Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

DOI Artikel:
Französische Renaissance-Möbel
DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [9]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0105

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 86.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Inn en-De k o ra t io n".

Juni-Heft.

Evanföstsche Menattlattce ^^dööel.


in kurzer historischer Neberblick über französisches Mobiliar,
vom Anfang des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
zeigt einen Entwickelungsprozeß, wie er sich stetig in der
Geschichte aller Zierkünste wiederholt hat. Zuerst sehen wir die Nach-
ahmung eines bestimmten Stiles, welcher
einem fremden Lande entlehnt ist; danach
sehen wir diesen Stil variirt, mit einer
Mannichfaltigkeit in der Behandlung der
Formen, welche sich mehr und mehr von
dem ursprünglichen Stil frei macht, und zu-
letzt tritt eine Rückwirkung ein, welche den
ursprünglichen Stil wieder aufnimmt, oder
zu einem ihm sehr ähnelnden übergeht,
welcher mit allen den Verbesserungen und
Verfeinerungen ausgestattet ist, in deren Her-
vorbringung die französische Nation so über-
aus glücklich ist.

In der Regierungszeit Ludwigs XIII.,
d. h. von 16 sO—s6^3, erlangten die fran-
zösischen Kunsthandwerker einen hohen Grad
von Geschicklichkeit in der Nachbildung italien-
ischen Mobiliars aus der letzten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Ihre Arbeiten verrathen
nichts inehr von mittelalterlichem Anstrich,
sie tragen fast klassischen Karakter. Die
Hauptlinien der Möbeln waren gerade, sie
wurden vielleicht durch Kreislinien unter-
brochen, welche man gern und häufig an-
wandte; die Schnitzerei, welche zum großen
Theil in dem herkömmlichen Pslanzen-
Schnörkelkram bestand, wurde gewöhnlich
von Rahmen eingeschlossen, und kleine, der
Architektur entlehnte Verzierungen, wie

laster usw. fanden hier und da Verwendung. Gedrehte Füße, welche
sich nach unten zu verjüngen, waren vielfach in Gebrauch, obgleich
sie wohl kaum zu der allgemeinen Strenge der geraden Linien paßten.
In späteren Arbeiten dieser Zeit zeigt sich das Bestreben nach freierer

Abbildung Nr. ;82. Seshkl im Stil Louis XIV.

Gestaltung der Formen. — Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts, zuv
Zeit Ludwigs XIV., wandte man der Holzschnitzerei mehr Aufmerk-
samkeit zu, und die Holzskulpturen erreichen eine solche Höhe dev
Vollendung und zeigen eine solche Feinheit in der Ausführung, daß
die Arbeiten von Metallarbeiten manchmal nicht zu unter-
scheiden sind, zumal die Aehnlichkeit noch durch Vergoldung
erhöht wurde. Aehnliche Vrnamentirung in getriebener
Bronze wandte man auf verschiedene Möbeltheile an und
machte schließlich keinen Versuch mehr, die Unterschiede
zwischen Beschlag und Holzschnitzerei erkennbar zu machen.
Gedrehte Arbeit verschwand in dieser Zeit mehr und mehr,
Stuhl- und Tischfüße machte man kantig und riefte oder
schnitzte sie. Gegen Anfang des 18. Jahrhunderts wurde
das Blattwerk mit größter Freiheit behandelt, man brachte
es mit Gesichtern, Muscheln, kleinen Bouquets und Rosetten
in Verbindung und gestaltete es in mancher Beziehung na-
turalistischer, in anderer wieder weniger;
naturalistischer insofern, als man die reine
Natur auch mit ihren Unregelmäßigkeiten
zum Ausdruck zu bringen bemüht war, und
weniger naturalistisch,'weil es zuletzt in das-
Rokoko ausartete, welches in nichts dev
Natur gleicht. Eingelassene Füllungen muß-
ten gekröpftem Rahmenwerk weichen, und
später verschwand auch das Rahmenwerk
und wurde von dem leichtfertigen Rokoko
verdrängt.

Die Zeit Ludwig XV-, welche im Jahre
17s5 beginnt, wird durch einen gänzlichen
Umschwung in der Gestaltung der Haupt-
sormen des Mobiliars gekennzeichnet. Man
verließ die geraden Linien und wandte
doppelte, drei- und vierfache Biegungen an.
Die Lehnen der Stühle wurden gebogen, ihre Füße ähnelten den
Hinterbeinen des Hundes, nur daß ihnen die Buchtungen fehlten,
welche bei diesem geschätzten Hausthier das Vorhandensein von
Knochen anzeigen. Das war der Rokokostil, dessen Formen allev

^Mohnungs-Dseal.

Von Albert Hofmann-Reichenberg.

(Fortsetzung von Seite 79.)

a nun, wie später anläßlich der Besprechung des Salons
gezeigt werden soll, das materielle Element in dem von
mir gedachten geselligen Familienleben gänzlich in den
Hintergrund tritt und das spirituelle Element als beherrschendes Mo-
ment einzieht, so erachte ich es nicht als unbedingt nöthig, den Raum
zur Einnahme der täglichen Mahlzeiten in unmittelbaren Zusammen-
hang mit dem Salon zu setzen, wenn ich das auch nicht unbedingt
ausschließe. Dagegen tritt hier um so bestimmter mit Bezug auf
den geäußerten Umstand die Forderung auf, das Herrenzimmer und
das Boudoir oder Damenzimmer in unmittelbare Verbindung mit
dem Salon zu bringen. In beiden tritt das individuelle Moment
der Bewohner des Hauses in ausgesprochenster Meise zu Tage, und
es werden sich auch in der Gesellschaft Gruppen bilden, die mehr
nach diesem Individualismus Hinneigen, und solche, die mehr mit
jener Individualität harmoniren. In beiden Fällen wird die Mög-
lichkeit eines ungestörten Austausches eines lebhaften Gedankens an-
genehm empfunden werden. So sehr verschieden in allen Fällen
Herrenzimmer und Boudoir mit Bezug auf die Denkungsart ihrer
Bewohner auch sein mögen, so tragen sie doch in ausgesprochenster
Meise die gemeinsame Eigenschaft eines treuen Karakterbildes der
Bewohner. Die Ausschmückung des Herrenzimmers bewege sich in
dem Ideenkreise der männlichen Individualität; sie wird vorzugs-
weise ernster Natur sein und nimmt Bezug auf den Beruf des Mannes.
Hier wird ein etwaiger Sammlersinn sich äußerlich bethätigen können.

Eine ernste, nicht zu dunkle Farbenstimmung in der stofflichen Aus-
stattung des Rauines wird die geistige Thätigkeit sammeln uni>
konzentriren.

Anders bei dem Boudoir. Hier darf die unbeschränkte Laune
der Gebieterin herrschen. Helle, lichte Farben, ein heiteres Gepräge
in der dekorativen Ausschmückung, graziöse, allegorisirende oder land-
schaftliche Vorwürfe in der malerischsten Ausschmückung können das.
lebhafte, kurz abbrechende, nicht beharrliche weibliche Mesen am besten
karakterisiren. Der Spiegel und ein geschickter Ausblick auf das Leben
und Treiben außerhalb des Hauses, und sei es ein nur kleiner Garten,
dürfen nie fehlen. In Allem aber walte nichtsdestoweniger der Ka-
rakter einer gewissen Repräsentation, die in anspruchsloser Meise
auftritt, aber auch von den Besuchern den Druck steifer Förm-
lichkeit nimmt. Anders dagegen das von dem Boudoir völlig zw
trennende Ankleidezimmer der Frau. Das Ankleidezimmer der Fraw
sei ein trauter wonniger Raum, mit Reiz und Liebenswürdigkeit aus-
gestattet. Es liege in der Nähe des Schlafzimmers und bewahre
heiteren, sorglosen Karakter in der Art seiner Ausstattung. Es
werden deshalb immer lichte, bunte Farben, die jedoch nicht den
Karakter der zu scharfen Gegensätze an sich tragen, mit Vorliebe'ge-
wählt werden. Der Boden sei mit einem lichten Teppich belegt,
über welchen sich noch an geeigneter Stelle ein eisgraues Fell legt.
Buntgeblümte Baumwollstoffe bedecken Mände und Möbel gleichmäßig,
an bestimmten Stellen verrathe ein guter Kupferstich oder ein Aqua-
rell in heiteren Farben den Kunstsinn der Bewohnerin des trauten
Raumes. Der rosa durchleuchtete und in weiße Musselinwolken ein-
gehüllte Toilettentisch trage eine weiße Marmorplatte, von welcher die
einzelnen Toilettegeräthe mit ihrem funkelnden Silberbesatze und dem
blitzenden Kristallglase sich abheben. Machskerzen stehen in hohen
 
Annotationen