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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Nachklänge der Pariser Weltausstellung
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Fenster und Gardine
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Des Lieblings Ecke
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0014

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Seite 6.

Nr. I.

„Fachblatt für Innen-Dekoration".

und der Welt eine bessere Meinung beizubringen versuchen. Auch wir
wollen dazu beitragen und sagen dies gleich in unsrer ersten Nummer.
Denn die Fachpresse hat hier vor Allem ihre Schuldigkeit zu thun.
Dabei schmeicheln wir uns, gerade die Branchen zu vertreten, die wohl
dem edelsten Berufe: „Der Schmückung des Heims" gewidmet
sind — Branchen die unter sich allein eine Ausstellung veranstalten
könnten, die das größte Interesse bieten und eine ungemein große An-
ziehungskraft ausüben müßte, wenn Alle dabei wären. Dein: was giebt
es Schöneres als ein trautes Heim?

Auch haben wir unter den Vertretern dieser Branchen so hoch
angesehene Männer, daß, wenn sie zusammentreten und die Anregung zu
einem friedlichen Wettstreite gäben, diese Worte sicher nicht ungehört
blieben. Von einer Seite muß der Anstoß kommen und wir werden
unsere Spalten inimer mit Freuden dazu hergeben, bis die Sache in
Fluß kommt. Und dies wird geschehen!

Denn kommen wir noch einmal mit wenig Worten ans die
finanzielle Seite zurück. Müssen wir nicht das Volk bewundern, das
wenige Jahre nach einem unglücklichen Kriege und der darauf gefolgten
Aufbringung einer enormen Kriegsentschädigung die Einladung zu einer
„Weltausstellung" erlassen konnte? — und das heute mit so glänzendem
Erfolge schon wieder eine solche geschlossen hat? Der Industrie ist ein
großer Dienst erwiesen, Geld ist in Massen in das Land geflossen lind
Frankreich steht, besonders was die Jnnen-Dekoration anlangt, für fremde
Völker immer noch als Muster da. Sogar wir schicken unsere Zeichner
nach Paris, um sich dort zu bilden lind Anregung zu neuen Ideen zu holen.

Was ist bei uns in dieser Hinsicht geschehen? Wir haben die
Blasse Geld nach dein Kriege erhalten. Mit jedem Jahre haben wir
mehr Geld für Rüstungen aufgebracht, um uns zu einem mächtigen Volke
zu machen, dessen Freundschaft zu erwerben der Mühe werth war.
Dank der vorzüglichen und viel bewunderten Staatsleitung sind unsere
politischen Beziehungen die denkbar günstigsten geworden. Nach der
Befestigung des Ansehens nach Außen hin, und nach den Opfern, die
ohne Murren gebracht worden sind, dürfte es nun aber auch wohl nur
natürlich sein, daß wir für unsere inneren Verhältnisse, für unsere
Industrie etwas thäten? Das Mittel hätten wir in einer „Welt-
Ausstellung."

Durch die dazu nöthigen Vorarbeiten würden viel Arbeitskräfte
gebraucht, die Verhältnisse der Arbeiter würden sich verbessern, durch die
Ausstellung selbst würden alle unsere sozialen Streitigkeiten eine ge-
waltige Ableitung finde». Geld würde iu das Land fließen und der
Volkswohlstand müßte gehoben werden. Auch andere Vortheile kommen
in Betracht. Nicht Jeder bei uns kann sich den Luxus gestatten in's
Ausland zu reisen, um eine Weltausstellung zu sehen. Wie anders im
eignen Lande, wenn Eisenbahnen und Alles dazu beiträgt, den Besuch
zu erleichtern. Eine Weltausstellung zu sehen, ist ungemein lehrreich;
ja für Jemand, der den Anblick zum ersten Male hat, ist derselbe über-
wältigend. Interesse auf allen Seiten und zu lernen an jeder Stelle,
wo das Wissen und Können der ganzen Welt vereinigt ist. Jeder,
sogar der Arbeiter, wird in seinem Fache sehen, wo Andere uns über-
legen sind. Allerhand neue Gedanken und Ideen werden bis in die
tiefsten Schichten des Volkes getragen. Der Nacheifer wird erweckt und
auf allen Gebieten später nach gleicher Vollkommenheit gestrebt werden.
Alles Umstände, die den Franzosen durch die wiederholten Weltaus-
stellungen zu Gute gekommen sind. Und nicht zun: geringsten Theil
verdankt die französische Industrie diesen Umständen ihre Ueberlegenheit.
Den größten Vortheil aber hat die eigne Industrie dadurch, daß sie sich
vor aller Welt am vollständigsten entfalten kann, und das leuchtet ohne
Weiteres ein.

Wir haben unzählige kleine Ausstellungen gehabt; —
deren sind wir müde. Die Franzosen haben stets nur Weltausstellungen
gehabt, und einer solchen bedürfen auch wir.

Wir brauchen sie zur Verbesserung unsres Volkswohlstandes und
zur Hebung unserer Industrie, damit sie Gelegenheit findet, ihre Leistungs-
fähigkeit vor aller Welt zu entfalten und in fremden Ländern später
mit dem nöthigen Erfolge in den Wettstreit treten kann. Und wir
zweifeln auch keinen Augenblick, daß bei der geringste,: Anregung von
Seiten der deutschen Industriellen die Regierung bereitwilligst ihre Un-
terstützung in dieser gemeinnützigen Angelegenheit Zusagen wird.

Wäre dies doch auch das beste Mittel, der Welt zu zeigen, daß
wir ernstlich und trotz aller militärischen Rüstungen nur für den
Frieden sind. _

Monster und Dardme.

ierübcr entnehmen wir einer früheren Nummer der Wochenschrift „Fürs Haus"
nachstehenden interessanten Aufsatz von Max Gerlach:

Unser Fenster mit seinen hölzernen Rahmen macht innerhalb der steinernen
Wand den Eindruck des Eingesetzten, Fremdartigen. Das Fenster ist ein Glied des
Hauses, must mit demselben also nicht bloß äußerlich, sondern organisch verbunden
sein. Das wird gegenwärtig, selbst bei sogenannten Monnmcntnlbanren, übersehen.
Der romanische »nd der gothische Banstyl behandeln das Fenster künstlerisch richtig.
Hier ist das Kreuz nicht eingesetzt, sondern wächst mit seinen Verzweigungen ans der
Wand heraus, ist infolge dessen gleichfalls von Stein und bringt so den Eindruck
der Einheitlichkeit des Bauwerkes hervor, welchen jene feinfühligen Kunstrichtungen
noch erhöhen durch Anwendung der bunten Scheiben, weil sich hier der Uebergang

vom Undurchsichtigen zum Durchsichtigen sanfter vollzieht, als beim farblosen Glase.
Unser blendendes, unvermitteltes Fenster aber erscheint als Loch, als Höhle, in Ver-
schon, ohne des Feuers Macht, „das Granen wohnt", d. h. die Ungemüthlichkcit.

Diesen Mangel wenigstens von innen anszugleichen, ist die G a r din e erfunden,
eine künstlerische Lückcnbüßerin, ein Pflaster für eine Wunde Stelle. Während sie
am romanischen oder gothischen Fenster eine Geschmacklosigkeit wäre, soll sie hier den
Uebergang zwischen Mauer und Oeffuuug, Finsterniß und Licht Herstellen. Seit altcr
Zeit bedient inan sich dazu ganz weißer Geivebe, ohne zu fühlen, daß das eine Aus-
treibung des Teufels durch Beelzebub ist. Eine solche Gardine betont ja gerade die
eine Seite des Gegensatzes, anstatt ihn anfzuheben. Der Uebergang zwischen zwei
Dingen trägt immer Halb den Charakter des einen, halb den des andern. Die
Gardine muß daher halb dunkel, halb hell sein, dunkel der Wand zunächst,
als sogenannte Uebcrgardine, hell und durchsichtig nach der Mitte zu. Das
gewährt jenen vornehmen Anblick, dessen Geheimnis; nichts ist, als richtige künstlerische
Ueberlegung.

-Das Muster der Gardine zeigt noch oft natürlichö'Blumen. Nun dient sie
zwar nicht, wie der Teppich, als Unterlage; ein unmittelbarer Widerspruch zwischen
Form und Bedeutung fände hier also nicht statt, es ist aber überhaupt eine Barbarei,
der Natur ihre Formen zu stehlen, statt sic künstlerisch zu verarbeiten. Eine solche
Nachbildung hat nur Sinn, wo sie mit Vollkommenheit ansgcsnhrt werden kann, so
daß sic nahezu denselben Eindruck macht, wie das Urbild, also in der Malerei, nicht
aber in der Weberei, welcher mit aller Kunst, nur grobe Nachahmungen gelingen
können. Einer gewebten Rose gegenüber hat jeder nur die Empfindung, daß die
Sache in der Natur selbst tausendmal schöner sei. Man entlehnt also den Körper
ohne die Seele, die Form ohne den Geist; die jetzt verschwindende Vorliebe für das
Blumenmuster ist folglich ein geistloser Geschmack, ein Armuthszeugmß, und so an-
mnthig eine mit wirklichen Rosenknospen besteckte Gardine ansschen mag, eine mit
eingcwirktcn gleicht jener Krähe der Fabel, deren schöne Federn sich als gestohlene
entpuppten. — Die Arabeske ist auch hier das Richtige. - Tie Zeichnung darf, der
Natur der Gardine entsprechend, nur senkrecht verlaufen, und zwar am besten
streifenförinig, weil ein über das Ganze sich ausbreitendes Muster infolge der tiefen
Falten nur als Stückwerk, also im Widerspruch mit sich selbst, zur Erscheinung käme.

Dieses Bestreben, auch die geringfügigen Dinge nach ihrer Natur zu behandeln,
schelte niemand kleinlich. Es dient dazu, über unser Heim einen Schimmer von
Einklang, d. i. Frieden zu verbreiten, den Widerschein einer besseren Welt. „Was
wir als Schönheit hier empfinden, wird einst als Wahrheit uns entgegengehn."

Nes LielUimis Dcke.

k. k. östcrr. Museum für kennst und Industrie, wo dermalen die ebenso reich
wie prachtvoll beschickte Jubiläumsausstellung dieser hervorragenden Staats-
anstalt eingerichtet wird, befindet sich ein Interieur, das der Eigenartigkeit der Idee
wegen, als auch der überaus genialen Ausführung derselben, es verdient, auch den
weiteren Fachkreisen zur Kcnntniß gebracht zu werden.

„Des Lieblings Ecke" nennt der Aussteller, k. k. Hof-Modelleur Sandor JLrah
diesen seinen Ausstellungsgegenstand und wcthrlich, nicht leicht wäre eine bessere Be-
zeichnung für diese reizend schöne Zusammenstellung zu finden, die bei Sachverstän-
digen wie Laien die gleiche Anerkennung und Bewunderung erzielt..

Wir wollen es versuchen, die zur Ausführung gelangte Phantasie des so
glücklich veranlagten Kunstindnstriellen zu schildern, bemerken aber im Vorhinein,
daß die Feder nur ein schwaches Bild zu geben vermag: .. -

In einer hübschen zeltartigen Umrahmung sehen wir den Theil eines im
Stile Louis XV. gehaltenen Damcn-Salons. Die. Standmöbel sowie die sicht-
baren Theile der Sitzmöbcl sind weiß läckirt, bronzeartig vergoldet und mit Bildern
nach Art von Verni Martin verziert. Der Dekor des Interieurs ist. in weiß mit zarter
Verzierung in Gold gehalten, die kruinsaux in frais mit in lichten Farben kolorirten
blumendessinirter Seide gespannt. In der Mitte des Panneau hängt in einen: reich
geschnitzten sehr zarten Goldrahmen, eine von Künstlerhand reizend gemalte Frauen-
gestalt im Rokoko-Kostüme, rechts und links je eine kleine Hänge-Etagdre mit Spiegel
im Hintergrund und Büchern in Miniatur-Einbänden, in der Ecke ein Eckschränkchen
in halbrunder und außerdem noch geschweifter Grundform. Die Holzkonstrnktion
ist derart zart, daß es den Beschauer Wunder nimmt, wie dieser Schrank beisammen
bleiben kann; der Aufsatzkasten sowie der untere Theil des Schränkchens find voll-
ständig durchsichtig, da alle Flächen aus Spiegeltafeln bestehen, wovon einige wieder
in der Technik Verni Martin nach Boucher gemalte Bilder zeigen und im Verein
mit dem lichtblauen Plüsch, womit das Kästchen in seinem Innern austapezirt ist,
diesem Möbelstücke bei aller seiner Zartheit Leben und Farbe verleihen.

Dem oben geschilderten Schranke gegenüber befindet sich, eine Ecke bildend,
ein fünftheiligcr Wandschirm, dessen jeder einzelne Theil in einer anderen, immer
aüer eigenartigen und bisher »och nicht gesehenen Art dekorirt ist.

Der mittlere Theil wird von zwei reizenden Amoretten, welche als Träger
einer Uhr erscheinen, bekrönt, die aus der Ornamentik sich entwickelnden sehr zarten
Blnmcn-Gnirlanden liegen auf dem, das Obertheil ausfüllcndeu, belegten Spiegel-
glas, von wo ans sich diese, zurückschlängclnd auf die anderen vier Theile des Wand-
schirmes übergehen und das Ganze verbinden. Aus der Theilungsarchitektur ent-
wickelt sich eine sehr schön ornamentirte ganz kleine Jardiniäre, gefüllt mit zarten
Blumen, die iu dem Spiegel nochmals wicdererscheiuen. Die an dem Mittcltheil beider-
seitig sich anschließenden je zwei Seitentheile sind oben mit durchsichtigem Spiegelglas
versehen, das jedoch in einer, bis jetzt gänzlich unbekannten Art in geradezu über-
raschend wirkungsvoller Weise ausgestattct ist. Auf jeder dieser Füllungen befinden
sich, in den zartesten nur dem Erzeuger bekannten, eigenartigen Goldtöneu an rsiiet-
srci anfgetrngcn, spielende Amoretten von Blumen umrankt und ausländischen Vögeln
umflattert. Im Gegensätze zu den oberen Füllungen sind die unteren Theile des
 
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