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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Michel, Willhelm: Privater und öffentlicher Lebenskreis
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0259

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INNEN-DE KORATI ON

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PRIVATER UND ÖFFENTLICHER LEBENSKREIS

Mein Heim, meine Familie, meine Geisteswelt -
solche Begriffe deuten auf die private Sphäre,
die jeder Mensch um sich hat. Ihre Berechtigung
stammt aus der Grundtatsache, daß jeder Mensch
sich zunächst als ein Ich erlebt. Daher ist er als
Mensch nur da vorhanden, wo er als ein Ich, d. h.
als eine von anderen verschiedene Persönlichkeit,
existieren kann. Eine dauernde und vollkommene
Aufhebung der privaten Sphäre würde die innere
Verelendung des Kulturmenschen und schließlich
die Zerstörung der Kultur bedeuten. Nichts hat den
kulturfeindlichen Affekt in den modernen Zerr-
formen des Kommunismus schärfer bekundet als das
grundsätzliche Gegenstreben gegen das persönliche
Dasein, das mit ihnen einherkam. Familien wurden
absichtlich zerrissen, die Ehe unterhöhlt, Menschen
zu dauernder Tuchfühlung in zehnfach überfüllten
Wohnungen gezwungen; und dazu paßte wunderbar,
daß das Abschließen der Wohnungstür als »unsozial«
gebrandmarkt wurde. Auf feinere, salonfähige Weise
erschien diese Verleugnung menschlicher Grund-
bedürfnisse in jenen Einraumhäusern, die vom Haus-
flur bis zum Dachboden einen einzigen, nur durch
Teilwände gegliederten Raumzusammenhang bil-

deten. Und es zeigte sich am Sonderbeispiel der
Wohnung, was für die moderne Gleichmacherei auch
im Politischen und Sozialen gilt: Sie setzte den fal-
schen Trennungen des Individualismus ebenso falsche
Verknüpfungen entgegen.

Ist also eine abgeschlossene private Sphäre ein
Grundbedürfnis des Kulturmenschen, so ist der Ab-
schließung doch ein deutliches Maß gesetzt. Dieses
Maß liegt da, wo in jedes Einzelleben mächtige, vor-
antreibende Ideen hereinragen, die in bestimmten
geschichtlichen Augenblicken ein ganzes Volk er-
greifen. Bei der Eröffnung der diesjährigen Leipziger
Schau »Deutsches Wohnen« sprach die Obergau-
führerin Clementine zu Castell das Wort: Es gibt für
uns heute keine Trennung mehr von politischem und
persönlichem Leben. Dieses Wort bezog sich auf das
Heim, das jeder einzelne sich errichtet, und es wollte
sagen, daß die großen Allgemeinverpflichtungen, die
uns als deutsche Menschen dieses Augenblicks führen
und beschwingen, nicht nur unser Leben in der
Öffentlichkeit betreffen. Gerade im persönlichen
Leben müssen wir sie anerkennen und verwirklichen!
Keineswegs durch Auslöschung unsrer Persönlich-
keit, sondern durch Geltendmachung derselben inner-
 
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