und dann auf einer Art Rahmen über einem leichten Feuer aus-
gebreitet, um massirt zu werden, was die Engländer mit
bezeichnen. Wenn nämlich eine Rolle Matte den Webstuhl ver-
läßt, so hat sie statt der HO pards Länge und j tzard Breite,
welche sie messen soll, oft H5—50 pards, jst aber an vielen
Stellen weich und fchlaff. Um sie fester und dichter zu machen,
wird sie also von zwei Arbeitern, die sich an jedem Ende auf-
stellen, massirt. Es ist dies eine lange und mühsame, aber
durchaus nothwendige Arbeit und wenn sie beendet, mißt die
Matte nur noch HO pards.

Die Rolle Matte wird jetzt in einem Stück, ohne jede Naht,
hergestellt, eine Neuerung, die auf das Drängen der fremden Händler
vor ca. 20 Jahren eingeführt worden ist. Vorher bestanden sie
aus 20 Stücken von je 2 pards^Länge, die durch die Enden
der Aettenfäden an einander befestigt waren. Seit ca. 7 Zähren
machte man die gedrehten Matten, d.^h. solche, die aus einer
Art von Stricken hergestellt werden, die man gewinnt, indem
man zwei Schilfstreifen rollt und dann um einander dreht. Sie
sehen dann wie dicke Bindfaden aus und werden oft, ehe man
sie webt, gefärbt. Für die „Damaslc" genannten Matten bedient
man sich eines horizontalen Stuhls, ähnlich dem, welcher für die
Herstellung von Seidenstoffen dient.

Die Fabrikation beschränkt sich auf drei Grte der Provinz
Oautou: TunA-tzuu, Diu-tan und Og-utou; an letzterem Platze
gewinnt man kein Schilf, sondern färbt und webt von den beiden
ersteren kommendes. Zm Allgemeinen sind die von Diu-tsm und
Oarckvn produzirten Matten schöner als die von llAuA-lluu her-
gestellten, die Arbeiter sind dort nicht so geschickt, weil sie sich
auch anderen Beschäftigungen, der Aultur des Zuckerrohrs, der
Fabrikation von Petarden rc. hingeben. Alle gewünschten Modelle
kann man übrigens nur in Ouutou erhalten, wo die Händler
selbst darüber wachen, daß dieselben nach Bestellung hergestellt
werden. Die Matten werden fast alle für den Export gearbeitet.

Der Handel hat, wie erwähnt, darin eine bedeutende Aus-
dehnung genommen und es ist dies besonders dem billigen Preise
der Artikel zuzuschreiben. Während der letzten 5 Zahre stellte
sich die Ausfuhr wie folgt:

Rollen Piaster Rollen Piaster

240,000 920,000 t89Z 320,000 2,560,000

;8Y2 280,000 2,240,000 ;894 260,000 2,080,000

t8y5 240,000 2,720,000

Was die Bezeichnungen für die Matten anbetrifft, so sind
dieselben je nach der Art verschieden. nennt man

die Decken für den Fußboden, die in Rollen von HO tzards Länge
versandt werden und gewöhnlich eine Breite von s Pari» haben,
yUg,t8^ die kleinen, die als Vorleger rc. Verwendung finden,
„AuA8" ebenfalls kleinere Decken, von denen 30 bis HO auf den
Ballen gehen, und große oder „Oarpsts" solche, die

aus drei oder vier aneinander genähten Stücken bestehen, mit
Bordüre und Mittelstück wie die eigentlichen RuZs. Für
ist übrigens die Breite von einem pard nicht unbedingt geboten.

Der Preis der Matten ist ein sehr verschiedener und richtet
sich selbstverständlich nach Breite und Aualität. Man kann die
pard bereits mit 25 Pfennig haben, doch erreicht sie auch 60 Pfennig
und darüber. Die Fracht für eine Rolle von HO pards ^ beträgt
ca. Mk. 3.25; für die hängt dieselbe natürlich von den

Dimensionen ab. —

und »Wunftgewerde.

Mn der textilen Musterzeichnung ist genau dasselbe der Fall;
W unter der Fahne „Libertymuster" segeln schon so barbarische
Dinge, wie man sie nur zu sehen wünschen kann. Als „höchste"
Neuigkeit meldet ein Berliner Aunstberichterstatter, daß man die
gemusterten Stoffe für Stuhlbezüge wieder hat fallen lassen. Daß
sie in Deutschland so gut wie gar nicht Fuß gefaßt haben, erzählt
der Herr nicht, trotzdem es doch an Versuchen dazu wahrlich
! nicht gefehlt hat. Die deutschen Dekoratöre sind sofort zu den
Aurbelsteppereien und Stickereien übergegangen, weil ihr Stilgefühl
ihnen sagt, daß die klare Form des Stuhles durch großblumige
Muster nicht zerrissen werden darf. Ein Stuhl kann eben stil-
gerecht nur durch ein in sich abgeschlossenes Muster verziert
werden. Gewiß zeigen viele von den verwendeten Aurpelsteppereien
! eine sehr mangelhafte Zeichnung; die bedeutenderen Firmen
indessen lassen ihre Entwürfe von tüchtigen Aräften anfertigen
und es kommt da manches Bemerkenswerthe zu Stande.

Eine andere Neuerung in der Verzierung der Polstermöbel,
die ornamentale Verwerthung von Schnur und Posamenten
zum Ausarbeiten geometrischer Muster, die den Liniengang des
Möbels betonen, ist jedenfalls in deutschen Fachkreisen angeregt
worden. Bemerkenswerth ist auch die Thatsache, daß deutsche
Aünstler namentlich in Belgien zu dekorativen Arbeiten stark
herangezogen werden. Endlich sollte Herr Meier-Graefe, der jetzt
für den pariser und belgischen brio ä. brao soviel Reklame macht,
doch einmal die Arbeiten von Zosef Rösl und verwandten echt
germanischen Geistern studiren. Er würde da die bemerkens-
I werthe Entdeckung machen, daß deutsche Aünstler sehr originelle
und durchaus moderne Zdeen gehabt haben, ehe man von Walter
I Trane und seinen Nachfolgern in Belgien und Holland in Deutsch-
j land etwas gehört hatte. Wenn Herr Meier-Graefe statt Be-
trachtungen über die Abscheulichkeiten der Berliner Läden anzu-
^ stellen, die Wandlungen in der Berliner und Meißener Porzellan-
malerei während der letzten drei Zahre verfolgt hätte, so könnte
er genau Nachweisen, wie sehr vortheilhaft Rösl's Anregungen
aus diesem Gebiete gewirkt haben.

Es wird keinem verständigen Menschen einfallen, zu leugnen,

^ daß von den Zapanern viel zu lernen ist; man wird auch nicht
leugnen können, daß die Engländer manches Gute hervorgebracht
haben; Paris und Brüssel werden uns ebenfalls bereichern.
Deutschlands Aufgabe aber ist es, seine vorzügliche zeichnerische
Araft, seine große Einheitlichkeit der Zdee, sein tiefes Bewußtsein
j für den Zusammenhang von Tod und Leben, von Sinnlichem
und Uebersinnlichem zur Geltung zu bringen, um die japanische
Bewegung in Schranken zu halten und dem Zug ins Ueberfeine
einen Damm entgegenzusetzen. So bleibt uns die Aussicht, etwas
Sicheres, Brauchbares bei der Hand zu haben, wenn der augen-
^ blicklich herrschende Modetaumel verrauscht sein wird. —
 
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