JULIUS HESS.
BEI TISCH. AKADEMIEAUSSTELLUNG BERLIN
CEZANNE UND DER KUBISMUS
Lieber Herr Bernard! Sie werden sehr wahr-
scheinlich, wenn Sie dieses Schreiben erhalten,
einen Brief aus Belgien bekommen haben. Die
Kunst-Sympathiebezeugung, die Sie mir durch
Ihren Brief ausdrücken, freut mich sehr. Er-
lauben Sie mir, zu wiederholen, was ich Ihnen
schon hier sagte: Man behandle die Natur ge-
mäß dem Zylinder, der Kugel und dem Kegel
und bringe das Ganze in die richtige Perspek-
tive, so daß jede Seite eines Objektes, einer
Fläche, nach einem Mittelpunkt führt. Die mit
dem Horizont parallel laufenden Linien geben
die horizontale Ausdehnung eines Ausschnitts
der Natur, oder, wenn es Ihnen lieber ist, des
Schauspiels, das der Pater omnipotens aeterne
Deus vor unsern Augen ausbreitet. Die zu die-
sem Horizont senkrecht stehenden Linien geben
die Tiefe. Nun ist aber die Natur für uns
Menschen mehr Tiefe als Horizontalfläche,
daher die Notwendigkeit, in unsere durch die
roten und gelben Farbtöne wiedergegebenen
Lichtvibrationen eine genügende Menge von
blauen zu mischen, um eine Luftwirkung zu
erreichen.
Ich möchte Ihnen noch sagen, daß ich die Studie,
die Sie vom untern Stock meines Ateliers
machten, nochmals betrachtet habe. Sie ist gut.
Sie brauchen, glaube ich, nur auf diesem Wege
weiterzugehen. Sie besitzen die nötige Einsicht in
die Erfordernisse der Kunst, und Sie werden bald
so weit kommen, daß Sie den Gauguin und van
Gogh den Rücken drehen können!... Cezanne
43
337
BEI TISCH. AKADEMIEAUSSTELLUNG BERLIN
CEZANNE UND DER KUBISMUS
Lieber Herr Bernard! Sie werden sehr wahr-
scheinlich, wenn Sie dieses Schreiben erhalten,
einen Brief aus Belgien bekommen haben. Die
Kunst-Sympathiebezeugung, die Sie mir durch
Ihren Brief ausdrücken, freut mich sehr. Er-
lauben Sie mir, zu wiederholen, was ich Ihnen
schon hier sagte: Man behandle die Natur ge-
mäß dem Zylinder, der Kugel und dem Kegel
und bringe das Ganze in die richtige Perspek-
tive, so daß jede Seite eines Objektes, einer
Fläche, nach einem Mittelpunkt führt. Die mit
dem Horizont parallel laufenden Linien geben
die horizontale Ausdehnung eines Ausschnitts
der Natur, oder, wenn es Ihnen lieber ist, des
Schauspiels, das der Pater omnipotens aeterne
Deus vor unsern Augen ausbreitet. Die zu die-
sem Horizont senkrecht stehenden Linien geben
die Tiefe. Nun ist aber die Natur für uns
Menschen mehr Tiefe als Horizontalfläche,
daher die Notwendigkeit, in unsere durch die
roten und gelben Farbtöne wiedergegebenen
Lichtvibrationen eine genügende Menge von
blauen zu mischen, um eine Luftwirkung zu
erreichen.
Ich möchte Ihnen noch sagen, daß ich die Studie,
die Sie vom untern Stock meines Ateliers
machten, nochmals betrachtet habe. Sie ist gut.
Sie brauchen, glaube ich, nur auf diesem Wege
weiterzugehen. Sie besitzen die nötige Einsicht in
die Erfordernisse der Kunst, und Sie werden bald
so weit kommen, daß Sie den Gauguin und van
Gogh den Rücken drehen können!... Cezanne
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