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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Ferenczy, Max: Merkwürdige Fächer, [1]: eine kunstgewerbliche Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0086

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Mai-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-Dekoration".

Seite 69.

evkwüvülgL Mächev.

Line kulturhistorische kunstgewerbliche Plauderei von Vr. Max Ferenczy.

sir können unsere Zeit füglich als die Periode der Aus-
stellungen bezeichnen. — Wohl eine der merkwürdigsten
Ausstellungen, nicht des lebendigen Genres, sondern speziell
kulturhistorischer und kunstgewerblicher Natur befindet sich in dem be-
kannten South-Kensington-Museum zu London, dessen mannigfache
Lammlungen insbesondere zum Studium wie zur Förderung des Kuust-
fleißes dienen sollen und bedeutende Anziehungskraft ausüben.

Ls ist eine Sammlung von Dingen meist höchst zerbrechlicher
und vergänglicher Art, die aber doch zum Theil ein Alter von mehreren
Jahrhunderten erreicht haben und noch gesund und heil sind, nachdem
ihre Verfertiger wie Besitzerinnen längst zu Staub und Asche ge-
worden sind
— eine Aus-
stellung von
Fächern, an
die sich zum
Theil man-
cherlei inter-
essante histor-
ische Erinner-
ungen knüp-
fen. Welche
schönen und
zarten Hände
haben nicht
die meisten
der hier zur
Ansicht ver-
einigten zier-
lichen Spiel-
werke einst ge-
halten und
regiert! Gar
Manche sind
es,dieinWirk-
lichkeit ihre
lange und in-
teressante Ge-
schichte haben

und wieder andere, mit denen unsere Linbildungskunst leicht eine
solche in Zusammenhang bringen kann. Da gewahren wir z. B. einen
Fächer, der uns die Toilette von Ludwig XIV. anmuthiger und geist-
voller Freundin, der lehrgeizigen Fran^oise Athenais Marquise von
Montespan, vergegenwärtigt; es ist derselbe, von dem uns die be-
rühmte Frau vou Sevigne (geb. (626, gest. (696) in einem ihrer
stilistisch klassischen Briese eine genaue Beschreibung hinterlassen hat.
Von Llfenbein und mit großer Kunst bemalt, stellt er die Marquise
selbst vor, während zwei Zofen ihren haarputz ordnen und eine andere,
zu ihren Füßen knieend, einen Spiegel zu ihr emporhält, in solcher
Lage freilich, daß es der Herrin unmöglich sein muß, nur einen Blick
ihres reslektirten Antlitzes zu erhaschen. Wie viele Augen mögen be-
wundernd und neidisch auf dieses kleine Gemälde geschaut haben, seit
es der Künstler den Händen der schönen Besitzerin überließ.

Noch andere Fächer aber enthält jene interessante Sammlung,
die wohl zu mannigfachem Nachdenken Veranlassung geben können.

Zwei derselben gehörten vordem der unter Ludwig XV. von
Frankreich fast zwanzig Jahre hindurch allmächtigen Marquise von

Pompadour an; der eine mit einem prachtvoll geschnitzten und ver-
zierten Llfenbeingriffe, der andere so dünn wie Spinngewebe in Papier
ausgeschnitten mit da und dort auf diesem befestigten Medaillonbildern
in Wasserfarben, allegorisch-mythologischen Darstellungen im Geschmacks
der Zeit, doch von wahrem Kunstwerthe.

Vier Fächer rufen das Andenken der unglücklichen Königin
Marie Antoinette zurück, jene Tage, als sie als huldvolle Gebieterin
von Klein-Trianon alle Welt entzückte und in ihrem zwischen Gebüsch
versteckten Müllerdörfchen mit Ludwig XVI., mit dem Grafen von
Artois und anderen vertrauten Gästen ihres Hofes sich harmlosen
Schäserspielen hingab, die nachher so schwerer und schmachvoller

Mißdeutung
unterliegen
sollten. Der
eine dieserFä-
cher ist zur
Erinnerung
an ihre Ver-
mählung mit
dem damal-
igen Dauphin
gemalt wor-
den, dergestalt
den ersten Akt
eines Dramas
feiernd, das
einen so ent-
setzlichen Aus-
gang nahm.
Ueberhaupt
scheinen die
Motive vieler
Fächerbilder
aus dem vor-
igen Jahr-
hundert den
Hochzeiten —
von mehr oder
weniger er-
lauchten Persönlichkeiten entlehnt zu sein. Außer dem vorstehend er-
wähnten Fächer verherrlicht ein weiterer Fächer die Verbindung Lud-
wig XV. mit Maria Leszczynska, der Tochter des flüchtigen Königs
Stanislaw I. von Polen; ein anderer wurde zur Vermählung der
Prinzessin Helene von Mecklenburg-Schwerin mit dem Herzog von
Orleans, dem Lohne Ludwig Philipps, im Jahre (837 geschaffen und
eine Reihe außerdem vorhandener Fächer bezieht sich auf dergleichen
Feierlichkeiten neueren Datums, aus die Verheirathung der Gräfin von
Paris, auf die Rückkehr des Prinzen von Wales von den Festen, die
gelegentlich der Vermählung seiner Schwägerin mit den: russischen
Thronfolger in Kopenhagen stattsanden re.

And steigen wir aus der Sphäre solches höchsten und allerhöchsten
Menschendaseins in eine etwas minder erhabene Region hernieder, so
finden wir noch eine ganze Reihe von Fächern vereinigt, die — bis
auf die ersteu Dezenten unseres Jahrhunderts hinab — Damen der
vornehmen Welt gelegentlich ihrer Vermählungsfeier als Geschenke
überreicht worden sind und deren Malereien und sonstiger Ausschmuck
auf diese Ereignisse anspielen. (Fortsetzung folgt.)

Abbildung Nr. ;70. Uinderzimmev im englischen Stil. Mriginal-Skizze.
 
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