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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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I. Der Codex Manesse: Entstehung und Wirkung

Faksimile-Einband Der Codex Manesse zählt zu den herausragenden Zeugnissen des deutschen Mittelalters: Mit den in ihm versammelten 5.200 Strophen und 36 Leiche – einer lyrischen Großform – wie auch mit seinen farbenprächtigen Dichterminiaturen prägte er das moderne Bild dieser Epoche. Mehr als die Hälfte dieser Texte, die zuvor wohl nur mündlich, auf Einzelblättern oder in Form kleinerer Repertoires tradiert wurden, sind nur hier bezeugt. Ohne den Fleiß der Schreiber und das Engagement ihrer Auftraggeber wären sie heute verloren.

Doch wer waren die Initiatoren der Handschrift? Eine im Codex selbst überlieferte Preisstrophe des Dichters Hadlaub führte die Forschung zur Zürcher Patrizierfamilie der Manesse und einen vage um sie fassbaren Kreis an Literaturliebhabern. Diese raren historischen Mosaiksteine inspirierten seit dem 19. Jahrhundert Schriftsteller wie den Schweizer Gottfried Keller, ein literarisches Bild von der Entstehungsgeschichte des Codex zu entwerfen.

Die erste Sektion der Ausstellung wirft jedoch nicht nur Schlaglichter auf die Entstehung der Handschrift im frühen 14. Jahrhundert, als sich die klassische Zeit der höfischen Literatur bereits ihrem Ende neigte. Sie führt zugleich ins Reich der Staufer im 12. und 13. Jahrhundert, als sich im Umkreis der Herrscher und an den Höfen der mächtigen Reichsfürsten das intellektuelle Interesse an der Liebe und am Ideal ritterlicher Lebensweise entfaltete. Eine glanzvolle Bühne für den Minnesang waren gesellschaftliche Großereignisse wie das schon von Zeitgenossen gerühmte Mainzer Hoffest an Pfingsten 1184. Auf ihm empfing der spätere Kaiser Heinrich VI. nicht nur die Schwertleite, sondern kam auch mit den Liedern der aus der Romania angereisten Trobadors und Trouvères in Berührung. Er selbst sollte der Nachwelt gleichermaßen als Mäzen und Minnesänger in Erinnerung bleiben, dessen Lieder den Codex Manesse eröffnen.

Während die Zürcher Initiatoren die Texte sorgsam zu sammeln suchten, hielten sie eine Aufzeichnung ihrer Melodien nicht für nötig. Sie sind oft nur noch im formalen Raffinement, dem rhythmischen Satzbau und den komplizierten Reimschemata der Lieder zu erahnen. Dass der Minnesang ursprünglich keine Leseliteratur war, sondern von der Aufführung lebte, dafür steht als bekanntestes Beispiel der ‘Sängerstreit auf der Wartburg’ am Hof eines der berühmtesten Literaturförderer, des thüringischen Landgrafen Hermann. Bereits im Spätmittelalter entwickelte sich eine reiche Sagentradition um dieses fiktive Ereignis, so dass es in der Kunst und Literatur seit dem 19. Jahrhundert immer wieder zur Vergegenwärtigung mittelalterlicher Kultur aufgegriffen werden sollte.

Vorschau der Exponate

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