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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 4.1887

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Kirchenbaukunst in der württembergischen Residenz, [1]
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Die Kapelle zur hl. Maria in Schleinsee
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https://doi.org/10.11588/diglit.20204#0020

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Schaft, ihres Jugend-, sowie des Jünglingsvereinshauses,
Kleinkinderpflegen, Krippen, der von ihnen erbauten
Spitälern, Stifte, Heilanstalten, Diakonissenhänsern, Missions-
^^uden u. s. w. der Fall. Wohl sind hier Räume vorhanden,
He zum Lobe Gottes, zur Erklärung und Deutung des Wortes
^ltes bestimmt sind, aber die hehre Kunst fehlt. Und doch
^.diel, in Praxis und in der Theorie, seit längerer Zeit
^Ichehen und geschaffen worden, speziell in dem GedarUen,
M echt „evangelische Kunst" in der evangelischen Landes-
.^che zu kreieren, natürlich im bewußten Gegensatz gegen die
.Z'schiedenen Stile der eigentlichen, katholischen Kirchenbau-
Diese Bestrebungen erkennen wir sehr gerne und mit
Jin Gefühle an, daß wirklich viel geleistet wurde. Seit 1858
ciuf den heutigen Tag besteht das evangelische „Christliche
^ ^ustblatt" für Kirche, Schule und Haus, das zuerst in dem
Kannten Verlag von Ebner und Senbert und hernach (1873)

I- F. Steinkopf erschien.
hZ C. v. Grüneisen, K
»lcr

Männer von gutem Klang,
Schnaase und I. Schnorr von
rM'vksfeld leiteten dasselbe. Eigentlicher-Redakteur um oder
M 1860 war der Kandidat des Predigtamts, G. Brunz.
um 24. Mai starb Julius Schnorr von Karolöfeld;
<0 tritt als weiterer Redakteur C. G. Pfannschmidt ein;
^ 20. Mai 1875 verschied im 77. Jahre seines Lebens zu
- "lesbaden Or. Karl Schnaase. Ihm folgte im Jahre 1878
^ Muttgart Or. tUeol. ev. Carl v. Grüneisen, 76,Jahre alt.
Nachfolger war Or. H. Merz, Prälat und Oberkon-
^Iwriulrat in Stuttgart. Folgende Praktiker waren in
M Zeit nach 1860 an der Zeitschrift sehr vielfach thätig:
ZUnul der treue Helfer Heidelofs's iu seiner „Kunst des
yl 'Oelalterö in Schwaben", der bekannte flotte Zeichner und
Zchitekt C. Beisbarth; dann der Erbauer der „Johannes-
Oberbaurat v. Leins, der Erbauer der neuen katho-
„Marienkirche", Hosbaumeister, jetziger Hofbaudirektor
^ Professor und Architekt Bäumer in Stuttgart, später
^ Karlsruhe rc., Oberbaurat Landauer, Alexander v. Tritsch-
rArchitekt, jetzt Oberbaurat und Professor in Stuttgart;
^Mr unser Landsmann, Dombaumeister v. Schmidt in Wien,
^Mstor und Architekt Dollinger, der Erbauer der neuen
,^Jnsonskirche" zu Stuttgart, endlich auch Künstler, wie
^ Direktor der Stuttgarter Kunstschule, Bernhard v. Neher,
E Münchener Glasmaler Gebrüder Scherr u. s. w.
H. Aber trotzdem! Haben diese doch wohl gutgemeintesten
.Strebungen irgend etwas erreicht, haben alle diese Herren
r,.M?cht, den Geist eines „evangelischen Kirchenbanes" herauf-
s^Mchwören? Mit Nichten! Die Theoretiker haben ganz
dy i Zwar deduziert, wie in reliZiomZ sich die Kirche Luthers
katholischen Weltkirche unterscheide und getrennt habe,
Misse sie auch auf dem Gebiete der Kunst andere Wege
Ziele verfolgen. Und der Ausdruck dieses Gedankens
eben jene „evangelische Kirchenbaukunst" sein, d. h. offen
jZM, der Ausschluß der aus dem Boden der katholischen
erwachsenen Kirchenstile beim Neubau von evangelischen
MZ)en unv ^ne eigenartige Anwendung gerade dieser bei der
link Zation älterer, beziehungsweise der Umwandlung früher
h^vlischer in evangelische Kirchen. Dann freilich stehen wir
gerade unseren Gegnern diametral gegenüber: wir können
,in rUem nie und nimmer eine andere Kirchenbaukunst,
Ichi ihr, nach der geschichtlichen Entwicklung, die ver-
iijsMuen Perioden des altchristlichen, byzantinischen, roma-
gotischen oder germanischen, des sogenannten klassisch-,
ihr? "ud römischen, sowie des Renaissancestils, jede mit
Aß Mentümlichen, nicht zu unterschätzenden Schönheiten —
die katholische anerkennen. Nur hier giebt es wahre

„Kirchen", Gotteshäuser, in denen das Hauptmonument, der
Altar, sich in dem gegen Osten gelegenen Chor befindet,
nicht an seine Stelle, der nun in eine Vorhalle oder gar ins
Schiss in möglichst einfacher Architektur rückt, die Kanzel
als Ort der Verkündigung des „reinen Wortes Gottes" tritt,
und ferner jeder Punkt in der Kirche zu einem Platz für einen
Stuhl, und weiter zu einer Empore, welche meistens in
einfache Tribünen ausarten, ausgenützt wird. Das beste Bei-
spiel hiefür bietet die hiesige Stiftskirche, wie wir sie im
speziellen unten in ihrer jetzigen Gestalt, mit den unendlich
sich wiederholenden bepolsterten Bänken, Stühlen mit Stroh-
matten, den verschiedenen, auf einander sich folgenden Emporen
rechts und links, hinten und vornen, den dicken Gesangbüchern
und den Zahlen der jeweiligen Choräle u. s. w., beschreiben
werden. So anerkennend es ist, daß der Stuttgarter Stadt-
bürger so sehr fleißig in seine „Stifts- und Stadtkirche" geht,
so daß dieselbe fast immer überfüllt ist, so sehr schadet es der
gesamten Architektur, daß der Chor mit Bänken vollgepfropft,
die Schisse nicht frei himmelwärts streben, die prächtigen
Pfeiler und Pfeilerbündel durch die Emporen von Holz her-
niedergedrückt werden u. s. w. Und endlich, fragen wir die
oben angeführten Praktiker, und vornehmlich diejenigen
unter ihnen, welche, selbst protestantisch, an und für sich der
Idee eines evangelischen Kirchenbanes nicht abhold zu sein
brauchten, so anerkennen gerade diese am wenigsten einen
solchen an. Insbesondere der Herr Oberbaurat C. F.
v. Leins gesteht schon in einer Denkschrift zur Feier der Ein-
weihung des neuen Gebäudes der K. polytechnischen Schule
zu Stuttgart, am 30. Sept. und 1. Ott. 1864, mit seinem
„Beitrag zur Kenntnis der vaterländischen Kirchenbauten" frei
und unumwunden zu, daß durch die Reformation bei den aus
dem Mittelalter übernommenen Kirchen „eine andere An-
schauung über die Benützung des inneren Raumes zur Gel-
tung gekommen sei, die ... nicht zu deren Vorteil ausge-
fallen". — „Der Tisch des Herrn sollte mitten in der Ge-
meinde sich befinden, wurde also aus dem Hintergründe des
Chors herausgenommen, bis an den Triumphbogen vorgerückt
oder in das Schiff versetzt." — „Es entstunden die Emporen,
mit denen meist die Seitenschiffe größerer Kirchen nachträg-
lich ausgefüllt wurden und welche das Langhaus (Hauptschiff)
verdunkelten und verengten." — „Ebenso verödeten die
Chöre, welche durch Einbau der genannten Emporen verun-
schönert wurden, aus welch' letzteren hauptsächlich bis in die
neueste Zeit eine oder mehrere Orgeln aufgestellt wurden."
— „Der neueren Zeit war es sogar Vorbehalten, die Not-
wendigkeit eines Chors für protestantische Kirchen zu be-
streiten, und manche noch nicht lange erbauten derselben, be-
sonders auf dem Laude, bilden nur ein einfaches Parallelepiped,
an dem vor der nackten, schmalen Wand der Altar steht, und
darüber sich die Kanzel befindet. Nichts erinnert dabei an
eine Kirche, als das Vorhandensein eines Turmes uud die
langen Bogenfenster, die man beiläufig in der Größe der-
jenigen der gotischen Kirchen bemaß und die wiederum inner-
halbs vou den unvermeidlichen Emporen durchschnitten wurden.
Wo dies nicht der Fall, und zwei Reihen viereckiger Fenster
übereinanderlausen, wie an einer Kirche auf deu Eßlinger
Bergen, ist die Unterscheidung von einem Wohnhause kaum
zu finden." (Fortsetzung folgt.)
Dir Kapelle zur lzl. Maria in Schleinsee.
Schleinsee ist ein kleiner, am See gleichen Namens im
Oberamr Tettnaug gelegener Weiler.
 
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