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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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„Allegro innocente“? Haydn-Fake bei Ausstellungseröffnung

Anlässlich der Ausstellungseröffnung am 24.05.2016 ab 18 Uhr in der Alten Aula der Heidelberger Universität spielte der Pianist Ilan Bendahan Bitton Teile aus zwei Kompositionen, die im Programm ausgewiesen waren als:

  • Joseph Haydn (1732-1809)
    Klaviersonate As-Dur Hob. XVI:46
    Adagio
    Finale: Presto
  • und
  • Joseph Haydn (1732-1809)
    Klaviersonate B-Dur L. 24
    Rondo. Allegro innocente.
Eröffnung der Ausstellung „Fake: Fälschungen, wie sie im Buche stehen” am 24.05.16 in der Heidelberger Universität'
(Foto: Susann Henker)

Zum Abschluss der Eröffnung klärte Prof. Dr. Henry Keazor das Publikum darüber auf, dass es sich bei einer der beiden Kompositionen tatsächlich um eine Fälschung nach Joseph Haydn handelte, und er ließ die Zuhörer raten, welches der beiden Werke ihrer Meinung nach das Original und welches die Fälschung gewesen sei. Eine Mehrheit tippte darauf, dass es sich bei der zweiten Komposition um das Original handelte – und lag damit…falsch!

Denn deren Stücke stammen tatsächlich von dem Münsteraner Musiker und Flötisten Winfried Michel, der sich schon seit einiger Zeit mit solchen „Werkergänzungen“ betätigt, d.h. er erfindet verlorene Werke im Geiste der verstorbenen Komponisten „neu“. So auch in diesem Fall: In Haydns Entwurfskatalog von ca. 1766/69 finden sich tatsächlich die „Incipits“, also die Anfänge von acht Klaviersonaten notiert, die wahrscheinlich bei einem Brand von Haydns Haus im Jahre 1768 vernichtet worden sind. 1993 erhielt der österreichische Pianist und Haydn-Interpret Paul Badura-Skoda per Post von Michel ein Paket mit den Fotokopien einer Notenhandschrift zugeschickt, die sechs der verschollenen Sonaten Haydns zu überliefern schien.

Badura-Skoda war zwar zunächst etwas skeptisch („…es wäre ja denkbar, dass ein begabter, stilkundiger Musiker anhand der vorhandenen Incipits sein schöpferisches Talent unter Beweis stellen wollte“) und wurde auch angesichts der merkwürdigen Provenienz etwas argwöhnisch (Besitzerin war angeblich eine alte kränkelnde Dame in der Nähe von Münster, die ihren Namen nicht genannt wissen wolle). Angesichts der Qualität der Stücke war Badura-Skoda jedoch schließlich überzeugt und er beschloss, sie als Uraufführung auf CD einzuspielen.

(Foto: Susann Henker)

Auch der 2009 verstorbene Haydn-Spezialist Howard Chandler Robbins-Landon war von der Echtheit der Stücke überzeugt und sprach auf einer spektakulären Pressekonferenz der BBC von der „Entdeckung des Jahrhunderts“. Alles, vom Plattenvertrag bis hin zu einem Galakonzert an der Harvard-University, war vorbereitet, als sich das Haydn-Institut in Köln meldete und mitteilte, dass man anhand verschiedener Indizien nachweisen könne, dass es sich bei der angeblichen Entdeckung um eine Fälschung handele.

Selbst, als sich nun verschiedene Personen meldeten, die Winfried Michel bereits als Betrüger kannten, beharrte Robbins-Landon zunächst noch auf der Echtheit der Sonaten, widerrief dann jedoch und erklärte die Sonaten zu „Master forgeries“ und den Fälscher zum „greatest forger of all time“: Er, Robbins-Landon, könne gut damit leben, auf diese Fälschungen hereingefallen zu sein.

Badura-Skoda hat die Sonaten zwei Jahre nach dem Skandal, 1995, dann doch noch eingespielt und auf CD veröffentlicht. Der Verlag, der diese CD ebenso wie das Notenmaterial vertreibt, führt diese Werke offiziell als „herausgegeben und ergänzt von Winfried Michel“.

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