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Friedrich Kiels Klavierkammermusik in Sonatenform

Büchner, Susanne

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Abstract

Die Klavierkammermusik in Sonatenform von Friedrich Kiel (1821–1885) setzt sich aus Duos (Sonaten), Klaviertrios, -quartetten und -quintetten für ein bis vier Streichinstrumente und Klavier zusammen. Sie erreichte internationale Bekanntheit und genoss u. a. die Hochschätzung durch „fortschrittliche“, der Neudeutschen Schule nahestehende Musiker. Kiel zählte im 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten Kammermusikkomponisten und hatte auch als Kompositionslehrer und Hochschulprofessor, als der er die Kompositionsabteilung der Berliner Musikhochschule während der Gründungsvorbereitung maßgeblich gestaltete wie auch für dreizehn Jahre leitete, ein internationales Renommee.

I) Studienaufbau und -bereiche

Im Zentrum der Forschungsarbeit stehen die neuartigen, wissenschaftlich fundierten Datierungsverfahren für alle Arten von Musikquellen sowie die darauf basierende philologische Quellenerschließung der für Kiel relevanten Noten- und Textquellen im Werkkatalog seiner Klavierkammermusik in Sonatenform. Die beschriebenen Datierungsverfahren sind für Notenhandschriften (Autografe, Abschriften) wie auch Notendrucke (Erstdrucke, als Novum Auflagen-, Titelauflagen-, Nachdrucke) prinzipiell auf sämtliche Notenquellen des 19./20. Jahrhunderts übertragbar. Der Werkkatalog schlüsselt für die genannten Kammermusikgattungen pro Komposition die auf Originalquellen basierende Entstehungs-, Veröffentlichungs- sowie Aufführungsgeschichte auf, angereichert mit Hinweisen auf CD-Aufnahmen, Rundfunkeinspielungen und Aufführungsdauern.

Die Auswertung des umfassenden Quellenmaterials veränderte das bisherige Bild Friedrich Kiels in seinen Funktionen als Komponist, Kompositionslehrer wie auch Privatperson. Auf sie stützt sich auch die Analyse, Einordnung und Bewertung des Kompositionsstils seiner Klavierkammermusik in Sonatenform (Kapitel 5). Die auf diesen Quellenstudien beruhenden neuen Erkenntnisse beziehen sich auf die Biografie Kiels (Kapitel 1, Anhänge 4–7), sein gesamtes Œuvre (Kapitel 2, Anhänge 2–3, Anhang 5 M1–4) und den sich im Laufe der Zeit verändernden historischen Kontext seiner Klavierkammermusik in Sonatenform (Kapitel 4). Hinzu kommen zeitliche Querbezüge zwischen diesen drei Bereichen sowie eine weitestgehend zuverlässige Chronologie seiner Kompositionen und biografischen Stationen.

Ein Werkverzeichnis des gesamten Œuvres von Kiel, das über 290 Originalwerke wie auch rund 50 Eigen- und Fremdbearbeitungen umfasst und Bezug auf drei quellenbasierte Anhänge nimmt (u. a. Anhang 2 mit Existenzspannen von Musikverlagen, Kommissionären und Druckereien), ergänzt den ausführlichen Werkkatalog seiner Klavierkammermusik in Sonatenform. Kiels Biografie wird u. a. mit der Beschreibung seines weltweit zerstreuten Musiknachlasses sowie in drei Anhängen mit einem erweiterten Verzeichnis seiner Kompositionsschüler (inklusive Unterrichtszeiträumen), einer Quellen- und Briefausgabe sowie Biografien von Personen im Umkreis Kiels angereichert. Der sich verändernde Kontext seiner Klavierkammermusik in Sonatenform umfasst u. a. Werkgruppierungen in Entstehungs- oder Erstveröffentlichungsabfolge, Schaffensperioden und Gründe für Kiels mehrmaligen Hauptverlagswechsel (Kapitel 4.1), Widmungsempfänger und -anlässe sowie Verbreitung und Präferenz dieser Werke (Kapitel 4.2–3) wie auch Veränderung der Berliner Aufführungsmöglichkeiten von Kammermusik und Vereinsgründungen zur Förderung zeitgenössischer Kammermusik (Kapitel 4.4). Letzteres ging mit drei strukturellen Veränderungen im Konzertwesen einher: der Verlagerung des Aufführungsschwerpunkts von Haus- auf öffentliche Konzerte, der Zunahme der Professionalisierung von Kammermusikern und kammermusikalischen Ensembles wie auch der Gründung mehrerer Tonkünstlervereine im In- und Ausland (nach dem Vorbild des ersten, 1844 gegründeten „Tonkünstlervereins Berlin“) und 1861 des gesamtdeutschen „Allgemeinen Deutschen Musikvereins“ (mit „Tonkünstlerversammlungen“ als Musikfestivals für zeitgenössische Musik).

II) Kompositionsstil von Kiels Klavierkammermusik in Sonatenform

Friedrich Kiel stand im Spannungsfeld der öffentlich zwischen zwei polarisierenden Musikparteien geführten Auseinandersetzung um die zukunftsweisende Musikrichtung, die insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das deutsche Musikleben prägte und zugleich eine gesellschaftliche Relevanz besaß (Kapitel 4.5). Hierbei standen sich die „konservative“ Brahms-Partei um Johannes Brahms, Josef Joachim und Robert Schumann, deren extremster Pol die Berliner Akademiker bildeten (mit Hochschuldirektor Joachim seit 1869 an der Spitze), und die „fortschrittliche“, seit 1859 als Neudeutsche Schule bezeichnete Fortschritts-Partei um Franz Liszt und Richard Wagner gegenüber.

Innerhalb dieses Musikparteienstreits zeichnete sich Kiel durch seine Aufgeschlossenheit gegenüber allen neuen Musikentwicklungen als Privatperson, Kompositionslehrer, Hochschulprofessor wie auch als Komponist aus, wie sich u. a. an seinem Kompositionsstil der Klavierkammermusik in Sonatenform ablesen lässt. In den zwei formalen Hauptmerkmalen seines Kompositionsstils, welche mit einer facettenreichen Kontrastierung von Formklarheit und -aufweichung einhergeht, verschmolz er jeweils ein kompositorisches Element der beiden Musikparteien miteinander. Die Formaufweichung basiert hauptsächlich auf einer für ihn charakteristischen, breit gefächerten Palette von formalen Überlagerungstechniken, bei denen sich mehrere formale Funktionen oder musikalische Formen teilweise oder vollständig überlappen. Allein drei verschiedene Überlagerungstechniken prägen sein exemplarisch analysiertes Klaviertrio cis-Moll op. 33.

Abseits des Parteienstreits fand Kiel somit einen dritten Weg, kreativ mit Formmodellen zu jonglieren und sie zu modifizieren, ohne die formale Integrität der Einzelsätze – wie bei den stärker ausgeprägten Formmodifizierungen der Neudeutschen Schule – infrage zu stellen, womit er sich zugleich in einem bedeutenden formalen Aspekt von Johannes Brahms, dem Komponistenidol der Brahms-Partei, unterschied. Entsprechend lehnte Kiel auch jede Parteizugehörigkeit ab, um sich seine künstlerische Freiheit zu bewahren, und nahm dafür alle damit für ihn einhergehenden Nachteile bewusst in Kauf. Somit steckte Kiel in seiner Klavierkammermusik in Sonatenform seine Position innerhalb des Musikparteienstreits ab, indem er sich kompositorisch auch von der Neudeutschen Schule beeinflussen ließ, alle antineudeutschen Bestrebungen der Brahms-Partei strikt ablehnte und deren extremste Gruppierung – die Berliner Akademiker – nicht zu den „wirklichen Komponisten“ zählte.

Entsprechend seiner aufgeschlossenen Haltung verband Friedrich Kiel mehrere Traditionen im Kompositionsstil seiner Klavierkammermusik in Sonatenform miteinander. Das kompositorische Fundament bilden seine klassischen Vorbilder Ludwig van Beethoven in der kreativen Formgebung sowie Johann Sebastian Bach in der Imitationstechnik und der vereinzelt auch in seiner Kammermusik angewandten Kontrapunktik. Darüber hinaus stand Kiel hauptsächlich in der Tradition von jeweils einem führenden Vertreter beider Musikparteien, von Robert Schumann (Brahms-Partei) und Franz Liszt (Fortschritts-Partei), wie auch von Franz Schubert. Hierbei bezog er sich auf Schumann in der Realisierung des 1839 von diesem geforderten Einflusses der Gattung instrumentale Fantasie auf seine in Sonatenform stehenden Kompositionen, auf Liszt im Aufweichen bzw. Modifizieren musikalischer Formen durch verschiedenartige formale Überlagerungstechniken und auf Schubert in den variierten, teilweise zur Reihungsform ausgebauten Wiederholungsstrukturen und in der instrumentalen Kantabilität. So leistete Kiel als Kammermusikkomponist unter anderem in der Kontrastierung der beiden formalen Hauptmerkmale seines Kompositionsstils, Formklarheit und -aufweichung, seinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gattung Sonate.

Entsprechend charakterisierte man Friedrich Kiel, der Traditionsverbundenheit und Modernitätsanspruch miteinander verband, als einen „Spaziergänger, der unbekümmert um die grosse Strasse häufig von ihr abweicht, um sich seinen eigenen Weg durch schöne Gegenden bestimmen zu lassen“ (Brief 6.1.1853 von Siegfried Wilhelm Dehn). Neben den sog. großen Namen gehört Kiel somit zu den beachtenswerten Kammermusikkomponisten des 19. Jahrhunderts, ohne die der Farbenreichtum der Musikgeschichte deutlich kleiner ausfiele.

Document type: Dissertation
Supervisor: Leopold, Prof. Dr. Silke
Place of Publication: Heidelberg
Date of thesis defense: 8 August 2011
Date Deposited: 21 Oct 2014 12:52
Date: 2014
Faculties / Institutes: Philosophische Fakultät > Musikwissenschaftliches Seminar
DDC-classification: 780 Music
Uncontrolled Keywords: Klavierquartette (= Quartette für Violine, Bratsche, Cello und Klavier), Klavierquintette (= Quintette für 2 Violinen, Bratsche, Cello und Klavier), Violinsonaten (= Sonaten für Violine und Klavier), Bratschensonaten (= Sonaten für Bratsche und Klavier), Cellosonaten (= Sonaten für Cello und Klavier), Klaviertrios (= Trios für Violine, Cello und Klavier), Manifest (der Brahms-Partei von 1860) gegen die Neudeutsche Schule
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