Navigation überspringen
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek

II. Fälschungen (in) der Antike und der Frühen Neuzeit

Fälschungen in der Antike? Gefälschte Antike

Gefälschte antike Öllampe, Universität Heidelberg, Institut für Klassische Archäologie, Antikenmuseum und Abguss-Sammlung, Inv. La 64 (Kat-Nr. II.5c)

Angesichts bislang fehlender eindeutiger Beweisstücke ist es nach wie vor umstritten, ob es das Phänomen der Kunstfälschung bereits in der Antike gab. Wir wissen zwar von in der Antike gefälschten Münzen, Pergament - und Papyrus-Schriftrollen sowie von gefälschtem Schmuck, ob aber in der Zeit des alten Rom bis hin zum Untergang des Weströmischen Reichs im Jahre 476 zum Beispiel Statuen gefälscht wurden, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Bei den vielen im antiken Rom hergestellten Nachbildungen griechischer Statuen handelte es sich jedenfalls nicht wirklich um Fälschungen: Die römischen Käufer wussten, dass sie damit keine griechischen Originale erwarben. Nichtsdestotrotz wird das Phänomen der Kunstfälschung bereits in einzelnen antiken literarischen Überlieferungen thematisiert, so dass es scheint, als fehlten uns bislang lediglich die entsprechenden materiellen Pendants zu diesen Schilderungen. Daraus erklärt sich auch der Umstand, dass in den Publikationen zum Thema Antikenfälschungen in der Mehrzahl solche des 19. und insbesondere des 20. Jahrhunderts behandelt werden, auch wenn es bereits ab der Renaissance gefälschte Antiken gab. Die Antikenfälschungen des 20. Jahrhunderts orientieren sich interessanterweise nicht nur an Originalen, sondern auch an in Publikationen verfügbaren Vorbildern, wie sie bereits im 17. Jahrhundert vorgelegt wurden. Wie die nachfolgenden Sektionen zeigen, beschränken sich Antikenfälschungen jedoch nicht nur auf solche Kleinobjekte, sondern gehen über vermeintlich antike Kopfbedeckungen bis hin zu Monumentalplastiken.

Die gefälschten etruskischen Monumentalplastiken im Metropolitan Museum, New York

Dietrich von Bothmer / Joseph Veach Noble: An inquiry into the forgery of the Etruscan terracotta warriors in the Metropolitan Museum of Art, New York 1961 (Kat.-Nr. II.10)

Zwischen 1915 und 1921 kaufte das New Yorker Metropolitan Museum of Art eine Serie von insgesamt drei vermeintlich etruskischen Monumentalplastiken, die angeblich alle in der Umgebung von Rom gefunden worden waren. 1933 wurden die drei Stücke anlässlich der Eröffnung des neuen Etruskerflügels des Museums der Öffentlichkeit vorgestellt: ein 202 cm großes Standbild eines „Heroischen Kriegers“ aus Terrakotta, ein 245 cm großes Standbild eines „Alten Kriegers“ sowie ein 140 cm großer behelmter Kolossalkopf. Schon hier bekundeten einige der eingeladenen italienischen Experten Zweifel an der Echtheit der Statuen, von denen sich die Museumskuratorin für griechisch-römische Antike, Gisela Richter, unter deren Ägide die Ankäufe getätigt worden waren, nicht beirren ließ. Vier Jahre später veröffentlichte sie einen schmalen Band innerhalb der Reihe der „Metropolitan Museum of Art Papers“, in dem sie die drei Werke eingehend dokumentierte und besprach. In einem eigenen Beitrag zu dem Band würdigte Charles F. Binns, der damalige Direktor der „New York State School of Clay-Working and Ceramics at the Alfred University“, die Stücke in Bezug auf ihre scheinbar erstaunliche Technik. Eben dies begründete die Skepsis der Fachwelt, da sich ihrer Meinung nach die bei den drei Stücken angewandte Brenntechnik nicht mit dem Wissensstand der Etrusker vereinbaren ließ. Tatsächlich gestand mehr als zwei Jahrzehnte später, im Januar 1961, der italienische Bildhauer Alfredo Fioravanti die Fälschung der drei Plastiken und legte offen, wie er gemeinsam mit dem Bildhauer Alfonso Riccardi und dessen Söhnen und Neffen die Skulpturen geschaffen hatte. Richters Nachfolger Dietrich von Bothmer, der zuvor schon mit Nachforschungen zu den Plastiken beauftragt worden war, verfasste daraufhin gemeinsam mit Joseph V. Noble, dem Verwalter des Museums, eine Studie, in der die Angaben von Fioravanti durch entsprechende Untersuchungen bestätigt wurden. Bothmer und Noble publizierten ihre Ergebnisse am 14. Februar 1961 in derselben Reihe der „Metropolitan Museum of Art Papers“, in der Richter und Binns 24 Jahre zuvor ihren Beitrag veröffentlicht hatten, in dem die Skulpturen als Originale präsentiert worden waren. Die drei Stücke wurden in die Depots des Metropolitan Museum verbannt, wo sie heute, selbst zu Forschungszwecken, nicht mehr zugänglich sind.

Israel Dov-Ber-Rouchomovsky und die „Tiara des Saitaphernes“

Die „Tiara des Saitaphernes“ (Paris, Louvre)

Am 1. April 1896 verkündete der Louvre triumphierend, dass man für die damals immense Summe von 200.000 Francs eine Tiara, eine Art Krone, gekauft habe, die einstmals Saitaphernes, einem skythischen König, gehört habe. Die golden Tiara war 443 Gramm schwer, 17,5 cm hoch, hatte einen Durchmesser von 18 cm und war mit Szenen aus Homers Ilias sowie mit Darstellungen aus dem Alltagsleben der Skythen dekoriert, einem iranischen Nomadenvolk von Reiterkriegern, das seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. auf dem Gebiet des heutigen Südrussland und der Ukraine lebte. Alle Informationen zur Herkunft des Objekts wurden von der Tiara selbst mitgeliefert, denn sie weist prominent eine griechische Inschrift mit dem Wortlaut auf: „Der Rat und die Bürger von Olbia in Ehrfurcht dem großen und unbesiegten König Saitaphernes.“ Olbia war eine antike griechische Kolonie nahe der Mündung des Flusses Dnjepr an der nördlichen Schwarzmeerküste gelegen, in der Griechen, Skythen und Sarmaten zusammenlebten. Eben diese Stadt hatte der erwähnte Saitaphernes im späten 3. oder frühen 2. Jahrhundert v. Chr. besiegt und daher wertvolle Geschenke von den Unterlegenen erhalten. Zu diesen gehörte auch, wie es schien, die ihm überreichte Tiara. Aufgrund all dieser rekonstruierbaren historischen Bezüge wurde sie von den Experten in das späte 3. bzw. frühe 2. Jahrhundert datiert und bei ihrer Präsentation im Louvre 1896 bis 1903 zunächst mit Lobeshymnen überschüttet. Allerdings meldeten sich auch schon früh kritische Stimmen, die Zweifel an der Echtheit des Objekts äußerten und dabei auf einige Sonderbarkeiten hinwiesen. So erschien es wenig glaubhaft, dass auf einer für einen skythischen König (also in den Augen der Griechen: Barbaren) geschaffenen Krone Szenen der Ilias zu sehen sein sollten, zumal die Gesänge des Homer mehr Niederschlag bei Künstlern der Neuzeit als bei den Griechen gefunden hatten. Diese bevorzugten eher lokale Götter- und Heroengeschichten. Hinzu kam, dass das Bildprogramm der Tiara Figuren aufwies, die man aus anderen antiken Bildquellen wie zum Beispiel berühmten apulischen Vasenmalereien oder einer römischen Silberplatte her kannte.

Satirische Postkarte, Albert Bergeret, Nancy, um 1904 (Kat.-Nr. II.12)

Über die Frage der Echtheit oder Unechtheit der Tiara entbrannte daraufhin ein die ganze französische Öffentlichkeit in Atem haltender Streit – bis sich am 25. März 1903 ein aus Odessa stammender jüdischer Goldschmied namens Israel Dov-Ber-Rouchomovsky meldete, der zu Protokoll gab, kürzlich von dem spektakulären Ankauf der Tiara durch den Louvre erfahren zu haben: Er wolle klarstellen, dass in Wirklichkeit er die Krone angefertigt habe. Rouchomovsky wurde daraufhin nach Paris eingeladen. Dort musste er vor einem speziell zusammengestellten parlamentarischen Komitee beweisen, dass tatsächlich er die Tiara hergestellt hatte (eine ähnliche Szene sollte sich 42 Jahre später wiederholen, als man dem Geständnis des Vermeer-Fälschers Han van Meegeren auch zunächst keinen Glauben schenken wollte). Rouchomovsky gab zu Protokoll, dass er von zwei rumänischen Kunsthändlern und Brüdern beauftragt worden sei, die Tiara als Geschenk für ein an Archäologie interessiertes Familienmitglied oder einen Freund herzustellen. Einer der Gründe, weshalb der Goldschmied sich auch gemeldet hatte, war, dass er hierfür lediglich mit 4.000 Francs entlohnt worden war, während die Kunsthändler ein Vielfaches daran verdient hatten (eine ähnliche Begründung für seine Selbstentlarvung sollte der italienische Bildhauer Alceo Dossena 24 Jahre später anführen). Wie nach ihm Dossena verwahrte sich auch Rouchomovosky gegen den Vorwurf, ein Fälscher zu sein. Er habe die Tiara nicht als Fälschung und in Täuschungsabsicht, sondern als Nachbildung, sozusagen als „Nachempfindende Schöpfung“ und „Stilaneignung“ hergestellt. Und wie Dossena später auch, genoss Rouchomovosky die Berühmtheit, die er mit und nach der Aufdeckung des Betrugs erlangte.

Von der Abbildung zum Abbild: Fälschungen Lucas Cranachs d.Ä. nach Katalogen

Christian Goller: Bildnis eines Knaben, Fälschung nach Lucas Cranach, Privatbesitz (Kat.Nr. II.18)

Angesichts des äußerst umfangreichen Œuvres, das der Maler Lucas Cranach geschaffen hat, ist es für Fälscher verführerisch, in dieses streckenweise unübersichtlich anmutende Werk neue Bilder hineinzufälschen. Dabei machen sich die Fälscher auch die modernen Reproduktionsmethoden zunutze. So hat es zum Beispiel den Anschein, als ob sie sich immer wieder auch und gerade an farbig illustrierten Cranach-Originalen in Katalogen orientierten. Wie der Cranach-Forscher Michael Hofbauer in seinem Beitrag bemerkt, scheinen zuweilen einzelne Publikationen von Fälschern besonders gerne konsultiert zu werden. Durch die Fachliteratur versorgen sie sich aber nicht nur mit motivischen Inspirationen für ihre Fälschungen, sondern auch mit dem notwendigen technischen Know-how, zum Beispiel, was die Unterzeichnungen Cranachs und seine Maltechnik angeht. Dies kann in einzelnen Fällen so weit gehen, dass eine technisch einwandfrei ausgeführte Fälschung bei einer naturwissenschaftlichen Untersuchung als unverdächtig eingestuft wird. Das spricht nicht grundsätzlich gegen die Aussagekraft und Relevanz naturwissenschaftlicher Analysen, die alleine ebenso wenig endgültig eine Aussage darüber treffen können, ob ein Werk echt oder falsch ist, wie die notwendigerweise damit zu kombinierende stilkritische Analyse des Experten. Letztere hatte gerade im Fall Beltracchi immer wieder versagt und es waren schließlich die naturwissenschaftlichen Ergebnisse, welche dabei halfen, die Fälschungen zu überführen. All dies zeigt, dass naturwissenschaftliche Analyse und Stilkritik nicht gegeneinander ausgespielt, sondern vielmehr gemeinsam mit Methoden wie Provenienzforschung kombiniert werden müssen, um auf der Grundlage von möglichst umfangreichem Material eine Entscheidung über die Authentizität eines Werkes treffen zu können.

Raffael und die Reproduzierbarkeit

Cornelis Bloemaert II: Anbetung der Hirten, Kupferstich, nach 1533, Privatbesitz (Kat.-Nr. II.20)
Unbekannter italienischer Meister: Anbetung der Hirten, Rötelzeichnung, um 1720, Privatbesitz (Kat.-Nr. II.21)

Ähnlich wie die Erfindung des Buchdrucks zu einer schnelleren und weiteren Verbreitung von Texten und Informationen führte, sorgte ab ca. 1400 das zunehmende Bekanntwerden der Holzschnitt- und Kupferstichtechnik dafür, dass Kompositionen von Gemälden und Zeichnungen verstärkt zu zirkulieren vermochten. „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner graphischen Reproduzierbarkeit“ hat die Kunsthistorikerin Corinna Höper – in Anlehnung an Walter Benjamins berühmten Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ – daher ihren 2001 vorgelegten Ausstellungskatalog Raffael und die Folgen untertitelt, in dem sie den Konsequenzen dieser technischen Vervielfältigungsmöglichkeiten nachgeht (Corinna Höper: Raffael und die Folgen. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner graphischen Reproduzierbarkeit, Ausstellungskatalog der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, 26. Mai bis 22. Juli 2001, Ostfildern 2001). Eine eher unwillkommene Folge dieses technischen Fortschritts war, dass die Autorschaft eines Kunstwerks verfälscht werden konnte: Nicht nur reproduzierten Kupferstecher die Werke anderer Künstler und suggerierten damit, dass es sich um eigene Erfindungen handele, sondern es kam auch vor, dass in der Reproduktionsgrafik berühmten Künstlern ganze Darstellungen zugewiesen wurden, um so die jeweiligen Werke aufzuwerten, obwohl das entsprechende Bild tatsächlich von einem anderen, sehr viel unbekannteren Künstler stammte. So ließ der Besitzer eines Gemäldes mit einer Anbetung der Hirten (heute: Oxford, Christ Church), der Venezianer Giambattista Franceschi, nach 1533 von dem Künstler Cornelis Bloemaert einen Kupferstich nach diesem Bild anfertigen, in dem dieses gleich zweimal als das Werk Raffaels ausgewiesen wird: Einmal durch die rechts hinter der Figur des Joseph in dem Säulenpostament lesbare Inschrift „Raphael Urbinas pinxit“ („Raffael aus Urbino hat es gemalt“) sowie zudem noch durch den unter der Szene gedruckten Text mit der Wendung „pingebat Raphael Urbinas“ („Raffael aus Urbino malte es“). Tatsächlich jedoch stammt das Gemälde von der Hand des Malers Girolamo da Treviso d. J., der sich in seiner Anbetung weniger an Raffael als vielmehr an einem Künstler wie Parmigianino orientiert zeigt, so dass es kaum wahrscheinlich ist, dass Franceschi einem Irrtum unterlag – es scheint vielmehr, als habe er sein Gemälde ganz bewusst durch die Verbreitung des Stichs aufwerten wollen. Dies gelang ihm zunächst auch, denn hundert Jahre später galt das Bild als Werk Raffaels: „Nicht mehr das Motiv, sondern allein der Name genügte offenbar, etwas gewinnbringend verkaufen zu können“, kommentiert Höper dies. Zudem sicherte eine solche Zuschreibung auch dem Kupferstich eine gewisse Beachtung, wie an einer 2005 auf den Kunstmarkt gekommenen Rötelzeichnung ersehen werden kann: Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um die Vorzeichnung Bloemarts zu dem Stich zu handeln – allerdings hätte die in der Zeichnung gezeigte Szene aufgrund des Druckprozesses im Kupferstich spiegelverkehrt erscheinen müssen. Da dies jedoch nicht der Fall ist und das Blatt zudem in einigen Details von dem Stich abweicht, ist davon auszugehen, dass es sich um eine (wohl um 1720) entstandene Kopie nach dem Stich handelt. Die Existenz einer solchen Kopie lässt erahnen, welche zusätzliche Verbreitung dieser Kupferstich durch solche Nachzeichnungen noch erfahren konnte: Der niederländische Maler Henry Ferguson (auch: Vergazon) schuf ebenfalls um 1720 ein Gemälde (Amsterdam, Rijksmuseum) mit der Darstellung des in einer römischen Ruinenlandschaft Almosen verteilenden Heiligen Kardinal Carlo Borromeo und lässt diesen hierbei auf einen riesigen Sarkophag zeigen, dessen Vorderseite ein Relief mit der vermeintlich von Raffael stammenden Anbetungs-Szene schmückt.

Michelangelo als Fälscher?

Fotografie (Detail) eines um 1544 entstandenen Porträts des Michelangelo Buonarroti (1475 – 1564) von Daniele da Volterra, New York, Metropolitan Museum

Nicht immer sind berühmte Künstler nur Opfer von Fälschern, zuweilen betätigen sie sich selbst als solche: Verschiedene zeitgenössische Chronisten berichten, dass der junge Michelangelo ein antikes Kunstwerk gefälscht und erfolgreich verkauft habe. Obwohl die genauen Zusammenhänge und Abläufe von den Biografen mit gewissen Varianten geschildert werden, weisen die Schilderungen des Michelangelo-Schülers und -Vertrauten Ascanio Condivi aus dem Jahr 1553 (Michelangelo war zu diesem Zeitpunkt 78 Jahre alt), mit jenen, die Giorgio Vasari 15 Jahre später vorlegte, genügend Parallelen auf, um wenigstens in groben Linien den Tathergang und die Beteiligten umreißen zu können: Demnach schuf Michelangelo offenbar im Alter zwischen 15 und 20 Jahren die antik aussehende Skulptur eines Schlafenden Amor, die anschließend an Kardinal Raffael Riario in Rom, einen seinerzeit berühmten Kunstmäzen, als angeblich originale Antike verkauft wurde. Glaubwürdigkeit erlangte das Stück jenseits seines Erscheinungsbildes zusätzlich dadurch, dass man es zuvor leicht beschädigt und dann vergraben hatte, um es wie eine erst kürzlich entdeckte Antike erscheinen zu lassen. Uneins sind sich die jeweiligen Autoren jedoch darüber, inwieweit weitere Protagonisten wie zum Beispiel Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici (heute vor allem erinnert als Auftraggeber von Sandro Botticellis Primavera und seiner Geburt der Venus) und der Kunsthändler Baldassarre del Milanese beteiligt waren: Mal wird die Idee, die Skulptur als gefälschte Antike zu verkaufen, de’ Medici, mal del Milanese zugewiesen, die beide politische oder aber rein finanzielle Beweggründe hierfür gehabt haben könnten. Auffällig ist, dass beide Biografen Michelangelo als direkten Täter ausblenden: Schenkt man ihren Ausführungen Glauben, hatte er lediglich das Kunstwerk geschaffen, es aber weder vergraben, um es auf antik zurechtzumachen, noch selbst als Antike verkauft. Dies steht im Widerspruch zu der frühesten Überlieferung der Geschichte durch den Bischof, Arzt und Geschichtsschreiber Paolo Giovio, der in seiner Fassung Michelangelo lediglich einen Mittelsmann an die Seite gegeben hatte, um den Verkauf nach Rom zu tätigen. Man kann bei den späteren Versionen vermuten, dass sie versuchten, den Künstler vom Vorwurf der Fälschung reinzuwaschen, indem sie entweder einen Politiker oder aber einen Kunsthändler zu den eigentlich Schuldigen erklärten. Man könnte hierin die Gründungsgeschichte jener Auffassung sehen, der zufolge stets böse und geldgierige Kunsthändler daran schuld sind, dass in bester Absicht vom Künstler geschaffene Werke anschließend als perfide Fälschungen auf den Markt gebracht werden (vgl. dazu auch den Beitrag von Aviva Briefel): Für die Annahme, dass Michelangelo an der ganzen Affäre stärker beteiligt gewesen zu sein scheint, spricht auch eine handschriftliche Anmerkung des letzten Gehilfen Michelangelos, Tiberio Calcagnis, in dem Exemplar einer 1553 gedruckten Biografie. Dort gibt er an, Michelangelo habe den Kardinal Riario gebeten, über die Angelegenheit künftig nicht mehr zu sprechen; es sei ein Fehler, sie noch einmal zu erwähnen. Hätte Michelangelo selbst mit der ganzen Angelegenheit nur mittelbar etwas zu tun gehabt, hätte es für eine solche Sorge vor dem Nachleben der Affäre keinen Grund gegeben. Leider ist das „corpus delicti“, der Schlafende Amor selbst, verschollen: Riario hatte von seinem wahren Urheber erfahren, die Skulptur zurückgegeben und sein Geld rückerstattet bekommen. Im 16. und 17. Jahrhundert ist das Werk dann als Bestandteil der Sammlung der Isabella d’Este am Hof der Gonzaga in Mantua dokumentiert; seine Spuren verlieren sich nach 1630, als das Stück, zusammen mit weiteren Objekten aus der Sammlung, von Italien nach England verschifft werden sollte.

Michelangelo gefälscht! Das David-Modello

Frederick Hartt: David by the Hand of Michelangelo. The Original Model Discovered, London / New York 1987 (Kat-Nr. II.29)

Am 22. Mai 1986, genau an seinem 72. Geburtstag, erhielt der amerikanische Kunsthistoriker Frederick Hartt in seinem Zuhause in Charlottesville (Virginia) einen Anruf, in dessen Verlauf er über eine angeblich spektakuläre Neuentdeckung eines Werks von Michelangelos informiert wurde. Sein Gesprächspartner, ein für den Besitzer des Stücks agierender Unterhändler, reiste gleich am nächsten Tag nach Charlottesville, um Hartt eine Reihe von Schwarz-Weiß-Fotografien vorzulegen. Sie zeigten nichts weniger als den Torso einer kleinen Statue, in dem der Gelehrte sofort Michelangelos verschollenes Modello, eine ausgereifte Vor- und Probestudie, für den berühmten David erkannte. Nachdem Hartt die Kleinskulptur zwei Wochen später in Paris begutachtet hatte, wo sie sein Besitzer, Michel De Bry, verwahrte, war er von der Echtheit des Stücks überzeugt. Ähnlich wie Gisela Richter beim Ankauf der vermeintlich etruskischen Monumentalskulpturen musste Hartt in dieser Entdeckung die Krönung seines Lebenswerks gesehen haben, zumal er Zeit seines Lebens vor allem über Renaissance-Malerei publiziert hatte, tatsächlich aber im Innersten eine tiefe Liebe zur Skulptur empfand. Diese manifestiert sich auch in den Zeugnissen, die seine Tätigkeit am Ende des Zweiten Weltkriegs überliefern: Hartt war einer der „Monuments Men“ gewesen, also jener Kunstschutzsoldaten, die im Krieg Kunstwerke vor der Zerstörung zu retten versuchten sowie den Auftrag hatten, von den Deutschen verschleppte und versteckte Kunstgüter aufzuspüren, zu identifizieren und den rechtmäßigen Besitzern in den verschiedenen europäischen Ländern wieder zurückzugeben. In eben dieser Mission war Hartt in Italien unterwegs und hat seine dabei gemachten Erfahrungen 1949 in dem Buch Florentine Art Under Fire geschildert; auf Fotografien aus den dort erzählten Jahren lässt sich der junge Leutnant auffallend oft zusammen mit Skulpturen ablichten. Es muss für Hartt eine besondere Genugtuung gewesen sein, gegen Ende seines Lebens mit einer spektakulären Entdeckung im Bereich der Skulptur an die Öffentlichkeit treten zu können. Bei seinen weiteren Recherchen stieß er auf Hinweise, welche die Echtheit der Statuette zu bestätigen schienen: Die an ihr zu beobachtenden Verbrennungsspuren ließen sich mit historischen Dokumenten in Beziehung setzen, in denen unter anderem berichtet wurde, dass sich das Modello im Palazzo Vecchio in Florenz befunden habe, bis dort 1690 ein Brand ausgebrochen sei. Damit verstummten die Dokumente diesbezüglich, da man es als offenbar verloren, das heißt wohl: als verbrannt annahm. Solcherart bestätigt, wurde Hartt nun aktiv: Er schloss 1986 ein Abkommen mit dem Auktionshaus Sotheby’s, demzufolge das Modello mit einem Mindestwert von 50 Millionen Dollar für eine der nächsten Versteigerungen veranschlagt werden sollte; parallel dazu betrieb er die Publikation eines 1987 dann auch tatsächlich erschienenen Prachtbandes, in dem die Statuette präsentiert werden sollte. Dieser wurde vorab beworben mit einem im März 1987 erschienenen Artikel in der New York Times, in dem von der spektakulären Wiederentdeckung des Modellos berichtet wurde. Die Nachricht von dessen sensationeller Auffindung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den internationalen Medien, was eine erfolgreiche Versteigerung der Figurine sicherlich begünstigt hätte – wäre nicht anschließend ein Streit um die Eigentumsrechte an dem Torso ausgebrochen. Es zeigte sich nämlich, dass De Bry tatsächlich gar nicht der eigentliche Besitzer war, sondern im Auftrag eines italienischen Kunsthändlers namens Gianni Ongaro agierte, der die Skulptur angeblich als Erster entdeckt und gekauft habe. Dritter im Bunde war ein an dem Erlös beteiligter Mann namens Michael van Rijn, der als Händler geschmuggelter, gestohlener und gefälschter Kunstware tätig war, die er eigenen Angaben zufolge an eine Klientel verkaufte, die sich aus Mafiosi, Filmstars, korrupten Politikern, Terroristen, Drogenschmugglern, aber auch Millionären und Aristokraten rekrutierte. De Bry, van Rijn und Ongaro gerieten nun vor der Sotheby’s-Versteigerung in einen Streit über die Gewinnverteilung, der in einem Prozess mündete, an dessen Ende das Stück 1995 Ongaro zugesprochen wurde. Zwar hoffte dieser, es für nunmehr 80 Millionen Dollar verkaufen zu können, die Fachwelt hatte jedoch inzwischen jegliches Interesse an der Statuette verloren, da sie als Fälschung entlarvt worden war: De Bry, van Rijn und Ongaro sowie auch Hartt, der an dem Erlös prozentual beteiligt gewesen wäre, gingen leer aus, Letzterer war zudem als Experte blamiert, da er auf eine Fälschung hereingefallen war.

Giovanni Bastianini (1830–1868) als Fälscher der Renaissance

Riccardo Nobili: A Modern Antique. A Florentine Story, London 1908 (Kat.Nr. II.39) )

1863 schuf der italienische Bildhauer Giovanni Bastianini Porträts zweier berühmter, historisch zusammengehöriger Figuren: Eine Büste des Dominikanermönches und Bußpredigers Girolamo Savonarola (heute: London, Victoria and Albert Museum), der im Florenz des 15. Jahrhunderts einen Gottesstaat errichten wollte und, unter anderem, auch für die Vertreibung der Medici aus Florenz mit verantwortlich gewesen war, sowie eine Büste des Poeten und Philosophen Girolamo Benivieni (heute: Paris, Musée du Louvre), der unter dem Einfluss des Geistlichen frühere Dichtungen als „frivol“ verwarf und Savonarolas Texte aus dem Lateinischen übersetzte. Da beide Porträts im Stil des 15. Jahrhunderts gehalten und zudem irreführend mit in diese Zeit deutenden Hinweisen versehen waren, wurden beide Werke, nachdem sie in den Kunsthandel gelangt waren, für originale Werke der Renaissance gehalten und umso mehr begeistert begrüßt, als man von den beiden historischen Persönlichkeiten bislang nur gemalte, jedoch keine dreidimensionalen Porträts gekannt hatte. Während die Savonarola-Büste innerhalb von Florenz den Besitzer wechselte, wurde die Benivieni-Büste nach Paris verkauft, wo sie im Mai 1866 vom Direktor des Louvre für eine Summe von 13.250 Francs erworben wurde. Wie später bei der „Tiara des Saitaphernes“ wurden, kaum dass das Exponat ausgestellt war, erste Stimmen laut, welche die Echtheit der Büste in Zweifel zogen. Aufgrund nicht eingehaltener Vereinbarungen hinsichtlich der Verteilung des aus dem Verkauf erzielten Erlöses kam es kurz darauf zwischen Bastianini und dessen Hauptauftraggeber Giovanni Freppa auf der einen und dem Pariser Verkäufer der Büste auf der anderen Seite zu einem Zerwürfnis, das darin mündete, dass Freppa und Bastianini offenlegten, dass es sich bei der Darstellung Benivienis in Wirklichkeit nicht um ein Werk der Renaissance, sondern um eine Schöpfung Bastianinis handelte. Daraufhin brach ein heftiger Streit zwischen der Florentiner und der Pariser Presse aus, in dem es unter anderem darum ging, die Reputation des düpierten Louvre-Direktors Nieuwerkerke und damit die französische Landesehre zu retten, zumal der publizistische Schlagabtausch auch den Hintergrund gerade aktueller politischer Spannungen zwischen Frankreich und der politischen Einigungsbewegung in Italien hatte. Ein in Artikeln von dem französischen Bildhauer Eugène Louis Lequesne mit Bastianini ausgetragenes Streitgespräch brach am 29. Juni 1868 jäh ab, als der italienische Bildhauer unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen im Alter von nur 38 Jahren starb. Posthum wurde er nun jedoch als genialer Neuschöpfer der Renaissance verehrt, denn immer mehr setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine Vielzahl von seinerzeit als Meisterwerke der Renaissance verkauften Stücken tatsächlich Werke Bastianinis waren – darunter zum Beispiel auch die Savonarola-Büste sowie die von Otto Kurz als Fälschung illustrierte Chanteuse Florentine. Wie groß und nachhaltig die Verwirrung ist, die Bastianini und sein Auftraggeber Freppa mit ihren Fälschungen in der Kunstgeschichte gestiftet haben, kann daran ersehen werden, dass zuweilen längst als Fälschungen enttarnte Werke Bastianinis anschließend wieder als Originale firmierten und dann erneut – zuweilen mit über 100 Jahren Abstand – entlarvt werden mussten. Zudem wird nach wie vor kontrovers diskutiert, ob Bastianini – ganz dem auch in Romanen der Zeit gepflegten Fälscherklischee entsprechend – an den Fälschungen „unschuldig“ war und diese nichtsahnend im Auftrag des verschlagenen Kunsthändlers Freppa schuf, oder ob er sich nicht sehr genau über die betrügerischen Absichten Freppas im Klaren war und lediglich den ahnungslosen, naiven, ganz für seine Kunst lebenden Bildhauer spielte.

zum Seitenanfang