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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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HandSchrift – Bewährt mit Pinsel und Feder



Der neunte Alte und die minnende Seele

Bibelwissen

Die Heiligen Schrift ist die Basis der christlichen Religion. Für die Menschen des 15. Jahrhunderts reichte Bibelgeschichte als Heilsgeschichte bis in ihre eigene Zeit. Diesen Wissenshorizont galt es theologisch auszulegen, zu vermitteln und dem Gläubigen zugänglich zu machen. So wurden biblische Bücher vervielfältigt und kommentiert. Neue Texte und Bildfolgen entstanden, die das Bibelwissen didaktisch aufbereiteten.

Erbauliche Dialoge

„Die 24 Alten“ des Otto von Passau ist ein Werk volkssprachlicher Erbauungsliteratur. Es nimmt Bezug auf eine Bibelstelle aus der Offenbarung des Johannes. Dort beschreibt der Evangelist in einer Vision, wie um den Thron Gottes 24 weitere Throne gruppiert sind, auf denen 24 in weiße Gewänder gekleidete und bekrönte Älteste sitzen. Den 24 Alten wurde eine direkte Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen zugeschrieben.

Otto von Passau (1362–1385 urkundlich nachgewiesen) lässt jeden der 24 Alten in einer eigenen Rede ein Thema der christlichen Glaubenslehre abhandeln: von dem Wesen Gottes und des Menschen über die Themen Liebe, Gnade und Glaube bis hin zum Fegefeuer, der Hölle und der ewigen Seligkeit.

Zirka die Hälfte der erhaltenen Manuskripte ist illustriert. Am Beginn der einzelnen Reden stehen stereotyp wiederholte, formelhafte Bilder, die entweder einen der Alten in Form eines Autorbildes, oder einen Alten und die Seele im Dialog zeigen. Bis auf eine Ausnahme steht der Alte immer rechts vor der nur halb so groß und als junges Mädchen mit blonden Haaren dargestellten „minnenden Seele“, die meist vor ihm kniet und betet. Der belehrende Charakter der Rede wird durch den stark betonten Redegestus der überproportional gezeichneten Hände der Alten unterstrichen. Die Figuren stehen immer auf einem Bodenstück, der Hintergrund ist durch die Farbe Blau und die Andeutung von Wolken als Himmel gestaltet. In der gezeigten Miniatur belehrt der neunte Alte die Seele über die göttliche Gnade.

Die 24 kolorierten Federzeichnungen wurden nachträglich auf Einzelblättern in die Handschrift eingeheftet. Sie stammen von zwei Zeichnern.

Das Kolophon, in dem das Ende der Abschrift auf den Tag der Heiligen Apollonia (9. Februar) im Jahr 1457 datiert wird, nennt als Schreiber einen „Hans Seiler“, der bislang jedoch nicht weiter nachweisbar ist.

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