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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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BuchDruck – Wandel mit Holzblock und Letter



Der sechste Vende (Bauer): Gastwirt

Das Schachspiel als Spiegel der Gesellschaft

Um 1300 entstand das im Spätmittelalter beliebte und weit verbreitete Werk „De ludo scachorum“ des italienischen Dominikanermönchs Jacobus de Cessolis. Sein Thema ist das Schachspiel in seiner allegorischen Ausdeutung. Basierend auf der Vorstellung, dass die Spielfiguren die Menschen in ihren verschiedenen Ständen und Berufen widerspiegeln, entwickelt der Autor eine Verhaltenslehre für die gesamte Gesellschaft.

Unterteilt wird in „edle“ und „gemeine“ Figuren, wobei die zu den „Gemeinen“ gehörende Gruppe der Bauern, „Venden“ genannt, Vertreter unterschiedlicher Berufe repräsentiert. Das mittelhochdeutsche Wort „Vende“ bezeichnet denn auch nicht den Bauern in unserem Sinne, sondern bedeutet „Fußgänger“ oder „Knabe“, lässt also einen breiteren Interpretationsspielraum zu.

In zahlreichen Handschriften und Drucken finden sich bildliche Darstellungen einzelner Spielfiguren. In dem hier gezeigten kolorierten Holzschnitt sieht man den sechsten Venden, einen Gastwirt. Er steht vor der Tür seines an einer Mauer gelegenen Hauses und vollführt mit der rechten Hand eine einladende Geste. In der linken Hand hält er eine „semel“, auf der ein „glezlin mit wein“ steht, an seinem Gürtel hängt ein großer Schlüssel. Im Text wird erläutert, dass man bei dem Gastwirt Speise und Sicherheit finden könne. Es folgen moralisch-erbauliche Ausführungen unter anderem zum Maßhalten unter Berufung auf die Bibel und andere geistliche Autoritäten.

Die den Textabschnitt einleitende D-Initiale umschließt eine männliche Figur, die eine Krone trägt und an einem Tisch sitzt. Sie hält ein Brot und einen Kelch in den Händen, vor ihr liegen ein Teller, ein Messer und weitere Brote – eine inhaltliche Verbindung ist also durchaus gegeben.

Die Holzschnitte der Schachfiguren (nicht aber die Initialen) wurden bereits in einem früheren Knoblochtzer-Druck des gleichen Werkes verwendet und kopieren wiederum diejenigen der von Günther Zainer 1477 in Augsburg herausgegebenen Version.


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