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INNEN-DEKORATION
I
ARCH. LUC1AN BERNHARD — BERLIN ERKER AUS EINEM DAMENZIMMER
MOBELTYPEN UND KÜNSTLERMÖBEL
m Möbelgewerbe ist nach den jahrzehntelangen Kämpfen Wandarchitekturen mit Säulen, Bogen und Lisenen, da
vollkommene Ruhe noch nicht eingetreten. Die An- jede Wand wie eine Hausfassade behandelt wurde. Jedes
schauungen haben sich noch nicht geklärt, man kämpft einzelne Stück, jeder Stuhl und Leuchter mußte, der
und sucht noch, die Grenzen der Machtbezirke wandern Raumarchitektur entsprechend, besonders gezeichnet wer-
hin und her. Bald erweitert sich der Einfluß des Künst- den, der Architekt war Alleinherr, die Möbelfabrik sank
lers, dann tritt er wieder zurück vor der Macht von zur ausführenden Werkstatt herab.
Fabrikant und Händler, der Käufer bleibt imUnge- Allmählich, aber deutlich und immer deutlicher, tritt
wissen, wem er sich anvertrauen soll. Selten vereint, in diesem Verhältnis eine Änderung zutage. Das Möbel
meist in scharfem Gegensatze, bemühen sich diese Fak- wird selbständiger, löst sich aus der Architektur des
toren um die Entwicklung des deutschen Möbels, um die Raumes, die immer mehr an Wichtigkeit und Aufwand
Zukunft unserer Wohnungskunst, um den Weltmarkt, einbüßt. Die schweren Säulen und Bogen verschwinden,
Den wirtschaftlichen Kämpfen entsprechen solche im Ge- die geometrische Starrheit der Wände schmilzt dahin,
biet der Theorie, die literarischen Auseinandersetzungen Wo eben noch die strengen Geraden die Fläche recht-
über die Aufgaben des Raumkünstlers, über Käufer- winklig und symmetrisch »aufteilten«, breitet sich jetzt
pflichten und über die Stellung des Möbelfabrikanten buntes Gerank, die körnige, natürliche Wand, die leichte
hängen mit jenen wirtschaftlichen Bestrebungen aufs Papiertapete treten wieder in ihre Rechte ein. Auf die
innigste zusammen. Zeit der schloßartigen Innenarchitektur folgt wieder
In dieser Mächtegruppe ist die Stellung des Künst- ein Stil der bürgerlichen Mietwohnung. Angebahnt
lers unverkennbar zur Zeit einer Umwandlung unter- und vorbereitet war diese Entwicklung bereits durch die
worfen. Das Gebiet seiner Tätigkeit, seines Einflusses, Vorliebe für das biedermeierliche Möbel, das alle Zeichen
wird, ich will nicht sagen, verkleinert, aber zum mindesten der Freizügigkeit trägt, ein Erzeugnis der Werkstatt
verschoben. Noch bis vor kurzem betrachtete sich der ist und niemals Spezialentwurf für einen bestimmten
Innenarchitekt vornehmlich als Raumkünstler, er entwarf Raum, sondern ein Typ, geeignet für jede bürgerliche
nicht Möbel und Beleuchtungskörper und Teppiche, son- Wohnung. Wenn wir die noch nicht abgeschlossene Ent-
dern architektonische Gebilde, Zimmer und Säle, bei wicklung kennzeichnen wollen, die heute das deutsche
denen Raum und Einrichtung eine unlösbare Einheit waren. Möbelgewerbe wieder einmal von Grund aus umgestaltet,
Der Schrank war ein Teil der Wand, der Leuchter ein so kann man sagen, wir steuern auf den Typ, das selb-
Teil des Tisches, auf dem er stand. Es war die Zeit der ständige Möbel, auf das Werkstatt-Erzeugnis los.
INNEN-DEKORATION
I
ARCH. LUC1AN BERNHARD — BERLIN ERKER AUS EINEM DAMENZIMMER
MOBELTYPEN UND KÜNSTLERMÖBEL
m Möbelgewerbe ist nach den jahrzehntelangen Kämpfen Wandarchitekturen mit Säulen, Bogen und Lisenen, da
vollkommene Ruhe noch nicht eingetreten. Die An- jede Wand wie eine Hausfassade behandelt wurde. Jedes
schauungen haben sich noch nicht geklärt, man kämpft einzelne Stück, jeder Stuhl und Leuchter mußte, der
und sucht noch, die Grenzen der Machtbezirke wandern Raumarchitektur entsprechend, besonders gezeichnet wer-
hin und her. Bald erweitert sich der Einfluß des Künst- den, der Architekt war Alleinherr, die Möbelfabrik sank
lers, dann tritt er wieder zurück vor der Macht von zur ausführenden Werkstatt herab.
Fabrikant und Händler, der Käufer bleibt imUnge- Allmählich, aber deutlich und immer deutlicher, tritt
wissen, wem er sich anvertrauen soll. Selten vereint, in diesem Verhältnis eine Änderung zutage. Das Möbel
meist in scharfem Gegensatze, bemühen sich diese Fak- wird selbständiger, löst sich aus der Architektur des
toren um die Entwicklung des deutschen Möbels, um die Raumes, die immer mehr an Wichtigkeit und Aufwand
Zukunft unserer Wohnungskunst, um den Weltmarkt, einbüßt. Die schweren Säulen und Bogen verschwinden,
Den wirtschaftlichen Kämpfen entsprechen solche im Ge- die geometrische Starrheit der Wände schmilzt dahin,
biet der Theorie, die literarischen Auseinandersetzungen Wo eben noch die strengen Geraden die Fläche recht-
über die Aufgaben des Raumkünstlers, über Käufer- winklig und symmetrisch »aufteilten«, breitet sich jetzt
pflichten und über die Stellung des Möbelfabrikanten buntes Gerank, die körnige, natürliche Wand, die leichte
hängen mit jenen wirtschaftlichen Bestrebungen aufs Papiertapete treten wieder in ihre Rechte ein. Auf die
innigste zusammen. Zeit der schloßartigen Innenarchitektur folgt wieder
In dieser Mächtegruppe ist die Stellung des Künst- ein Stil der bürgerlichen Mietwohnung. Angebahnt
lers unverkennbar zur Zeit einer Umwandlung unter- und vorbereitet war diese Entwicklung bereits durch die
worfen. Das Gebiet seiner Tätigkeit, seines Einflusses, Vorliebe für das biedermeierliche Möbel, das alle Zeichen
wird, ich will nicht sagen, verkleinert, aber zum mindesten der Freizügigkeit trägt, ein Erzeugnis der Werkstatt
verschoben. Noch bis vor kurzem betrachtete sich der ist und niemals Spezialentwurf für einen bestimmten
Innenarchitekt vornehmlich als Raumkünstler, er entwarf Raum, sondern ein Typ, geeignet für jede bürgerliche
nicht Möbel und Beleuchtungskörper und Teppiche, son- Wohnung. Wenn wir die noch nicht abgeschlossene Ent-
dern architektonische Gebilde, Zimmer und Säle, bei wicklung kennzeichnen wollen, die heute das deutsche
denen Raum und Einrichtung eine unlösbare Einheit waren. Möbelgewerbe wieder einmal von Grund aus umgestaltet,
Der Schrank war ein Teil der Wand, der Leuchter ein so kann man sagen, wir steuern auf den Typ, das selb-
Teil des Tisches, auf dem er stand. Es war die Zeit der ständige Möbel, auf das Werkstatt-Erzeugnis los.